Rückblick, Abschied und süße Erinnerungen – Grüße aus Estland Teil 4

Blick auf den Tallinner Hafen (Foto: Paula Gürtler)

Unsere Redakteurin ist wieder in Deutschland. Das Semester an der Universität Tallinn hat sein Ende gefunden, und es wurde Zeit für den Abschied. Hier nun ein Rückblick, wie sie die letzten Wochen in Estland verbrachte und was sie bereits vermisst. Von Paula Gürtler.

Das war dann wohl 2020 und mein Auslandssemester. Schon seit dem 30. Dezember bin ich wieder in Deutschland. Nachdem ich mich vom Meer verabschiedet hatte, begann meine Rückreise etwas früher als ich eigentlich geplant hatte. Auch in Estland stieg die Zahl der Neuinfektionen weiter an, doch so richtige Maßnahmen gab es nicht. Ankündigungen gab es zwar – diverse Läden sollten geschlossen bleiben, in geschlossen Räumen sollten Masken getragen werden – aber die wirkliche Durchgesetzung dessen habe ich nicht gesehen. Als dann Anfang und Mitte Dezember auch mehr Studierende im Wohnheim positiv getestet wurden (weil eben immer noch fröhlich Partys mit 20 oder mehr Leuten gefeiert wurden), habe ich meinen Koffer gepackt und bin erstmal sehr spontan in eine Ferienwohnung gezogen.

Weihnachten ganz anders

Eine Woche verbrachte ich dann dort und ließ mich in der Zeit selbst auf Covid testen. Zum Glück war ich negativ. Am 23. Dezember packte ich dann wieder Alles in meinen Koffer und zog weiter – zu einer Freundin, mit der ich dann auch Weihnachten verbrachte. Es war für mich das erste Mal, zu dieser Zeit nicht mit meiner Familie zusammen zu sein. Stattdessen war ich in einem anderen Land und verbrachte Heiligabend mit einer Freundin, die ich bis dahin noch keine drei Monate kannte. Sie war mir in der kurzen Zeit trotzdem sehr ans Herz gewachsen, sodass der Tag, zwar anders als gewohnt, aber dennoch wunderschön war. Außerdem bereicherte es meinen Auslandsaufenthalt, war eine spannende Erfahrung und passte auch gut in dieses seltsame Jahr 2020.

Verschneites Wintermärchen

Verschneiter Wald im Süden Estlands (Foto: Paula Gürtler)

Für die Weihnachtsfeiertage und bis zum 28. Dezember fuhren wir dann in den Süden Estlands. Drei Stunden waren wir unterwegs, wobei wir lustigerweise nur gefühlt viermal abbiegen musste. Die meiste Zeit ging es geradeaus, immer weiter hinein in eine zugeschneite Landschaft, fernab von größeren Städten. So viel Schnee wie dort hatte ich schon lange nicht mehr gesehen. Ich hatte fast vergessen, wie es war durch eine fast farblose Welt zu laufen. Der Himmel war meistens bewölkt und alles war mit einer dicken Schneedecke bedeckt. In Tallinn war es die letzten Wochen sehr dunkel gewesen, aber hier wurde das Licht von der weißen Pracht um uns herum reflektiert, sodass es sogar so schien, als würde die Sonne viel später untergehen. Wenn wir nach den langen Spaziergängen dann wieder zurück in das Ferienhaus kamen, konnten wir uns dort am Kamin aufwärmen.

So viel passiert

Gegen die Kälte half auch “Glögi”, den ich tatsächlich noch auf dem Weihnachtsmarkt in Tallinn genießen konnte. Obwohl das Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit in Estland verboten ist, so scheint es für diese Zeit eine Ausnahme zu geben. Wie schon im letzten Auslandsbericht erwähnt, gab es tatsächlich ein paar Stände um den großen Weihnachtsbaum auf dem Markt der Altstadt verteilt.

Weihnachtsmarkt in der Altstadt Tallinns (Foto: Paula Gürtler)

Wenn ich jetzt zurückblicke, bin ich immer wieder erstaunt, wie viel ich trotz Pandemie noch machen konnte. Hätte ich nicht regelmäßig Nachrichten gehört oder gelesen, wäre es vielleicht sogar möglich gewesen, sie teilweise zu vergessen – vor allem zu Beginn meines Aufenthaltes, als in den Supermärkten noch niemand Masken trug. Es war auch überhaupt viel los, so dass ich manchmal gar nicht mehr wusste, wo mir der Kopf stand. Ich war oft so überwältigt von den vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen, den unbekannten Menschen um mich herum und den Kursen in der Uni, dass ich viel schneller müde wurde als sonst.

Studieren an der Tallinn University

Da ich schon in meinem Master bin und ihn voraussichtlich auch dieses Jahr abschließen werden, war es spannend für mich, nochmal so intensiv zu studieren. In Deutschland wären mögliche letzte Seminare nur online gewesen. So hatte ich doch noch einmal Präsenzveranstaltungen und konnte mit anderen in einem Raum sitzend diskutieren. Die Tallinn University unterscheidet sich im Allgemeinen nicht groß von denen in Deutschland. Ich hatte teilweise nur das Gefühl, dass der Anspruch niedriger war; beziehungsweise Anwendung wichtiger war als reine Theorie, was es dann vielleicht einfacher macht.

Abschlussprüfungen für die Kurse bestanden in meinem Fall hauptsächlich aus Essays, in denen es immer auch wichtig war, dass ich eine eigene Meinung formuliere. Viel Wert gelegt wurde auch auf richtiges Zitieren und korrekte Quellenangaben. Das Plagiieren ein schweres Vergehen ist, wurde häufig betont. Der größte Unterschied war das Benotungssystem. Teilweise gibt es Kurse die nur mit “bestanden” oder “nicht bestanden” abgeschlossen werden, sonst wird mit A bis E (F) bewertet.

Ein Ende finden

So nahm die Uni den größten Teil meines Auslandsaufenthaltes ein. Gut, ich war ja zum Studieren dort, aber ich hätte mir aber trotzdem mehr Freizeit gewünscht, um das Land besser entdecken zu können. Trotzdem möchte ich die Zeit nicht missen und bin glücklich und stolz, dort gewesen zu sein. Die schönen Erinnerungen, die ein oder andere Bekanntschaft und auch Freundschaft werden mich bestimmt noch lange begleiten. Es gab viele lustige und schöne Momente, die die Zeit einzigartig machen. Das Meer, die weite stille Natur und die Küche einer Freundin, in der ich viel und gerne war, vermisse ich schon jetzt.

Vielleicht noch ein kleiner Funfact zum Schluss: Ich habe tatsächlich sehr viele Paulas aus verschiedenen Ländern getroffen. Normalerweise begegne ich sehr selten Menschen, die so heißen wie ich, aber Estland schien fast ein Sammelbecken für uns zu sein. Und tatsächlich traf ich nicht nur Menschen mit dem gleichen Vornamen: Ich lernte eine Studentin kennen, die genau wie ich Paula Gürtler heißt und auch aus Deutschland kommt. Seltsam, zu was so ein Auslandssemester führen kann.

(Falls ihr es verpasst habt, gibt es noch „Estnisch, Inseln und diese Pandemie – Grüße aus Estland Teil 2“ und „Supermärkte, Masken und ein paar Zahlen – Grüße aus Estland Teil 1“ der Estland-Reihe)

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