Mit 25 bist du entweder verlobt, verkatert oder verloren

Wisst ihr noch, wie es war das Abi in der Tasche zu haben? Wohin soll die Reise gehen? Gehe ich studieren, mach ich eine Ausbildung oder doch eine Reise ins Ungewisse? Egal, wie man sich entschieden hat, die Freude war riesig.
Es folgte der Auszug aus dem Elternhaus, der Umzug in eine neue Stadt – neue Möglichkeiten taten sich auf. Herausforderungen mussten gemeistert werden, und auf einem fühlte man sich erwachsen. Doch war man das wirklich?
Was bisher geschah?
Man fühlt sich jung, voller Energie und voller Enthusiasmus.
Es ist Freitagabend, Wochenende – die Jungs in der WhatsApp-Gruppe angeschrieben. Zum Vorglühen am Bahnhof getroffen. Um fünf Uhr morgens mit 50 Euro weniger in der Tasche den Club verlassen, die Sonne beim Aufgehen bestaunt, ohne Ticket in den Zug gestiegen und um 6:30 Uhr ins Bett gerollt – selbstverständlich mit den Klamotten aus der letzten Nacht.
Das waren die Wochenenden von damals.
Die wahre Erkenntnis
Heute, einige Jahre später, sieht die Welt ganz anders aus. Entweder überlegt man sich, ob man noch eine Folge der Lieblingsserie schaut oder doch schon um 22:00 Uhr die Lichter ausmacht. Was ist passiert? Wo sind die Energie und die Lust auf neue Abenteuer hin? Werden wir etwa… erwachsen? Dieses Mal wirklich?
Doch die wirkliche Erkenntnis trifft einen erst Mitte 20 – und sie kommt leiser, aber heftiger als gedacht.
Plötzlich stellt man sich die wirklich wichtigen Fragen im Leben:
Ist es nicht doch gemütlicher auf der Couch zu chillen, als 1,5h vor dem Club zu warten?
Sollte ich vielleicht doch meinen Alkoholkonsum überdenken?
Morgen melde ich mich für den Hyrox an!
Nein, ich sollte ein Start-Up gründen. Oder doch auf ein Tinder-Date gehen?
Einerseits sind die 20er die beste Zeit, um neue Sachen auszuprobieren. Man ist jung, voller Energie und Interesse. Andererseits fühlt man sich schon erstaunlich alt.
Seit wann achte ich auf Angebote?
Man ertappt sich plötzlich dabei auf Angebote zu achten. Der Rücken schmerzt vom Homeoffice, ein Mittagschlaf wird zur willkommenen Routine und die Geheimratsecken werden auch immer größer. Das Leben wird ruhiger. Plötzlich stöbert man in Pantoffeln die Zeitung nach Angeboten durch, geht am Wochenende früh schlafen und wacht um sieben Uhr auf, beobachtet auf dem Balkon die Leute und kommentiert deren Aussehen. Treffen mit Freund*innen finden nur alle sechs Monate statt und um 21 Uhr gähnt man bereits. Dieser Wandel tritt bei vielen jungen Erwachsenen ein, nicht abrupt, sondern schleichend.
Irgendwie rennt die Zeit auch schneller. Wenn man die gelebte Zeit mal-3 nimmt, ist es schon fast vorbei. Zeitdruck ohne Ende.
Dann der Endgegner: Quarterlife Crisis.
Krise in a Nutshell
Zoomen wir einmal raus: Die Mitte der 20er sind geprägt von Veränderungen und einem wilden Mix gleichzeitiger Ereignisse. Während die einen mit ihrem Partner zusammenziehen und über die Familienplanung philosophieren, Häuser bauen und Start-Ups gründen, sind andere auf ihrem ganz eigenen Weg unterwegs. Entweder bereisen sie schon seit fünf Jahren die Welt, arbeiten auf einer Ranch in Australien, brechen ihr Studium zum dritten Mal ab oder sind mit ihrer Band in den städtischen Gasthöfen auf der Bühne. Bei vielen jungen Erwachsenen tritt aber auch die sogenannte „Quarterlife Crisis“ ein. Eine LinkedIn-Umfrage aus dem Jahr 2017 zeigt, dass
75 % der jungen Erwachsenen zwischen 25 und 33 eine solche schon einmal erlebt haben. Doch was genau soll das sein?
Der britische Forscher Dr. Oliver Robinson von der Universität Greenwich geht davon aus, dass jede Krise in fünf Phasen durchlaufen wird:
- Unzufriedenheit und Unruhe
Zuerst kommt das Gefühl der Unzufriedenheit und der inneren Unruhe. Man merkt, dass etwas nicht stimmt, ohne genau zu wissen, was es ist. Bin ich auf dem richtigen Weg? War das jetzt schon alles?
Es kann auch eine Beziehung sein, die sich nicht richtig anfühlt. - Erkenntnis und Bedürfnis nach Veränderung
Anschließend entstehen das Bedürfnis und die Erkenntnis nach Veränderung.
Will ich das wirklich – oder wurde mir das nur eingeredet?
