Erstmals hat eine US-Regierungsbehörde einen Bericht über etwas veröffentlicht, das wir umgangssprachlich als UFOs bezeichnen: Vermeintlich fliegende Objekte, die wir beobachten, aber bisher nicht identifizieren können. Das hat eine Diskussion entfacht, die sich weit über die Kreise eingefleischter UFO-Fans hinaus erstreckt. Aber was sagt uns der Bericht nun konkret? Und haben wir nicht gerade andere Sorgen? Ein Überblick über das, was wir aktuell wissen – und was das heißt. Von Saskia Rauhut.
Wie stellt man sich den Bericht eines US-Nachrichtendienstes über UFOs vor? Wenn man Fan von Science-Fiction-Serien wie X-Files ist oder einfach eine lebhafte Fantasie hat, hat man vielleicht einen schlechten Scan von Schreibmaschinenschrift auf fleckigem Papier vor Augen. Mit unzähligen Schwärzungen, voller ominöser „Classified“ und „Redacted“ Stempel und selbst in diesem Zustand nur den wenigsten Individuen zugänglich.
Das Dokument des Office of the Director of National Intelligence (DNI) vom 25. Juni hat damit wenig Ähnlichkeit. Jede:r kann es online einsehen: Eine einfache PDF-Datei, keine zehn Seiten, etwas lieblose Formatierung, Times New Roman. Keine Schwärzungen; auf jeder Seite steht auch noch „Unclassified“. Fast einladend: Dies ist ein ganz normaler Bericht, ausdrücklich bestimmt, liebe:r Leser:in, für deine Augen. Selbst der Begriff „UFO“ kommt nirgends vor. Stattdessen lautet die offizielle Bezeichnung: „UAP“ – für „Unidentified Aerial Phenomenon“. Das ist natürlich einleuchtend, denn bei dem, was wir im Allgemeinen als UFOs bezeichnen, handelt es sich erst einmal nur um Phänomene, die irgendwie in der Luft zu beobachten sind. Ob sie „Objekte“ sind, die „fliegen“ können, ist noch gar nicht klar. UAP ist also der korrektere Begriff. Ganz so gut von der Zunge geht er nicht.
Warum gerade jetzt?
Nun sind UFOs kein neues Thema, doch bislang hatte die US-Regierung dazu recht wenig zu sagen. Dass das DNI sich nun auf einmal so öffentlichkeitswirksam dazu äußert, erscheint merkwürdig. Zumal wir mitten in einer Pandemie eigentlich schon mit gänzlich irdischen Belangen gut beschäftigt sind.
Doch die Veröffentlichung des Berichts geht nicht auf eine spontane Laune des DNI zurück, sondern auf eine Anordnung des US-Kongresses als Reaktion auf ein wachsendes öffentliches Interesse an der Thematik. Den Anlass dafür lieferte die New York Times, als sie 2017 über das Advanced Aerospace Threat Identification Program des US-Verteidigungsministeriums Pentagon berichtete. Im Zuge des Programms hatte das Pentagon über einige Jahre hinweg UAP-Sichtungen untersucht. Für besonderes Aufsehen sorgten drei Videos solcher Sichtungen, die vom Programm gesammelt und von der New York Times veröffentlicht wurden.
Auf den ersten Blick wirken die drei Videos wie typische UAP/UFO-Aufnahmen: verschwommenes Videomaterial von sich bewegenden, seltsam geformten Flecken, dazu aufgeregte Stimmen aus dem Off. Nichts, das man in ähnlicher Form nicht schon irgendwo im Internet gesehen hätte; nichts, für das einem nicht spontan ein paar halbwegs plausible Erklärungen einfallen würden: eine verrückte Lichtspiegelung vielleicht, oder doch der berüchtigte Fleck auf der Linse. Was den Videos nun aber Spektakularität verleiht: Sie stammen nicht von Verschwörungsgläubigen auf YouTube, sondern von Navy-Piloten.
Erklärungsansätze
Einige Jahre später erscheint nun also der Bericht, der darlegen soll, was es mit all dem auf sich hat. Um es gleich vorwegzunehmen: Von Außerirdischen ist an keiner Stelle die Rede. Zunächst geht es ganz grundsätzlich darum, mögliche Bedrohungen für die nationale Sicherheit der USA, welcher Herkunft auch immer, auszuloten. Das DNI macht deutlich: UAP ist ein Sammelbegriff für ganz unterschiedliche Phänomene, die wahrscheinlich auch unterschiedliche Ursachen haben. Nach ihren Erklärungen werden die UAP in fünf Kategorien eingeteilt. Davon sind einige ganz banal. Bei der ersten Kategorie handelt es sich um „Airborne Clutter“, also irgendeinen Krempel in der Luft. Dazu zählen Ballons und herumfliegende Plastiktüten genau so wie Vögel. Die zweite Kategorie umfasst natürliche Phänomene in der Atmosphäre, zum Beispiel Eiskristalle.
