Einsamkeit in der Corona-Zeit

Verlassen liegt die Universität im Nebel (Foto: Maximilian Schulz)

Corona fordert von uns allen Opfer. Ein monatelanger Lockdown und schwere Kontaktbeschränkungen können sich stark negativ auf unsere Psyche auswirken. Unser Redakteur schreibt über Einsamkeit in der Corona-Zeit und über seine eigenen Erfahrungen. Von Maximilian Schulz.

Welches ist das furchterregendste Wort in der deutschen Sprache? Ist es Krieg? Tod? Mord?

Nun, das sind alles sehr schreckliche Wörter, die noch schrecklichere Vorgänge beschreiben und in uns starke, negative Emotionen hervorrufen können. Ich persönlich würde jedoch behaupten, dass sie nicht die furchterregendsten Wörter im Deutschen sind. Nein, ich würde andere Kandidaten wählen. Ich möchte in eine andere Richtung gehen. Ich würde argumentieren, dass die furchterregendsten deutschen Wörter die folgenden sind: Allein. Einsam. Und ganz besonders Einsamkeit. Unsere Leser_innen fragen sich jetzt sicher, warum ich gerade diese Wörter wählen würde. Nun, lasst es mich versuchen zu erklären.

Krieg, Tod, Mord – Einsamkeit?

Die oben aufgezählten Worte Krieg, Tod und Mord sind allesamt schrecklich, gar furchterregend. Krieg ist ein Ereignis, das unzählige Leben auslöschen und weite Landstriche verwüsten kann. Man denke nur an die beiden Weltkriege. Mord ist eine Handlung, meist aus niederen Beweggründen, die Menschenleben kostet. Mörder_innen töten ihre Opfer unter anderem aus Gier, Eifersucht oder Rache. Und der Tod… der Tod ist vermutlich die Endstation im Leben eines Menschen. Soweit wir wissen, kommt danach wahrscheinlich nichts weiter.

Aber warum ist meiner Meinung nach Einsamkeit das furchterregendste Wort der deutschen Sprache, wenn doch all diese anderen Worte so schreckliche Dinge beschreiben? Die Antwort ist relativ simpel: Einsamkeit ist Ungewissheit. Ein Krieg geht eines Tages vorbei. Kein Konflikt kann endlos weitergehen, irgendwann müssen die Waffen ruhen. Ebenso der Mord. Der Tod ist ein endgültiger Zustand, den wir nicht mehr bewusst erleben. Doch mit Einsamkeit sieht die Sache ganz anders aus. Niemand kann sagen, wann Einsamkeit vorüber geht. Wir könnten von Geburt an bis zum Ende unseres Lebens einsam sein. Wir können uns einsam fühlen, obwohl Menschen um uns herum sind und obwohl wir Freund_innen und eine Familie haben. Einsamkeit kann ohne ein Wort zu sagen verschwinden und schlagartig wieder auftauchen.

Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir brauchen andere Menschen um uns herum, wir brauchen echte Interaktionen mit ihnen, wir brauchen jemanden zum Reden, zum Sprechen, zum Trösten. Wir brauchen jemanden, der_die uns zuhört, jemanden, dem_der wir unsere Probleme anvertrauen können. Wir brauchen jemanden, mit dem_der wir uns emotional verbinden können. Manchmal brauchen wir einfach etwas Gesellschaft. Ist all das nicht vorhanden, kann etwas in uns zu Bruch gehen. Einsamkeit kann töten. Und das ganz ohne Waffen oder Gewalt. Einsamkeit ist ein Gift, das uns langsam hinrichtet.

Was hat das alles mit Corona zu tun?

Erinnern wir uns an das Ende von 2019 zurück, damals, als die Welt noch relativ in Ordnung schien. Ein neuartiges Virus breitete sich in Wuhan aus, infizierte Tausende und Abertausende von Menschen. Es dauerte nicht lange, da reiste die Lungenkrankheit schon quer über den Globus. Zu behaupten, dass die Regierungen angesichts der drohenden Pandemie überfordert waren, wäre eine Untertreibung. Am 27. Januar 2020 erreichte COVID-19 Deutschland. Damals dachte man noch, das Risiko einer Ausbreitung in unserem Land wäre gering. Weit gefehlt. Die Neuinfektionen stiegen und stiegen. Anfangs waren die Maßnahmen nur eine Empfehlung. Man soll sich die Hände waschen, in die Armbeuge niesen, sich von großen Gruppen fernhalten, etc.