Habe ich mir das ausgesucht, weil es mich tatsächlich interessiert oder liegt es einfach daran, dass es alle machen? - Abschied und Loslassen
In der dritten Phase heißt es Abschied und Loslassen. Die ersten Versuche der Veränderung finden statt: das Studium wird abgebrochen, der Job gekündigt und die Beziehung beendet.
Dinge müssen aufgegeben werden, um Neues zu schaffen. Dies kann Schmerzen verursachen. Dieser Schritt ist aber wichtig für das persönliche Wachstum. - Neuaufbau
Hier beginnt der Neuaufbau. Ein Start noch einmal von null. Die von dir gewünschten Veränderungen treten ein: ein längerer Auslandsaufenthalt, ein neuer Job oder einfach neue Bekanntschaften und Freundschaften. - Stabilisierung
In der letzten Phase hast du hast dein Leben umgekrempelt und gehst neuen Zielen und Wünschen nach.
Dein Leben läuft stabil und es fühlt sich, wie der richtige Weg an. Glück ist kein Ziel, sondern ein Prozess.
Ursache & Wirkung
Aber woher kommen diese Gefühle eigentlich? Ein Blick auf die Ursachen zeigt: Es ist kein individuelles Versagen, sondern eine Folge unserer Zeit. Die deutsche Literaturwissenschaftlerin Birgit Adam beschreibt es in ihrem Buch „Quarterlife Crisis. Jung, erfolgreich, orientierungslos“ als die Phase im Leben, in der der Zustand der Unsicherheit, Depression, Enttäuschung und Orientierungslosigkeit eintritt, nachdem die Uni abgeschlossen wurde oder der erstmalige Eintritt in das Arbeitsleben erfolgt ist. Die Generationsforscherin Dr. Steffi Burkhart sieht als Ursache für die Krise die schnelllebigen Umstände in der Welt. „Der Druck ist in den letzten Jahren stark angestiegen, viele haben Angst in dieser beschleunigten Welt nicht Schritt zu halten“. In einer Untersuchung der „Harvard Business Review“ wird sogar von „der schlimmsten Zeit des Lebens“ gesprochen. Dabei erleben die Menschen die negativsten Emotionen und Gedanken. Das liege auch daran, dass der Stresslevel bei jungen Erwachsenen so stark ansteigt, ehe dieser in den 40ern und 50ern abfällt.
Verantwortlich dafür sind: Digitalisierung, Social Media, unbezahlbare Mieten, niedrige Gehälter, Inflation, Kriege, Pandemien, Klimawandel etc. Aber Heutzutage sind Informationen und News von überall und jederzeit verfügbar. Selbst Berber auf einem Esel in der Wüste können nachlesen, dass in Chicago ein Supermarkt ausgeraubt wurde.
In Zeiten von Social Media neigen junge Menschen dazu sich mit fremden Lebensrealitäten zu vergleichen, was oft zu Unzufriedenheit der eigenen Lebensführung führt. Folgst du deinen Lieblingsinfluencer*innen aus den Bereichen Business, Reisen und Fitness, reicht ein Blick, um zu erkennen, wie viele Möglichkeiten es gibt und wie Menschen Ziele erreichen können. Sie leben oft ein scheinbar perfektes Leben. Neben dem Side-Hustle, noch sechs weitere Sprachen lernen und top aussehen, das wollen doch die meisten. Obwohl viele junge Menschen wissen, das Social Media-Inhalte oft gestellt sind, fragt man sich doch: Was läuft bei mir falsch? Oder etwa nicht?
Das ist kein Umweg, sondern gehört zum Spiel dazu
Hat man einmal die Krise hinter sich, blickt man oft mit einem Lächeln zurück.
„Das ist ein Lernprozess, bei dem man nach eigenen Stärken und nach eigenem Rhythmus lebt, unabhängig von gesellschaftlichen Zwängen“, betont noch einmal Dr. Steffi Burkhart.
Mit 25 kannst du entweder verlobt, verkatert oder verloren sein. Oder alles gleichzeitig. Du kannst jede Woche einen neuen Club besuchen, dich für den Hyrox oder Xletix Challenge anmelden, auch mit deinen Jungs und Mädels rausgehen. Alles ist möglich, auch wenn die Zeit sich chaotisch anfühlt. Zwischen dem Karrierezwang, der Bindungsangst, Selbstoptimierung und Gesellschaftserwartungen ist es aber auch Akt der Rebellion, ehrlich zu sich selbst zu sein und für sich einzustehen. Aber sie ist auch die Chance, sich vom „Ich wollte schon immer mal“ zum „Ich mache das jetzt“ zu bewegen. Die Fähigkeit zu erlernen eigene Grenzen zu setzen gehört ebenso zum Erwachsenwerden dazu, wie Freundschaften und Beziehungen loszulassen. Das sind die Veränderungen im Leben, die nötig sind, um ein glücklicherer Mensch zu werden.
Vielleicht ist das Leben einfach so – ein wilder Mix aus allem. Aber hey, dafür wissen wir jetzt, wie man ein paar Prozente beim nächsten Einkauf sparen kann und dass, eine gute Matratze auch eine gute Investition ist.