Das Jahr 2021 ist und bleibt spannend und ein wichtiges Ereignis steht uns noch bevor: die
Bundestagswahl. Im Wahlkreis 61, zu dem auch Potsdam gehört, werden einige bekannte Namen auf den Wahllisten stehen, wie Annalena Baerbock und Olaf Scholz. Gegen sie wird Lu Yen Roloff antreten. Sie ist freie Kandidatin. Hinter ihr steht keine der großen Parteien. Die speakUP sprach mit ihr über ihren Wahlkampf, über Partizipation und Protest, und warum es in der deutschen Politik frischen Wind braucht. Das Interview fand bereits am 23.04.2021 statt. Von Paula Gürtler.
Gemeinsam Wahlkampf machen
Du hast bei Greenpeace und Extinction Rebellion gearbeitet – von der Protestbewegung in die Politik. Was hat dich zu diesem Schritt bewegt?
Lu Yen Roloff: Als ich bemerkt habe, dass es mit dem Klimaschutz nicht schnell genug vorangeht und dass unsere Politiker:innen nicht genug machen, bin ich in die Protestbewegung gegangen. Durch den eindringlichen Protest von Fridays for Future wurde für mich deutlich, dass die Perspektive von Jugendlichen natürlich eine ganz andere ist, weil sie ihre eigene Zukunft bedroht sehen. Genau diese Dringlichkeit habe ich auch verspürt und bin deswegen zu Extinction Rebellion gegangen. Wir haben Aktionen vor Ministerien gemacht und Politiker:innen angesprochen – wir wollten erreichen, dass die Regierung etwas ändert. Ausschließlich politische Rahmenbedingungen können in diesem großen Maßstab, den wir benötigen, überhaupt noch etwas ändern. Individuell können wir uns nicht vor der Klimakrise retten.
Mir ging es so wie vielen anderen Leuten, denke ich, zum Klimastreik 2019: Da waren 1,4 Millionen Menschen auf der Straße – und am gleichen Tag hat die Regierung das Klimapaket verabschiedet, das nicht ansatzweise weit genug geht. Deutschland verfehlt seine eigenen Klimaziele, verfehlt das Pariser Abkommen, und die Ziele sind überhaupt nicht ambitioniert genug. Wir müssten laut unserem Co2-Restbudget innerhalb der nächsten sieben Jahre auf null Emissionen kommen … !
Mit der Covid-19-Pandemie wurde klar, dass es für den Protest auf der Straße erstmal nicht weitergehen würde. Ich war damit beschäftigt, eine Aktion in Brüssel zu organisieren. Wir hatten einen Protest zur EU-Ratssitzung im Sommer geplant, um Druck aufzubauen und die Klimaschutzziele der EU zu erhöhen. Aber das ist leider ausgefallen. Ich habe mich dann gefragt: Was kann ich als Einzelperson tun, jetzt wo die Protestbewegungen lahmgelegt sind? Und dann habe ich erkannt: Das nächste politische Möglichkeitsfenster ist die Bundestagswahl.
Ich halte es für sehr wichtig, dass dieser Wahlkampf ein Wahlkampf von allen für alle wird. Dass wir Menschen aus der Zivilgesellschaft, aus der Klimabewegung, ganz laut sind in diesem Wahlkampf und das eben nicht nur die Programme der Parteien diskutiert werden, sondern auch das, was wir darüber hinaus brauchen. Und dafür trete ich an, weil ich das als Kandidatin mit einbringen möchte.
Was bedeutet denn Protest für dich und welche Rolle spielt er in deinem Wahlkampf?
LYR: Protest heißt ja erst mal zu kritisieren, was in einer Situation schief läuft und dieser Widerspruch kann auf unterschiedliche Art und Weise stattfinden, auf der Straße oder online durch Petitionen. Insofern kann Protest ganz vielfältig sein. Das Spektrum reicht von Demonstrationen bis hin zu zivilem Ungehorsam.
Meine Kandidatur sehe ich nicht als Protest. Sie speist sich aus der Kritik an den jetzigen Verhältnissen und sie soll das Angebot schaffen, Dinge auch anders anzugehen. Und natürlich einen Menschen zeigen, der sich das wünscht und wählbar ist.