Doch all das nützte kaum etwas. Am 22. März 2020 einigten sich der Bund und die Länder auf strenge Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. Was bedeutete das für den_die Einzelne_n? Bars, Kneipen, Restaurants, Kinos, Pubs und ähnliche Einrichtungen waren bis auf weiteres geschlossen. Soziale Freizeitaktivitäten waren damit weitestgehend eingeschränkt. Partys und andere größere Zusammenkünfte wurden verboten. Die Politik empfahl Reisen zu Familienmitgliedern vorerst zu unterlassen. Doch dabei blieb es nicht nur. Auch Schulen wurden geschlossen und der Semesterstart der Universitäten wurde verschoben. Die Präsenzpflicht wurde außer Kraft gesetzt, stattdessen stellte man auf „Online-Unterricht“ um.

Gefühle in der Pandemie

Für mich war das eine sehr schwere Zeit. Da es in meiner Familie mehrere Risikogruppen-Angehörige gibt, kamen Besuche bis auf Weiteres nicht in Frage. Zu groß war das Risiko sich auf dem Weg mit diesem neuartigen Virus zu infizieren und somit geliebte Familienmitglieder anzustecken. Für den Großteil der Bevölkerung konnte die Krankheit schwer verlaufen, aber überstanden werden. Für Risikogruppen war sie jedoch tödlich. Freund_innen zu besuchen war auch ausgeschlossen. Mehr als zwei Haushalte durften sich nicht treffen, sonst hagelte es Strafen. Und wo wollte man sich auch treffen? Die Stammkneipe war geschlossen, Zusammenkünfte unter freiem Himmel wurden meist aufgelöst. Zusätzlich kamen einige aus dem Freund_innenkreis aus Großstädten wie Berlin und wollten das Risiko, sich in der Bahn anzustecken, nicht auf sich nehmen.

Meine Freundin traf es sogar richtig schwer. Sie musste für zwei Wochen in Quarantäne, wodurch Besuche zwischen uns beiden ins Wasser fielen. Nun wohnen wir beide auch nicht nah beieinander, sondern fast sechzig Kilometer voneinander entfernt. Sich nicht regelmäßig zu sehen, kann für eine Beziehung ziemlich belastend sein. Nun saß ich da, in meiner Wohnung, konnte weder Freund_innen, noch Familie, noch Freundin besuchen und war somit mit meinen Gedanken allein. Hinzu kam, dass die nähere Zukunft von Ungewissheit geprägt war. Wird die Pandemie bald vorüber gehen oder uns noch monatelang heimsuchen? Was werden die Folgen sein? Wird es eine Wirtschaftskrise geben? Da ich zwei Geisteswissenschaften studiere, ist meine Zukunft sowieso immer ein wenig ungewiss.

Als Studi in Corona-Zeiten

Die Einsamkeit nagte an mir. Man kann schon sagen, dass ich mich ziemlich schlecht fühlte. Es ist nun mal wahr: Die meisten Dinge vermisst man, wenn man sie nicht mehr hat. Ein weiterer Schlag in die Magengegend war, als bekannt wurde, dass die Kurse im Sommersemester der Universität Potsdam durchgehend online stattfinden würden. Heißt: Alles findet nur noch per Zoom statt. Kurse, die nicht „onlinefähig“ sind, fallen komplett aus. Es gibt Leute, die die „Online-Uni“ als Innovation in den Himmel loben. Ich gehöre nicht zu denen. Für mich bedeutet Studieren auch das physische Sehen und miteinander Interagieren. Die Universität ist nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch ein Ort zum Treffen von Freund_innen und Kennlernen von neuen Menschen. Die physische Uni bietet die Möglichkeit, sich mit anderen nach dem Unterricht auszutauschen oder den Dozierenden noch Fragen zu stellen.

Ein Zoom-Call kann das aus meiner Sicht nicht. Ich bin auch der Meinung, dass die elektrische Kommunikation niemals auf dem selben Niveau sein wird, wie die physische. Man geht in die Online-Kurse, sieht die Leute, hat jedoch nicht wirklich die Chance, sich mit ihnen auszutauschen und wenn der Kurs vorbei ist, sitzt man wieder alleine vor seinem Laptop. Und so geht es Tag für Tag weiter. Dass das Wintersemester nun auch größtenteils online stattfinden soll, stimmt mich alles andere als freudig.

Und so wie es mir ging, ging es hunderttausend anderen in Deutschland auch und sogar noch schlimmer. Großeltern, die ihre Enkel_innen nicht sehen durften. Eltern, die ihre Kinder nicht besuchen konnten. Freund_innen, die nicht gemeinsam etwas unternehmen konnten. Manche Menschen waren, z.B. durch ihre Gesundheit, fast komplett von der Außenwelt abgeschottet. Einsamkeit schlägt auf das Gemüt. Sie macht lustlos, unproduktiv, kann sogar zu Depressionen führen. Ich möchte mir nicht ausmalen, was passiert, wenn ein zweiter Lockdown kommt. Genau dann, wenn die dunkle, kalte Jahreszeit über uns hineinbricht. Eine Zeit, die dafür bekannt ist, die Menschen depressiv zu machen.

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