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Abtreibungsgegner am Campus Griebnitzsee – Ein Kommentar.

Ein Tag früher, und man hätte es fast für einen schlechten Aprilscherz halten können. Doch am Mittwoch, dem 2. April, war es leider bitterer Ernst: Wer zur Mittagszeit am Campus Griebnitzsee unterwegs war, wurde Zeuge einer Kundgebung der Tradition, Familie, Privateigentum (TFP) -Studentengruppe – bestehend aus vier Männern und einer überproportional großen, roten Fahne.

„Tradition, Familie, Privateigentum. Beten und handeln Sie, um die Sünden der Abtreibung zu beenden“ – das wurde per Megafon in Dauerschleife verkündet, abwechselnd mit dem Vaterunser. Wer von oder zur S-Bahn wollte, kam an diesem sehr undifferenzierten Statement zu einer sehr privaten Entscheidung nicht vorbei. Auf der Website des TFP Deutschlands heißt es: „Vernetzt mit Tausenden von besorgten Studenten und Eltern, verteidigt TFP Student Action traditionelle moralische Werte auf dem Campus, in Schulen und auf der Straße, im direkten Kontakt mit der Öffentlichkeit.” Die in Brasilien gegründete, ultra katholische Organisation ist weltweit aktiv, steht in Verbindung mit Beatrix von Storchs Familie und spricht sich vor allem gegen die Gleichheit von Mann und Frau und gegen die gleichgeschlechtliche Ehe aus. Mitglieder sind vorallem Männer – finanziert von anderen reichen Männern.

Die “traditionellen moralischen Werte” sollen an dieser Stelle also verteidigt werden, indem allen Personen die persönliche Haltung zu Abtreibungsregelungen mitgeteilt wird? Indem Personen, komplett ohne Kontext und unaufgefordert, erzählt wird, dass individuelle Entscheidungen, laut Dieter 1, 2, 3 und 4 Sünde sind? Wie gut auch, dass alle Dieters selber wahrscheinlich keinen Uterus haben und diese Entscheidungen sie allein deshalb gar nichts angehen. Während es bestimmt auch einen Raum für konstruktive Diskussionen – über einen angemessenen Zeitraum für Abtreibungen und das Recht des ungeborenen Lebens gibt – er ist sicher nicht auf dem Weg von der Mensa zur Bahn. In solchen Aktionen geht es nicht um das Leben ungeborener Kinder – es geht, um Gloria Steinem zu zitieren, um eine “weiße Mittelklasse […] religiöse Fundamentalisten und andere, die das Gefühl haben, dass ihre Macht und ihre Lebensweise in Gefahr sind.”

In den USA kann live verfolgt werden, was passiert, wenn katholische Dieters zu viel Macht bekommen. In den Staaten, in denen Abtreibung mittlerweile verboten sind, verbluten schwangere Personen oder bekommen schwere bis tödliche Infektionen, weil Ärzt:innen aus Angst vor Strafverfolgung selbst bei Fehlgeburten keine Hilfe leisten.

Männer wie der Trump Unterstützer Nick Fuentes, der in einem TikTok Video nach Trumps Wiederwahlverkündete “We will keep you down forever. […] Your body, our choice” machen Angst. Deshalb ist es wichtig, laut zu werden. Und das hat hier wunderbar geklappt. Eine spontane Gegendemo mit, nach unseren Schätzungen ca. 60 bis 70 Personen, ist innerhalb kürzester Zeit zustande gekommen. SpeakUP war für euch vor Ort und hat mit der Person, die die Gegendemo organisiert hat, gesprochen: Eigentlich wollte sie einfach nur zur Bib – konnte aber einfach nicht an den Rufen der vier Männer vorbeilaufen. Also blieb sie und wurde laut – sie meldete die Demo bei der anwesenenden Polizei an, eine Musikbox wurde aus einem FSR-Raum organisiert, und auf allen möglichen Kanälen Menschen mobilisiert. Personen von Studis gegen Rechts waren schnell vor Ort. Über alle Messenger Verteiler, die erreicht werden konnten, wurde informiert, viele Hochschulgruppen und auch der Asta riefen auf Instagram auf, zu kommen. Auch wissenschaftlichte Mitarbeiter:innen und eine Professorin kamen dazu. Eine “Oma gegen Rechts” war ebenfalls da,  sie sagte im Gespräch, dass sie ihr Leben lang schon für gleiche Rechte für alle einstehe und dass es wichtig sei, sich nicht einschüchtern zu lassen, auch und gerade wenn man Angst habe.

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