Seit dem 6. Juni 2019 ist der Zukunftsvertrag von Bund und Ländern beschlossen. Er soll Forschung und Lehre an Universitäten und Hochschulen verbessern. Das wissenschaftliche und künstlerische Personal hat da aber viele Einwände – und viel Frust. Von Paula Gürtler.
Das Thema Hochschulpolitik ist für die wenigsten Studierenden wirklich spannend. Das zeigten auch die letzten Wahlbeteiligungen. Aber es gibt Momente, in denen muss man sich dafür interessieren und damit auseinandersetzen. Mehr durch Zufall saß ich am Mittwoch, dem 27. November, in der Sitzung des Bündnisses „Frist ist Frust“ Brandenburg und was ich da gehört habe, machte mich nach längerer Zeit wieder sehr aufmerksam auf die Hochschulpolitik.
Denn dieses Bündnis kämpft mit den Vertreter_innen der anderen Bundesländer gegen den enorm hohen Anteil an befristeten Stellen an deutschen Universitäten und Hochschulen. Über 90 Prozent des wissenschaftlichen Nachwuchses und sogar 23 Prozent des wissenschaftsunterstützenden Personals (Verwaltung, IT-Service, etc.) müssen immer wieder um ihren Arbeitsplatz bangen und können nie lange in die Zukunft planen.
Was hat das jetzt mit den Studierenden zu tun? Ganz einfach: Alles. Unter diesen Bedingungen leidet die Lehre und die gesamte Betreuung an Universitäten und Hochschulen, weil zum Beispiel dauerhafte Aufgaben (wie das Erstellen des fachlichen Studienangebots) immer wieder von neuen Angestellten übernommen werden, die sich neu einarbeiten müssen, weil es durch diesen häufigen Wechsel an Menschen mit Erfahrung fehlt oder weil es schlichtweg zu wenig Personal gibt, um alle Studierenden wirklich gut betreuen zu können.
Verschiedene Meinungen zum Thema Qualität
Der Zukunftsvertrag, der im Juni 2019 von den Regierungschef_innen von Bund und Ländern als Fortsetzung auf den Hochschulpakt 2020 beschlossen wurde, sieht zur Verbesserung und Förderung von Studium und Lehre vor, gerade befristete Anstellungsverhältnisse auszubauen und finanziell zu unterstützen.
Dagegen stellt sich das Bündnis aus Gewerkschaften und weiteren Organisationen (GEW, ver.di, NGAWiss und BRANDSTUVE). Sie fordern einen „Entfristungspakt 2019“ und riefen die Kampagne „Frist ist Frust“ ins Leben. Und frustrierend ist die Antwort der Kanzler_innen der Universitäten Deutschlands in der „Bayreuther Erklärung“ vom September, die von einem Qualifizierungssystem spricht, dass nur davon leben könne, dass es so wenig Dauerstellen wie möglich gibt. Bleibt nur die Frage offen, wie der wissenschaftliche Nachwuchs qualifiziert und gefördert werden kann, wenn es an erfahrenen Personen mangelt oder junge Menschen ihre Karriere nicht planen können, weil sie nicht wissen, was nach dem Auslaufen ihres Vertrages am Ende des Semesters passieren wird.
Unattraktive Arbeitsbedingungen
Vielen Studierenden, die gerne an den Universitäten und Hochschulen bleiben und sich hier beruflich der Wissenschaft widmen möchten, scheint aufgrund der derzeitigen Verhältnisse dieser Weg wenig rosig. Und die Lehre kann nicht qualitativ hochwertiger werden, wenn die Lehrbeauftragten noch mehr um ihren Arbeitsplatz bangen müssen und viele sich mit Burn-out konfrontiert sehen. Die Arbeitsbedingungen wirken sich auf die eigentliche Arbeit aus und niemand möchte sich sein gesamtes berufliches Leben lang fragen müssen, was nach Ende des Arbeitsvertrages passiert, manchmal also schon nach einem Jahr oder nur ein paar Monaten.
Da braucht es jetzt mehr Aufmerksamkeit und mehr Proteste, gemeinsam mit den Studierenden. Einige Aktionen gab es schon, wie beispielsweise in Göttingen: Mit Umzugskartons zogen Angestellte, Lehrbeauftragte und Studierende durch die Stadt und bauten diese dann vor der Mensa zu einer Wand auf. Unter dem Motto „Ich bin dann mal weg…“ konnte man lesen, wann die zu dem Zeitpunkt aktuellen Verträge auslaufen.
Dialog in Brandenburg
Auch das Brandenburger Bündnis ist am Planen, will sich noch stärker vernetzen, mehr Unterstützer_innen gewinnen und will den Druck auf das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur Brandenburgs erhöhen: Im November schickten sie einen offenen Brief mit der Bitte um ein Gespräch über die Mittelverwendung des Zukunftsvertrages an die damalige Interims-Ministerin Dr. Martina Münch und ihre Nachfolgerin im Ministerium Dr. Manja Schüle. Im Idealfall sollen da auch viele Betroffene zu Wort kommen und am Dialog teilhaben können.
Wenn man Lehre und Bildung stärken möchte, sollte man dann nicht auch die Menschen in das Gespräch mit einbeziehen, die sich tagtäglich damit auseinandersetzen? Also müssen sich auch (mehr) Studierende zu Wort melden und ihre Meinung kundtun, denn es geht um die Qualität ihres Studiums. Es geht darum, die Hochschulpolitik aktiv mitzugestalten, für bessere Lehre und Forschung.