Nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen am 5. Februar brachen bundesweit Proteste los, Politiker_innen und Bürger_innen zeigten sich gleichermaßen entrüstet – in öffentlichen Stellungnahmen und auf Demonstrationen wurde der inzwischen wieder zurückgetretene FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich der Zusammenarbeit mit der AfD beschuldigt. Er war insgesamt nur 24 Stunden lang im Amt. Was ist da passiert? Von Jan-Luca Wargenau.
Auf den ersten Blick wirkt der Aufruhr unbegründet, schließlich wurde ein Vertreter der FDP demokratisch ins Amt gewählt. Schaut man genauer hin, gibt es jedoch ein paar Ungereimtheiten. Die FDP hat es mit nur 5% der Stimmen gerade so ins Parlament geschafft und soll nun den Ministerpräsidenten Thüringens stellen. Die CDU hatte außerdem keine_n Kandidaten_in gestellt, wohl um nicht von Rechten ins Amt gewählt zu werden. Das politische Kalkül war es, gab ein Sprecher der AfD offen zu, den amtierenden Ministerpräsidenten aus dem Amt zu wählen, indem ein Kandidat „auf die Bühne gelockt“ werde, den auch die anderen Parteien wählen würden. Durch die Unterstützung der AfD sollte dieser dann die Wahl gewinnen. So kam es dann auch: Thomas Kemmerich gewann die Wahl mit nur einer Stimme Vorsprung.
Ein politischer Dammbruch
In den ersten zwei Wahlgängen der Ministerpräsidentenwahl konnte sich der bisherige Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow von den Linken, nicht gegen den von der AfD vorgeschlagenen parteilosen Kandidaten Christoph Kindervater durchsetzen. Im dritten Wahlgang erhielt er jedoch keine einzige Stimme – die Abgeordneten der AfD hatten all ihre Stimmen an Thomas Kemmerich abgegeben. Und der soll sogar im Vorfeld von diesem politischen Kalkül gewusst haben. Dennoch nahm er die Wahl an. Damit wurde erstmals in Deutschland ein Ministerpräsident mit Hilfe von Stimmen der AfD gewählt.
Der Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak, fand in einem Interview im ARD-Brennpunkt Magazin deutliche Worte für die Geschehnisse des letzten Tages: „Heute ist ein Ministerpräsident gewählt worden, auch mit den Stimmen von Nazis wie Herrn Höcke und anderen aus der AfD“. Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Robert Habeck, wirft dem überraschend als Ministerpräsidenten gewählten FDP-Politiker einen bewusst eingegangenen Pakt mit Rechtsextremen vor.
Nach einem Gespräch mit dem Parteichef Christian Lindner legte Thomas Kemmerich am 6. Februar sein Amt nieder, sein Rücktritt war „unumgänglich“ sagte er in seiner Stellungnahme, berichtet der „Spiegel“. Wie es jetzt in Thüringen weitergeht, ist noch unklar. Es muss wohl erneut Wahlen im Thüringer Landtag geben, damit Thüringen mit einem_r Regierungschef_in wieder einen politischen Normalzustand erreichen kann.