Viele Leute sagen, man habe ja keine Wahl bei den etablierten Parteien. Die Grünen und die Linken legen dabei sicherlich die ambitioniertesten Klimaschutzziele vor, aber selbst das reicht nicht aus. Den Raum zu öffnen und ein zusätzliches Angebot zu schaffen, darum geht es mir mit dieser Kandidatur. Und meine Hoffnung ist, dass wir diesen Frust und diese Energie, die aus einer Protestbewegung kommen, nutzen können um uns als Gesellschaft neu zu organisieren. Das möchte ich unterstützen, indem ich eine Mitmach-Plattform ins Leben rufe, auf der sich Leute, die bisher noch nicht politisch organisiert sind, zusammenschließen können, um gemeinsam etwas für Klimaschutz, für Gemeinwohl und für mehr Demokratie im Alltag zu tun.
Bei dieser Mitmach-Plattform, gibt es da schon große Beteiligung? Wie hast du deine Kampagne bisher erlebt, wie engagiert und motiviert sind Menschen mitzumachen, was zu tun und zu gestalten?
LYR: Nach einer Verzögerung durch technische Hürden, starten wir die Plattform nun im Juni. Ich bin schon sehr gespannt auf die Ideen und Projekte, die wir mit der Plattform ermöglichen werden und auf die Menschen, die wir vernetzen können. An der Kampagne #EinfachMachen arbeite ich seit letztem Jahr mit einem ehrenamtlichen Team. Da sind die unterschiedlichsten Leute dabei, unterschiedlichen Alters, von 18 bis Mitte 50, die mich mit ihrer Erfahrung und Energie extrem voranbringen.
Ich bin außerdem vernetzt mit Brand New Bundestag. Das ist eine neue Initiative, die progressive Kandidat:innen, auch aus Parteien, in ganz Deutschland unterstützt. Und da bin ich eine der Kandidat:innen, die supportet wird. Und ich habe die Förderung von JoinPolitics bekommen, eine finanzielle Starthilfe für neue progressive Politik, so wie wir sie vorhaben. Das wird jetzt alles zusammenfließen mit dieser Plattform.
Dort starten wir jetzt mit zwei konkreten Projekten. Eines ist natürlich der Wahlkampf an sich. Wir orientieren uns am Wahlkampf, wie ihn Obama bestritten hat. Obama hat sehr viele Freiwilligen-Teams mobilisiert und organisiert: Die Menschen konnten die Kampagne einfach mitgestalten und haben den Wahlkampf zu ihrem eigenen Ding gemacht. Man hat Menschen direkt an Haustüren oder auf der Straße angesprochen, sie zum Mitmachen eingeladen und die Teams wachsen lassen. Das ist die Idee, die ich auch im Wahlkreis umsetzen möchte. Leute können sich registrieren und dann Wahlkampfhelfer:in werden. Sie können sich zum Beispiel in ein bereits bestehendes Teams integrieren und dann Haustürwahlkampf machen.
Das zweite Projekt, was auch jetzt gerade startet, ist „Neustart Potsdam“. Die Idee ist ein Bürger:innen Festival zu organisieren, um die Stadt für den Wandel fit zu machen, den wir brauchen. Mit klimagerechter und gleichzeitig sozialer Politik muss auf städtischer Ebene begonnen werden. Da setzen wir diese großen Ziele im Alltag um. Es ist wichtig, diejenigen, die jetzt schon in tollen Initiativen, wie bei der Lastenrad-Initiative, der solidarischen Landwirtschaft, im Unverpackt-Laden, im Energieforum oder auch in der Bürgerbeteiligung aktiv sind, mal an einen Tisch zu holen und zu sagen: Lasst uns zusammen sichtbar werden, denn wir sind eine Zivilgesellschaft. Es gibt viele Menschen, die diesen Wandel wollen und in Projekten schon ganz konkret vorbereiten.
Der Stadt Potsdam vor Augen zu führen, wie ausgeprägt ihre gesellschaftliche Kraft sein kann, darum geht es bei diesem Festival. Konkret bedeutet das, dass man auch sein eigenes Event einfach einstellen und organisieren kann. Wir wollen andere unterstützen, selbst aktiv zu werden und damit Energie von unten zusammenbringen, zu bündeln und verstärken. Eine tolle Möglichkeit wäre dann zum Beispiel auch, Potsdam der Initiative “Cities for Change” einzugliedern.
Demokratie hautnah erleben
Das hängt dann bestimmt auch damit zusammen, dass du dich selbst als Bewegungspolitikerin bezeichnest oder so bezeichnet wirst.
