Die Hälfte des Semesters ist vorbei und für viele von uns dreht es sich neben dem Studium immer noch um die Wohnungssuche. Und damit sind wir nicht allein. Laut Angaben des statistischen Bundesamtes verteilen sich mehr als die Hälfte aller deutschen Studierenden auf die 25 beliebtesten deutschen Unistädte. Die Folgen? Ein extremer Mangel an Wohnraum, erhöhte Mieten und chancenlose Massenbesichtigungen, bei denen mal eben bis zu 1000+ Leute die Straße blockieren. Von Lisa Minstedt.
Die Lage in Potsdam
Den „statistischen Grunddaten“ der Stadt Potsdam zur Folge gab es schon zur Zeit der Wende in Potsdam zu wenig Wohnraum und die aktuellsten Zahlen vom Dezember 2019 zeigen, dass es im Verhältnis zum Mietwohnungsangebot immerhin fast 10% mehr Haushalte als zur Verfügung stehende Wohnungen gibt. Die Stadt versucht seither ein ausgeglichenes Wohnverhältnis zu schaffen, aber wird dabei auch die wachsende Anzahl der Student_innen beachtet?
Durch das Studentenwerk Potsdam können 9% aller Studierenden aus Potsdam, Brandenburg an der Havel und Wildau eine bezahlbare Schlafmöglichkeit im Wohnheim mieten. Zum Vergleich: Der Bundesdurchschnitt liegt bei rund 10%.
Trotz des Neubaus in Golm sind die Anlagen ausgelastet und die Wartelisten so lang, dass man bis zum Einzug mindestens zwei Wartesemester einplanen sollte. In diesem Sinne zeigt der sogenannte „Tag der freien Vergabe“ jedes Jahr aufs Neue, wie knapp und begehrt ein Wohnheimplatz ist. Während in den vergangenen Jahren die Studierenden nachts auf den Treppen des Studentenwerks campierten, um eine bessere Chance auf ein Wohnheimzimmer zu haben (speakUP berichtete), wurden die Zimmer im Wintersemester 2019/2020 erstmals in einem Losverfahren vergeben.
Von der Stadtverwaltung sind bereits 17.000 Grundstücke für neue Wohnungen mit 32.000 Einwohnern_innen ausgesucht worden. In Anbetracht der Prognose aus der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ), die Stadt erwarte zusätzlich 45.000 Einwohner_innen bis 2035, ist es fragwürdig, inwiefern die Kommune diesen überproportionalen Anstieg bewältigen wird und ob wir Studenten_innen die Miete für eine dieser Wohnungen aufbringen können.
Alternativen schaffen
Nicht nur das Studentenwerk bietet zusätzliche Wohnungen für Studierende an, sechs private Unternehmen engagieren sich in Potsdam für eine ausgeglichene Wohnsituation.
Durch die Aktion „Schlafen auf Zeit“ wurden durch das Studentenwerk für höchstens 14 Tage im Oktober und November 2019 Schlafplätze für Studierende zur Verfügung gestellt. Sie richtete sich primär an die Erstsemester_innen und bot mit 100€ Kaution und 10€ pro Nacht eine bezahlbare Unterkunft, direkt auf dem Campus in Golm (speakUP berichtete).
Allerlei Leute versuchen also Lösungen für die Wohnsituation zu finden und die Studenten_innen zu unterstützen, doch ohne die ambitionierte Zusammenarbeit mit Bund und Ländern wird es immer schwerer, geeigneten Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Weniger Student_innen wohnen in Potsdam
Viele Student_innen wohnen für günstigere Mieten oder höhere Lebensstandards im Umland, wodurch der Kommune Millionen Schlüsselzuweisungen pro Einwohner_in nicht zustehen und an Stellen wie dem Wohnungsbau oder Kulturangebot fehlen. Zudem bedeutet das auch, dass Brandenburgs Pendler_innenproblem mit mehr Wohnungen allein nicht mehr zu lösen sein wird.
Georg Schlanzke vom Deutschen Studentenwerk (DSW) betont in einem Interview, dass kein anderer Fall in Deutschland bekannt wäre, wo die Lage dementsprechend sei.
Mitte Oktober 2019 diskutierten Fachvertreter_innen aus Bund und Ländern mit dem DSW über den studentischen Wohnheimbau. Vor allem standen dabei die Themen der Förderung und Finanzierung im Mittelpunkt. Das wichtigste Ergebnis sei die Sensibilisierung der Länder für die Kombination aus ausstehenden Bundesmitteln und eigenen Ländermitteln. Stefan Grob, der Pressevertreter des DSW, fasst die Debatte entsprechend zusammen und sagt: „Die Tagung hat die Weichen gestellt.“
Der Vorsitzende des Mietervereins, Rainer Radloff, sagte schon vor fast fünf Jahren: „Das Land muss der Kommune mehr Geld zur Verfügung stellen, um Wohnungen für Studenten zu stellen“. Er schätzt die Stadt Potsdam so ein, als würden die Probleme schon erkannt und nun versucht gelöst zu werden.
Zusammen mit seinen Kollegen fordert er eine Mietpreisbremse. Allerdings gilt diese laut Gesetzesausnahmen nicht für Neubauten oder Modernisierungen und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat herausgefunden, dass der Mieterlass bei nur höchstens 4% liegt.
Regelmäßig kommt es zu Demonstrationen für mehr Wohnraum und bezahlbare Mieten. Im Herbst 2019 wurde im Zuge dessen zu einem Beschluss aufgerufen, „[…]der einen Mietenstopp, vor allem aber die Absenkung von Mieten auf ein bezahlbares Niveau durchsetzt“, versicherten die Veranstalter_innen der Berliner Kundgebung. – Genau das ist es, was wir Student_innen brauchen!
Wohnungskaution geschenkt bekommen?
Nach finanziellen Kürzungen des Landes werden seit 2013 die Begrüßungsgelder der Student_innen in Potsdam für eine bessere Infrastruktur und neuen Wohnraum aufgespart. In Berlin hingegen kann man sich jeweils im Herbst auf einen „Zuschuss zum Start ins Studium“ in Höhe von 1000€ bewerben. Unter bestimmten Voraussetzungen wird das Geld vom Studentenwerk Berlin einmalig verschenkt.
Möglicherweise würde die Wiedereinführung eines finanziellen Anreizes die Einzugsquoten in Potsdam erhöhen und damit für mehr Pro-Kopf-Einnahmen in der Stadt sorgen.
Mit einem ausgewogenerem Wohnverhältnis in den Studierendenstädten bräuchte auch nicht mehr einem Urteil des Sozialgerichts Berlin von 2018 nachgegangen werden, in dem gefordert wird, sich an den Wohnungsmarkt anzupassen und die Möglichkeit zur Vermietung der Küche, des Balkons oder der eigenen Couch vorgeschlagen wird, um den Lebensunterhalt angemessen finanzieren zu können.