Film Screening “Get Out”: Was hinter dem Film steckt

Klappe zu an der Uni Potsdam (Quelle: Canva)

Am ersten Donnerstag im November, dem 03.11., gab es eine Filmaufführung des Instituts für Anglistik und Amerikanistik an der Universität Potsdam. Gezeigt wurde der Film „Get Out“, gefolgt von einer Diskussion in der Runde. Unsere speakUP-Redakteurin war dabei und berichtet. Von Laurenzia Kiesche.

 

 

 

Filme sind nicht nur Filme, sondern haben oft auch eine zugrundeliegende Botschaft mitinbegriffen. Viele Filme dienen der Unterhaltung, doch manche kritisieren Gesellschaftsstrukturen und machen auf Missstände aufmerksam. Sie bieten den Grundstein für umfangreiche Diskussionen. Der Film „Get Out“ (2017) von Jordan Peele (als Regisseur und Drehbuchautor) ist einer dieser Filme, der nicht nur für reines Entertainment gemacht ist.

Worum es geht es?

Es werden Spoiler enthalten sein.

Ein guter Film lässt einen das Kino um sich herum vergessen (Quelle: Pavel Danilyuk von Pexels)

Der Film dreht sich um Chris Washington, einen afroamerikanischen Fotografen aus New York, der seit fünf Monaten mit seiner Freundin Rose Armitage zusammen ist und ihre Eltern kennenlernen soll. Sie planen über das Wochenende zur Familie von Rose zu fahren, die in einer Kleinstadt wohnt. Bevor sie ihre Reise antreten, scheint Chris Bedenken bezüglich der Auffassung seiner Hautfarbe innerhalb der Familie zu haben. Rose verneint diese, in dem sie sagt, dass Chris sich keine Gedanken machen soll, da ihre Familie nicht rassistisch sei. Auch der ebenfalls afroamerikanische beste Freund von Chris, Rod, ist besorgt und sagt zu Chris, dass man als Schwarzer niemals zur Familie einer Weißen gehen sollte. Obwohl er es eher scherzhaft sagt, stellt sich später im Film heraus, dass die Sorge berechtigt zu sein schien.

Nach der Ankunft merkt Chris bereits, dass etwas komisch an der ganzen Situation ist: Die Hausangestellten sind beide ebenfalls schwarz und verhalten sich seltsam und als er auf einen schwarzen jungen Mann trifft (wobei er später merkt, dass er ihn kennt), der sich ebenfalls ungewöhnlich verhält weiß er, dass etwas nicht stimmt. Als es Chris zu viel wird, scheint er nicht gehen zu dürfen. Der Grund: Die Familie von Rose gehört einem Kult an, bei dem Teile des Gehirns (weißer Menschen) in andere Körper (schwarzer Menschen) operiert werden und somit das Bewusstsein übertragen wird.

Chris wurde vorher in einer Auktion voller weißer, vermutlich reicher Menschen an einen blinden Mann verkauft. Er war nicht das einzige Opfer: Bereits die Angestellten mussten diese OP erleiden und haben das Bewusstsein der Großeltern der Familie. Chris schafft es zu fliehen und wird von seinem Freund Rod, der ihn nach langer Suche ausfindig machen konnte, abgeholt. Wirklich gewonnen hat er jedoch nicht.

Vorwort von Dr. Adamik

„Get Out“ kann in das Genre Horrorfilm eingegliedert werden, enthält jedoch auch einige Comedy-Elemente, die ab und zu auftauchen. Das ist nicht verwunderlich, wenn man betrachtet, dass Jordan Peele selbst als Komiker berühmt wurde1. Zum Genre ‚Horror‘ gab es ein kurzes Vorwort von Dr. Adamik.

Blut spielt in Horrorfilm oft eine Rolle (Quelle: Elina Araja)

Horror wird in zwei Kategorien eingegliedert: Den sogenannten ‚Art horror‘ und den ‚Natural horror‘. Das Erstere handelt von den Emotionen, die wir verspüren, wenn wir mit einem fiktionalen Monster konfrontiert sind, das nicht durch Wissenschaft erklärbar ist, etwas das „threatening and impure“ ist. Das Letztere ist, wenn wir uns vor etwas fürchten, dass im realen Leben passieren könnte, wie Umweltkatastrophen. Diese beiden Kategorien sind nicht exklusiv, sondern können auch gleichzeitig auftreten und sich überschneiden. Eine Herausforderung für heutige Filme im Horrorgenre ist es, den alltäglichen Horror, den manche erleben müssen, aufzuzeigen und dabei dennoch Elemente des ‚Art horrors‘ einzubeziehen.