LYR: Meine Erfahrungen aus der Bewegung inspirieren mich natürlich sehr. Bei Extinction Rebellion zu sehen, was alles möglich ist, wenn eine kleine Gruppe von Menschen beschließt: Ok, wir machen jetzt zusammen was! Wir kommen als Menschen zusammen und wir teilen auch unsere Sorgen, Ängste und Interessen miteinander. Wir wollen alle, dass unsere Kinder sicher aufwachsen können, dass wir die Klimakatastrophe abwenden, dass das Ganze sozial und gerecht abläuft.
Da habe ich immer auch gesehen, wie schnell eine Dynamik entstehen kann, wenn Menschen zusammenkommen und gemeinsam an einem Strang ziehen. Diese Energie, die im Jahr 2019 natürlich sehr besonders war, die wünsche ich mir eben auch in der offiziellen Politik. Ich habe den Eindruck, viele Leute empfinden eine große Distanz zur Politik. Da scheinen fremde Leute etwas zu entscheiden, immer die gleichen Spitzenpolitiker:innen, die in den Talkshows sitzen und reden. Aber was hat das jetzt eigentlich mit meinem Alltag zu tun und wie kann ich das beeinflussen? Genau da haben wir ein starkes Defizit. Demokratie muss viel näher an unserem Alltag sein und idealerweise sollte Demokratie auch mit Menschen gemacht werden, die wir treffen können.
Klar kann man online Petitionen unterschreiben, aber ich glaube, wenn du mit Menschen im echten Raum zusammen kommst und man sich untereinander kennenlernt, dann entsteht nochmal eine andere Ebene und Kraft. Wenn wir auf die Straße gehen können, kann das total Spaß machen – dazu lade ich auch alle Menschen ein. Die Termine gibt es in meinem Newsletter und auf Insta. Kommt alle vorbei und helft, Flyer zu verteilen, Gespräche zu führen und mit mir kreative Aktionen zu planen.
Wie funktioniert das denn gerade in der Corona-zeit und im Lockdown, wenn das ziel eigentlich ist, Leute treffen zu wollen?
LYR: Ich kann das bisher nur als Einzelperson machen. Ich treffe mich zu Spaziergängen mit Menschen. Neulich war ich am Seddiner See und habe dort bei einer Bauaktion mitgemacht, mit der das Seeufer geschützt werden sollte. Es ist natürlich sehr eingeschränkt, weil jegliche Planungssicherheit fehlt. Deswegen machen wir momentan das meiste online. Aber langsam ist die Zeit gekommen, zurück auf die Straße zu gehen. Natürlich unter entsprechenden Auflagen, um sicher zu sein. Ich sehe für diese echten Begegnungen auf der Straße einfach keinen Ersatz im Online-Bereich. Deswegen ist das das Ziel, das jetzt möglichst schnell an den Start zu bringen.
Ziele finden, Probleme lösen
Du hast dich in den letzten Jahren viel mit der Klimakrise auseinandergesetzt und das ist natürlich auch ein wichtiger Punkt deines Wahlkampfes. Gibt es noch andere Themen, die dir am Herzen liegen, die wichtig sind für dich?
LYR: Ein Thema, was mich sehr stark auch persönlich beschäftigt, sind die Mieten, die so stark gestiegen sind, das viele Leute überhaupt keine neue Wohnung mehr finden können, ewig auf der Suche sind und abgelehnt werden. Wir haben einfach durch den Zuzug in der Region Potsdam und Umgebung ein Riesenproblem, auch dadurch dass es nicht genug kommunalen Wohnraum gibt.
Wir sehen gerade, dass unsere Politik letztendlich Menschen mit Eigentum begünstigt. Leute, die Wohnungen besitzen, haben einen großen Vorteil gegenüber den Mieter:innen, die unter den steigenden Preisen leiden. Ich glaube, dass diese grundlegende Logik unseres Wirtschaftssystems, wo die Starken immer mehr bekommen und die Schwachen eigentlich immer weiter verlieren, die gleiche ist, wie wir sie beim Klima sehen. Wir sehen, dass Politik für Wohlhabende und für große Konzerne besser gemacht wird als für das Gemeinwohl. Und wenn ich Gemeinwohl sage, dann meine ich eben sowas wie Mieten, Zugang zu Mobilität, Gesundheit und Bildung. Wir haben zu wenig gute öffentliche Räume, die man auch ohne zu konsumieren wirklich nutzen und mitgestalten kann.
