Das Auslandsjahr in Sevilla hat nun begonnen. Nach zwei Monaten an der „Universidad de Sevilla“ stelle ich einige Unterschiede fest: Es gibt verschiedene Differenzen an der Uni, bei der Kultur und den Lebensformen – dennoch ist es Europa. Vieles ist gleich und doch verschieden. Von Eileen Schüler.
In Potsdam beginnt der Unialltag wieder. Morgens möchtest du am liebsten gar nicht früh aus dem Bett, denn draußen ist es grau und dunkel. Mir geht es hier genauso, denn die Sonne erwacht eine halbe Stunde oder Stunde später aus ihrem Schlaf als in Deutschland. Doch das ist nicht nur der einzige Unterschied.
Das kommt mir Spanisch vor
Bevor die Vorlesung in Potsdam beginnt wird ein schneller Zwischenstopp in der Cafeteria eingelegt und der warme Kaffee oder der heiße Tee sorgt in der Vorlesung für unseren wachen Lebensgeist. Somit steht auf fast jedem Platz ein Kaffee- oder Teebecher. In Sevilla ist das anders: Hier trinkt niemand mitten in der Vorlesung. Es gibt sogar Verbotsschilder in den Räumen.
Während die Zeit schon knapp wird in der halben Stunde den Campus zu wechseln oder in der Mensa essen zu gehen, haben die Spanier_innen nur zehn Minuten zum Verschnaufen. Der Campuswechsel ist zum Glück nicht nötig, allerdings bleibt da nicht viel Zeit zum Essen oder mit den Kommiliton_innen zu reden, denn weiter geht’s.
In Deutschland wird man schon als Schulkind darauf trainiert kurze Stichpunkte zu machen und bloß das Wichtigste zu markieren. Die Spanier hingegen schreiben Wort für Wort mit und die gelesenen Texte sind sehr bunt markiert, da anscheinend alles sehr wichtig ist.
Doch ohne die Siesta könnten die spanischen Studierenden niemals Fiesta machen. Die Siestazeit ist von 14 bis 17 Uhr, das sind auch die heißesten Stunden des Tages. Viele Geschäfte haben geschlossen und die Spanier_innen essen zu Hause mit ihren Familien und ruhen sich einen Moment aus. Dadurch verläuft das Leben etwas langsamer. Wer danach noch Kurse in der Universität hat, nimmt sich das Essen in Tupperdosen mit und wärmt es in der Mikrowelle auf, die sich in der Uni befindet. Allerdings glaube ich, dass die Spanier_innen noch nie etwas von vegan, vegetarisch oder generell von gesunder Ernährung gehört haben, denn das Essen ist sehr kalorienreich.
Das spanische Nachtleben
Sobald die Sonne untergegangen ist, treffen sich die Familien auf der Straße zum Quatschen und die Kinder spielen, denn am Tag ist es in den heißen Monaten zu warm, um draußen zu spielen. Als Deutsche_r denkt man dann: Müssen die Kinder nicht um diese Uhrzeit ins Bett oder findet hier ein Kinderfest statt? Aber das ist hier ganz normal – Abendessen gibt es erst um 22 Uhr.
Auch ist es hier ganz normal sich mit Freunden abends auf ein Bier oder Glas Wein zu treffen. Ich gehe hier viel öfter abends weg als in Potsdam oder Berlin, aber selbst im November muss man hier noch keine Angst haben auf dem Weg zur Bar zu erfrieren. Bisher dachte ich immer die Deutschen sind vernarrte Biertrinker, aber hier finde ich an jeder Ecke eine Cervercería, also eine Bierbar, und die Leute lieben es, Bier zu trinken. Allerdings lässt sich das spanische Bier auch wie Wasser trinken.
Lizenz zum Tanzen
Neulich ging ich abends mit Freunden in eine Bar, wir tranken Sangría und amüsierten uns gut. Plötzlich hörten wir Gitarrenklänge und Kastagnetten klappern. Daraufhin tanzte eine Frau in einem wunderschönen Kleid Flamenco. Wir waren überrascht als uns ein Einheimischer erklärte, dass die kleine Flamencoshow eigentlich illegal wäre, denn in Spanien benötigt man eine Lizenz zum Tanzen, um öffentlich aufzutreten. Um jedoch mehr Gäste in diese Bar zu locken und kein Geld für die Lizenz zu bezahlen, wird es mehr oder weniger heimlich gemacht.
Spanische vs. deutsche Mentalität
In Deutschland haben wir das Bild von Spanier_innen, die sehr kontaktfreudig, offen und herzlich sind. Viele Erasmus-Studierende, die aus Spanien zurück kamen, erzählten mir jedoch das Gegenteil, dass sie nicht viel Kontakt zu den Einheimischen hätten aufnehmen können. Trotzdem bin ich mit dem festen Vorhaben nach Sevilla gefahren und es hat funktioniert. Ich suche den Kontakt zu Spanier_innen und die Leute suchen den Kontakt zu mir. Am ersten Unitag habe ich gesehen wie eine Gruppe von Deutschen sich in die letzten Reihen zusammen hinsetzten. Das hat mich sehr gewundert, da man die Sprache nicht gut beherrscht. Aus diesem Grund habe ich mich weit nach vorne gesetzt und zwischen die Spanier_innen gemischt.
Zusammenfassend fühle ich mich sehr wohl in Spanien. Das liegt zum einen an meinen spanischen Freund_innen, die mir bei Sprachschwierigkeiten und im Alltag helfen. Zum anderen habe ich als Erasmus-Studentin viele Möglichkeiten, um zum Beispiel günstig nach Marokko oder in andere Städte Spaniens zu reisen. Allerdings bin ich auch froh in Deutschland zu studieren, denn die Studiengebühren hier sind hoch (ca. 500 Euro pro Semester ohne Fahrausweis). Hinzu kommt: Wer eine Prüfung nicht bestehst, zahlt bei der Wiederholung des Kurses das Doppelte. Auch wenn wir der Meinung sind, das deutsche Unisystem sei verschult, in Spanien ist es noch verschulter.
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