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Barfuß durch den Campusnebel

Studium ist die beste Zeit meines Lebens
Das sagten sie zu mir, bevor ich mich gegen die Ausbildung entschied,
weil Studium ist das, was jeder als besser ansieht.

Beeinflussbar sind wir doch alle und tappen immer wieder aufs Neue in die Falle.
Ist das Studium die beste Zeit unseres Lebens?
Und nutzen wir auch alle Möglichkeiten, die wir haben?
Weil das sind doch mit 20 unsere Aufgaben.

Machen wir alles richtig?
Verpassen wir was?
Haben wir genug Spaß?
Können wir sagen, wir führen das perfekte Studentenleben?
Oder wird es nach dem Bachelor etwas geben, das wir verpasst haben?

Meine Freunde gehen jeden Donnerstag in Nil – ein kleiner Studentenkeller, der hat nicht allzu viel.
Eintritt 1 Euro, genau wie Bier, ein Kicker, ein Dancefloor – es gibt alles und nichts hier.
Immer wieder die gleichen Menschen, nichts Neues zu sehen.
Manchmal zahle ich Eintritt und will gleich wieder gehen.

Es fängt an um 20 Uhr, doch bist du nicht früh genug da,
stehst du in der Schlange über ’ne Stunde und drehst dir ’n paar Zigaretten und trinkst schon das zweite Bier – und manchmal ist mir das alles zu viel
hier im Nil.

Doch Fear of Missing Out – großes Thema zur Zeit.
In meinem Kopf ist es laut, denn der Bachelor ist nicht mehr weit.
Und ich will ja nichts verpassen und überall bis zum Ende sein, weil:
Was, wenn sie Spaß haben – und ich bin schon wieder in meine Wohnung rein?
Oder war gar nicht erst da, und an dem Abend passiert etwas, was nur ich nicht sah.

Außenseiter, weil sozial inkompetent und
nicht immer jedem Mist und Trend hinterherrennt.
Doch irgendwie auch Mitläufer und in der Runde Mitsäufer.

Und das alles für das perfekte Studentenleben?
Muss ich mir das wirklich geben?
Die Vorwürfe an mich selbst, schaue mich an und sag: „Du fällst.“

Zu viel Denken kann manipulieren – und man fängt an, sich selbst zu verlieren.
Was ist es, das ich will?
Keine Antwort, mein Kopf still …

Und apropos Wohnung:
Ein Hin und Her, ob der Umzug nach Potsdam das Richtige war – und das schon nach dem ersten Unijahr.
Seit Oktober im Studentenwohnheim in einer WG, dabei wäre ich eigentlich viel lieber in Berlin an der Spree.

Vom Balkon will ich aufs Wasser gucken und mit Freunden wetten, wer es schafft, am weitesten zu spucken.
Aber die perfekte WG – die habe ich.

Ich werde geweckt mit Kaffee oder Tee,
nur halt nicht an der Spree.
Und das macht alles etwas schwierig.

Mehr Leben in Berlin
macht sich bemerkbar mit sinkendem Benzin.
Ein Hin und Her fast jeden Tag – Freunde, Job, Training zu weit weg, doch schwer zu canceln, weil ich’s mag.

Musste abwägen: morgens ’ne Stunde zur Uni nach Potsdam oder abends ’ne Stunde nach Hause.
Beides zu lang.

Echt strammes Programm.
Aber das ist Meckern auf hohem Niveau.
Doch fühle mich wie ein Floh, der springt von Ort zu Ort – für meine Seele Leistungssport.

Bin k. o. nach jedem Tagund frag mich, was ich daran so mag.
Wann lag ich das letzte Mal im Bett, nur um durchzuatmen, zur Ruhe zu kommen,
oder im Garten zu liegen, um mich zu sonnen?

Sieht denn so das perfekte Studentenleben aus?
Ich glaube nicht. Aber wissen tu ich es auch nicht.

Ich will die Dinge nicht mehr maximieren, die mir fehlen – könnte auch so viel Positives aufzählen.
Wir fokussieren uns auf Dinge, die wir nicht haben, und je öfter wir sie denken oder sagen,
desto präsenter sind sie im Kopf.

Nur leider gibt es keinen Ausknopf. Werden manipuliert von unserem eigenen Denken,
anstatt die Gedanken aufs Gute zu lenken – auf das, was wir haben,
nicht auf irgendwelche alten Narben.
Irgendwie Quatsch, dass wir die Dinge maximieren, die nicht in unseren Händen liegen –
aber irgendwie auch Teil vom Prozess,
was ich manchmal vergess.

Teil vom Erwachsenwerden, der Studiumzeit, Teil der Selbstfindung – nur der Weg ist noch weit.
Doch irgendwie mussten da doch alle durch,
haben die gleiche Routine,
leben ein ähnliches Leben,
wollen alle nach dem gleichen Streben: die Suche nach uns selbst,
nach dem Menschen, der wir werden wollen,
nach wahren Freundschaften, die wir pflegen sollten.

Wir wollen doch alle finden, wer wir sind und trotzdem bleiben, wie wir waren als Kind.
Aber niemand weiß so genau, wie das geht. Und dann haben wir Angst, weil die Zeit zu schnell vergeht.

Doch das ist alles Teil des Studentenlebens:
Fragen stellen,
keine Antworten haben,und trotzdem weitergehen
und weiter beklagen – bis es aufhört.
Falls es je aufhört.

Und ob das Studium die beste Zeit meines Lebens ist?
Weiß ich nicht.
Vielleicht nicht.
Aber vielleicht muss es das auch gar nicht sein.

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