Ich wünsche mir, dass wir eine Politik bekommen, die sich ganz klare Ziele und Leitbilder setzt und die allergrößte Grenze, die wir einhalten müssen, ist das 1,5 Grad-Limit. Die Klimakrise ist ja jetzt schon in Deutschland angekommen. Den dafür notwendigen Umbau der Gesellschaft bekommen wir nur hin, wenn wir gleichzeitig das Gemeinwohl stärken, damit ein gutes Leben für alle Menschen möglich ist. An Bildung, Arbeit, Gesundheit, Mobilität, Energie, politische Teilhabe, Kultur, also den ganzen Lebensbereichen, die für uns im Alltag wichtig sind, darf nicht gespart werden. Wir müssen stattdessen die großen Konzerne regulieren und klare Gesetze schaffen, die das Verhalten von mächtigen Akteuren regulieren. Es sollte zum Beispiel keine Anreize und Subventionen mehr für Unternehmen geben, auf Kosten von Mensch und Natur zu wirtschaften
Wir sehen an der aktuellen Politik: Man verharrt innerhalb dieses Wachstumsparadigmas, man kann sich gar nicht vorstellen, eine Welt ohne Wirtschaftswachstum zu haben und dem wird alles andere untergeordnet. Wir müssen die Prioritäten und Ziele verändern, dann kommen auch soziale und technische Lösungen hinterher. Wir haben durch die Corona-Pandemie gesehen, wie schrittweises Herumeiern ohne klare Ziele drastische Konsequenzen für Gesundheit und Existenzen hat. Aktuell stockt die Impfkampagne – können wir sagen, welche Ziele wir verfolgen? Herdenimmunität, nur für Deutschland, wird nicht funktionieren, solange auf der Welt die Pandemie weitertobt und immer neue Mutanten hervorbringt. Wenn man nicht vom Ende her denkt, kommt auch keine gute Politik heraus.
Statt alter Strukturen, neue Energie
Siehst du als Grund dafür auch das Parteiensystem und dass Parteien so stark und in gewisser Weise in bestimmten Strukturen festgefahren sind? Braucht es deshalb mehr unabhängige Politiker:innen?
LYR: Parteien haben interne Dynamiken, wie wir zuletzt beim Machtkampf zwischen Laschet und Söder gesehen haben. Solche Dynamiken bringen uns Wähler:innen gar nichts. Die Korruption innerhalb der CDU erschreckt mich. Gerade die CDU/CSU sind ja sehr verflochten mit der Wirtschaftslobby aus Agrarindustrie, Kohleindustrie, Autoindustrie. Verkehrsminister Scheuer macht ständig große Zugeständnisse an die Automobilindustrie. Die Parteien, allen voran CDU/CSU und FDP handeln nicht im Interesse des Gemeinwohls. Viele Akteur:inne aus diesen Parteien bereichern sich persönlich an ihrem Bundestagsmandat und nutzen es für ihre eigenen Interessen aus.
Andere junge Menschen, besonders junge Frauen, die kandidieren wollten, sind an parteiinternen Auswahlverfahren gescheitert, also an den Machtstrukturen innerhalb der Partei. Immer wieder kommen Politiker:innen auf die guten Listenplätze, weil sie schon 20 Jahre dabei sind, treue Parteisoldat:innen sind – aber nicht, weil sie die kompetenteste Vision haben. Das verhindert natürlich Innovation und Wandel.
Auch hat sich eine politische Kultur entwickelt, bei der es nicht mehr um die Sache selbst geht, sondern darum, wer sich durchsetzen kann. Ein Beispiel ist, dass im Bundestag kaum jemand für gute Vorschläge aus konkurrierenden Parteien klatscht. Dieses Lagerdenken können wir uns angesichts der großen Herausforderungen von Klimakrise, sozialer Ungerechtigkeit und Demokratiemüdigkeit nicht mehr leisten. Die Probleme, die wir haben, die sind so groß und komplex, dass wir eigentlich eine parteiübergreifende Mehrheit für Veränderungen brauchen.
Diese Machtlogik in den Parteien verhindert eine gute Kooperation. Dieser Wahlkampf zeichnet sich dadurch aus, dass wir kaum Sachdebatten haben, wie wir in den nächsten vier Jahren Emissionen reduzieren wollen, stattdessen wird personalisiert und diskreditiert. Deswegen sollten wir es wagen, Politik auch ohne Partei zu machen, mit einer ganz anderen Haltung.