Es wurde erklärt, dass häufig die Protagonist:innen in Horrorfilmen, die verfolgt werden, Weiß sind und die Antagonist:innen als ‚othered‘ dargestellt werden, also als andersartig. Es gibt auch eine Veränderung innerhalb des Genres: Früher war es eher der Fall, dass etwas, das ‚impure‘ ist uns Angst bereitet. Heutzutage ist das, wovor wir uns fürchten etwas ‘Normales‘: „Normalität ist das Monster.“

Diskussion

In der Gruppe wurde sich nicht nur gegruselt, gewundert und aufgeregt, sondern es kam nach dem Film auch eine sehr lebendige Debatte zustande, mit vielen verschiedenen Sichtweisen, Argumenten und Ergänzungen. Dass der Film Alltagsrassismus anspricht, ist kaum zu übersehen und wurde auch innerhalb der Diskussionsrunde schnell realisiert. Jedoch ist das nicht so einfach zu verallgemeinern. Es wurden viele Aspekte zur Interpretation genannt, jedoch werden hier nur ein paar interessante Punke zur Analyse zusammengefasst.

Am Anfang der Diskussion wurde bereits festgestellt, dass der Film ‚antiblackness‘* anspricht. „Damit ‚whiteness‘ weiter fortgeführt werden kann, muss ‚afropassimism‘ bestehen bleiben“ wurde angemerkt. White Supremacy lebt demnach von der Unterdrückung schwarzer Menschen. In dem Film ist das daran erkennbar, dass das Bewusstsein (bzw. Teile des Gehirns) von Weißen in die Körper von Schwarzen übertragen werden soll. Die weiße Familie sieht sich somit als ‘Retter’, womit der Film ebenfalls Kolonialismus miteinbezieht. Die Familie selbst hält sich dabei nicht für rassistisch. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die Intersektionalität zwischen ‚race‘ und ‚class‘ gesprochen. Die Weißen sind wohlhabend und privilegiert genug, um es sich zu leisten, Schwarze für ihren eigenen Nutzen zu kaufen.

Es wird festgestellt, dass es kein wirkliches ‚Happy End‘ gibt. Chris konnte zwar dem Haus und der Situation entfliehen, jedoch nicht dem gesellschaftlichen System, das weiterhin bestehen bleibt. Er hat in diesem Szenario gewonnen, wird jedoch dennoch in Zukunft Alltagsrassismus begegnen.

*“Antiblackness seeks to preserve the association between both blackness and black people and slave status.“2

Kommentare vom Regisseur

Der Film wird als Horrorsatire1 betitelt. Denn er ist nicht nur zum Schocken da, sondern soll die Gesellschaft zum Nachdenken anregen. Der Regisseur selbst erwähnt in einem Interview mit dem SPIEGEL, dass der Protagonist und er eine „Grunderfahrung [teilen], die jeder Afroamerikaner kennt.“1, und zwar diese: „Man erlebt Rassismus, doch das weiße Gegenüber leugnet ihn.“1

Angst im dunkeln? (Quelle: Kyle Loftus von Pexels)

Oft gibt es die Auffassung, dass Alltagsrassismus nicht mehr existiert, nur, weil er nicht wahrgenommen wird, bzw., weil weiße Menschen ihn nicht mitbekommen. Für Peele „handeln alle starken Horrorfilme letztlich von einer sehr realen, fürs Publikum nachvollziehbaren Angst“1, was in diesem Falle am Protagonisten Chris sichtbar gemacht wird, der (berechtigte) Angst davor haben muss, dass die weiße Familie seiner Freundin Rose rassistisch sein könnte. Es ist ein „Gefühl der Angst[, das] zur afroamerikanischen Existenz dazu[gehört].“1 Der Regisseur beschreibt es als „die Angst, Außenseiter zu sein, Aufmerksamkeit zu erregen, ohne dass man das möchte – und das führte [ihn] […] dann geradewegs zum Rassismus.“1

Interessant zu betrachten ist, dass Peele ein ganz anderes Ende für Chris in Aussicht hatte, nämlich, dass der „Protagonist Chris unschuldig im Gefängnis landet“1, anstatt von seinem Freund Rod gerettet zu werden. Damit wollte er zeigen, dass es für „so viele Menschen in […] [Amerika] keine Erleichterung [bedeutet], wenn nach einem Verbrechen die Cops auftauchen. Selbst wenn sie unschuldig sind. Aber tatsächlich wachte die Gesellschaft auch so auf.“ Demnach rückte auch das alternative Ende die Ungerechtigkeit in den Fokus und machte die Zuschauer:innen auf diese aufmerksam. Menschen haben darauf reagiert, auch, weil „[d]er Film zu einem Zeitpunkt in die Kinos kam, an dem sich niemand der Auseinandersetzung mit Rassismus entziehen [konnte].“1  Der Regisseur betont jedoch, dass Rassismus ein universelles Phänomen sei: „Die Parallelen im Alltag sind sicherlich zahlreich, egal ob man schwarz ist in den USA, in England oder in Deutschland.“1

Tipp: Das sind die kommenden Veranstaltungen:

„Soylent Green“ mit Florian Schybilski

Wann? 17.11., um 18 Uhr

Wo? Neues Palais, Haus 9, Raum 1.15

„Cinemas of the Global South“ mit Veena Hariharan (JNU, Delhi)

Wann? 01.12., um 18 Uhr

Wo? Neues Palais, Haus 9, Raum 1.15

Quellen:

[1] https://www.spiegel.de/kultur/kino/get-out-interview-mit-regisseur-jordan-peele-a-1146059.html

[2] https://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/0040563920907614

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