Zwei weitere Kategorien beziehen sich auf menschengemachte Technologien, wobei eine der beiden alle Technologien umfasst, die außerhalb der USA entwickelt wurden. Zur anderen gehören UAPs, die auf Programme aus den USA selbst zurückzuführen sind. Das kommt einem recht komisch vor, denn man sollte meinen, das Verteidigungsministerium sollte seine eigenen Flugzeuge von UFOs unterscheiden können. Aber vermutlich wollte man, um ganz sicherzugehen, der Vollständigkeit halber keine theoretisch denkbare Erklärung von vorn herein ausschließen.
Und dann ist da die fünfte Kategorie. Ihre Bezeichnung: „Other“. Mit anderen Worten – Außerirdische? Jein. Sollte ein UAP tatsächlich von Außerirdischen stammen, dann würde es in diese Kategorie fallen. Aber erst einmal ist sie ganz allgemein das Sammelbecken für alle möglichen Erklärungen jenseits der vier beschriebenen. Unser bisheriges Wissen reicht noch nicht aus, um die Erklärungen weiter einzuschränken. Wir stoßen an Grenzen.
Kleine Schritte
Nun fragt man sich: Konnte von den untersuchten UAPs schon eines identifiziert und abschließend einer Kategorie zugeordnet werden? Ja! Genau eines. Es handelte sich um einen großen, wohl eindeutig menschengemachten Ballon. Ein klassischer Vertreter der ersten Kategorie also. Das ist ulkig und vielleicht ein bisschen enttäuschend. Aber untersucht wurden insgesamt 144 Sichtungen. Bleiben also noch 143, die bislang nicht erklärt werden konnten.
Das DNI räumt ein, dass es mehr Daten und weitere wissenschaftliche Erkenntnisse benötigen wird, um einen Großteil der UAPs erklären zu können. Doch es bekräftigt auch, dass die bisherigen Analysen keine Spielerei waren. Die Sichtungen, so betont es, stammen aus verlässlichen Quellen, überwiegend von Pilot:innen des US-Militärs mit hochentwickelten Sensortechnologien. Es ist also unwahrscheinlich, dass noch 143 weitere UAPs sich bloß als Ballons entpuppen werden.
Ein kleiner Teil der UAPs hat die Aufmerksamkeit des DNI in besonderem Maße geweckt, weil diese, so sagt es der Bericht ganz deutlich, hochentwickelte Technologien zu demonstrieren scheinen. Die sich also beispielsweise auf eine Art und Weise bewegen, die mit bisher bekannten Flugtechnologien gar nicht umzusetzen wäre. Auch hier gilt natürlich: Das muss nicht auf Außerirdische hindeuten. Auch von Menschen irgendwo außerhalb der USA könnten bahnbrechende Technologien entwickelt worden sein, die den Forschungsstand des US-Militärs weit übersteigen. Eine für das Pentagon sicherlich unangenehme Vorstellung.
Und nun?
Bleibt die Frage, was der Bericht mit all seinen offenen Fragen nun eigentlich bedeutet. Dass es irgendwo auf einem fernen Planeten noch andere hochentwickelte Spezies gibt, ist angesichts der schieren Größe des Universums nicht abwegig. Um jetzt aber davon auszugehen, dass die beobachteten UAPs tatsächlich Außerirdische vor unserer Haustür seien, dafür sind zu viele andere, näherliegendere Erklärungsansätze noch im Spiel.
Aber es ist eine Dynamik entstanden, die das Interesse am Thema neu geweckt hat und früher oder später weitere Erkenntnisse hervorbringen wird. Das DNI plant, im größeren Stil Daten auszuwerten und ist dabei, einen standardisierten Prozess für die Erfassung von UAP-Sichtungen einzuführen. Dieser soll Pilot:innen dazu ermutigen, Sichtungen zu berichten. Das damit immer noch verbundene Stigma soll aufgebrochen werden.
So wird das Interesse für die Thematik allmählich salonfähig. Lange schien das Gerede über Außerirdische und fliegende Untertassen etwas für Leute, die zu viel Science Fiction konsumieren. Die vielleicht nichts besseres mit ihrer Zeit anzufangen wissen und „ein bisschen spinnen“. Nun diskutiert man im Podcast der New York Times, ob wir Kontakt zu Aliens aufnehmen sollten. Und in der ZEIT widmet man sich der Frage, wie man politisch korrekt mit Außerirdischen umgeht. Das einstige vermeintliche Aluhut-Thema hat die Qualitätsmedien erreicht.
Vielleicht sind diese Debatten übereifrig und verfrüht. Wie lange es noch dauert bis zu unserem ersten Kontakt mit Außerirdischen – wenn es überhaupt je dazu kommt – ist im Moment nicht abzusehen. Aber über kurz oder lang werden wir als Spezies uns mit unserem Verhältnis zu nicht-menschlichen Lebewesen auseinandersetzen müssen. Das gilt für solche in weit entfernten Galaxien genau so wie für diejenigen, mit denen wir unseren Planeten teilen.
Quellen:
https://www.dni.gov/files/ODNI/documents/assessments/Prelimary-Assessment-UAP-20210625.pdf
https://www.nytimes.com/2017/12/16/us/politics/pentagon-program-ufo-harry-reid.html
https://www.nytimes.com/2021/06/25/us/politics/pentagon-ufo-report.html
https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-06/usa-ufo-geheimdienst-bericht-ergebnisse