Wir müssen wieder lernen, unsere Interessen ganz offen zu diskutieren und zu verhandeln. Ehrlich und klar – wir wollen ja ein gemeinsames Ziel erreichen. Alle Parteien müssen eine sehr ambitionierte Klimapolitik unterstützen, dann kann sich jede:r auf seine eigenen Stärken spezialisieren. Passiert aber nicht – kein Wunder, dass viele Leute sehr enttäuscht sind von dem aktuellen Angebot.
Nur zwei Prozent der Deutschen sind überhaupt Mitglied in Parteien. Kaum jemand hat Zeit für die sprichwörtliche Ochsentour durch Gremien und Stammtische. Wir haben auch viel zu wenige Frauen, zu wenige junge Leute, zu wenige Menschen mit Migrationshintergrund in den Parteien. Die Strukturen in den Parteien lassen sich nicht von heute auf morgen verändern. Also sollten wir Bürger:innen von außen die Finger in die Wunde legen und uns selbst dafür organisieren – vernetzt, inklusiv, niedrigschwellig.
Um da auch nochmal über eine andere Partei zu reden, die AfD, die ja auch in Brandenburg recht stark ist. Siehst du da eine mögliche Gefährdung deines Wahlsieges oder was glaubst du, wie werden die in der kommenden Wahl abschneiden? Wird die AfD Stimmen verloren haben, vor allem auch durch die pandemie?
LYR: Die AfD hat, seitdem das Thema mit dem Geflüchteten nicht mehr so groß ist, wie vor fünf Jahren, an Profil verloren. Die AfD hat immer da gepunktet, wo sie es geschafft hat, den Ängsten und dem Frust von Menschen ein Ventil zu geben. Das haben sie in der Vergangenheit gemacht, indem sie Leute aufgewiegelt haben, auch gegen das System an sich, und eben dieses Gefühl „Ich werde nicht gehört, ich bin nicht wichtig“ kanalisiert haben.
Ich glaube, dass es wichtig ist, die Leute ernst zu nehmen, die dazu neigen, die AfD zu wählen. Denn das sind die Enttäuschten, die wirklich das Gefühl haben, ihre Stimme zählt nicht. Deswegen ist es ja so wichtig, dass man auf diese Menschen zugeht und sagt: Hey, ihr könnt aber auch was anderes machen als eine destruktive, demokratiefeindliche Partei zu wählen, ihr könnt euch vielleicht auch selbst organisieren mit anderen Menschen, damit eure Stimme wieder Gewicht hat.
Ob wir das schaffen? Es ist natürlich schwierig die Leute zu erreichen, die jetzt schon sehr zynisch sind. Aber einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. Ich möchte gerne den Menschen, die auf Protest-Wählen eingestimmt sind, ein positives, konstruktives Angebot machen: Hey, schmeiß deine Stimme nicht weg in einen Mülleimer, sondern nutz’ doch die Stimme für eine Repräsentation, die du mit beeinflussen kannst.
Dann die letzte Frage: In zwei Monaten ist es soweit. Wie rechnest du dir momentan deine Chancen aus, wie zuversichtlich bist du und was wünschst du dir noch für diese restliche Zeit?
LYR: Wir haben gerade den Wahlkampf auf der Straße gestartet, aber mir fehlt es noch an Bekanntheit, Reichweite und lokalen Unterstützer:innen, die mit mir gemeinsam loslegen wollen. Also meldet euch auf meiner Website als Wahlhelfer:innen und helft mir!
Ich glaube, die Chancen für eine parteiunabhängige Kandidatur waren tatsächlich noch nie besser als jetzt. Weil sich so viele Parteien Konkurrenz machen, sinkt die relative Mehrheit für die Erststimme. Ich möchte vermitteln, dass die Menschen im Wahlkreis mit ihrer Erststimme diesmal eine echte Alternative wählen können und nicht einfach nur das übliche Programm, was es sowieso immer zu wählen gibt.
Ich glaube, es ist ganz wichtig zu verstehen: Olaf Scholz, Annalena Baerbock, Linda Teuteberg – die stehen alle auf den Landeslisten ganz vorne. Das heißt, die kommen auf jeden Fall in den Bundestag. Die kommen auch ohne das Direktmandat sicher rein. Da geht es nur um Prestige. Ich bin aber angewiesen auf die Erststimme, wenn ich was bewegen will. Dafür bekommen die Wähler:innen mit mir aber auch eine echte Alternative. Das ist wirklich was Neues, Anderes, gegenüber den etablierten Parteien. Davon muss ich natürlich möglichst viele Leute überzeugen.