Bereits zum vierten Mal fand in der Box der Reithalle im Erlebnisquartier der Schiffbauergasse in Potsdam am Freitagabend, dem 11. Januar, der Boxenstopp mit Schauspieler_innen des Ensembles des Hans Otto Theaters statt. Diesmal handelte es sich um die Idee, aus der Produktion des Theaterstücks „Pension Schöller“ einen Boxenstopp mit dem Titel „Schöllers Musiksalon“ zu veranstalten. Es war ein großartiges Erlebnis mit vielen Überraschungen. Die speakUP war dabei. Von Stella Vassillière.
Perspektivwechsel
Die Box der Reithalle füllt sich mit Gästen und die Schauspielerin Alina Wolff ist schon dabei, die Bühne mit einer leuchtenden silbernen Girlande zu schmücken. Es tönt Musik aus den Lautsprechern und ein Klavier, ein Sessel und ein Stuhl bilden das Mobiliar. Außerdem hängt eine Discokugel von der Decke, die für Lichteffekte sorgt.
Am heutigen Abend soll genau hier der „Musiksalon Schöller“ stattfinden. Die Schauspieler_innen Jörg Dathe und Alina Wolff Jörg, die den Vater Herrn Schöller und seine Tochter spielen unterhalten sich auf der Bühne und es herrscht schon vor Beginn eine angenehm lockere und familiäre Stimmung im Raum.
Auch wenn die Musikinstrumente für diesen Abend feststehen, sind die Dialoge der Schauspieler_innen improvisiert sowie teilweise vom Publikum abhängig. Diese Spontanität und Kreativität der Schauspieler_innen macht zu einem großen Teil den Boxenstopp aus. Nun wird ins Publikum gefragt, um welches Thema es denn heute Abend gehen soll. Eine Person vorne im Publikum antwortet mit „Liebe!“ Dieses Thema steht nun fest und es folgt das Lied „Flugzeuge im Bauch“ von Grönemeyer, das von Jörg Dathe gesungen und vom Klavier begleitet wird.
Dieser Perspektivwechsel im Theater erinnert möglicherweise an das Improvisationstheater, aber die Schauspieler_innen des Boxenstopps haben sich zumindest vor dem Auftritt als Team gemeinsam mit dem Kreativteam, bestehend aus den Regieassistent_innen Laura Wilmeroth, Donnie Corvalan und der Inspizientin Nike Weber ein Thema des Stücks überlegt, wie diesmal die Probe von „Pension Schöller“, und orientieren sich grob daran. Herr Schöller singt gerne und veranstaltet in seiner Pension Musikabende. So kam es zu dieser Idee. Das heißt proben, improvisieren und kreativ sein. Daher ist der Boxenstopp eine Möglichkeit, die Schauspieler_innen des Ensembles bezüglich ihrer persönlichen Fähigkeiten und Interessen sowohl auf der Bühne, als auch danach bei einem Getränk an der Bar besser kennenzulernen.
Diese interessanten Eigenschaften und Impulse des Boxenstopps in Potsdam durfte die speakUP vor der Aufführung in der Reithalle erfahren und traf die Regieassistent_innen Laura Wilmeroth, Donnie Corvalan und die Inspizientin Nike Weber, die mit an diesem Projekt und mit dem Ensemble zusammenarbeiten. Sie haben des Weiteren betont, dass wirklich jede_r willkommen ist und sie hoffen, dass durch ein solches Projekt auch viele junge Besucher_innen ins Theater gehen. Mit der Theaterflatrate für Studierende der FH Potsdam und der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF ist der Boxenstopp kostenlos. Jeden zweiten Freitag im Monat findet der Boxenstopp in der Box der Reithalle statt und für diejenigen, die keine Theaterflatrate besitzen bei 5 Euro Eintritt immer noch studierendenfreundlich.
Voller Überraschungen
Kaum haben die Schauspieler_innen mit ihrer musikalischen Probe auf der Bühne begonnen, kommt eine russisch aussehende, in eine weiße Schürze gekleidete Dame herein, die einen Servierwagen mit einem großen Krug Bowle und Gläsern vor sich herschiebt. Das Publikum fragt sich natürlich erst mal, ob die Bowle auch für sie gedacht ist und tatsächlich ruft der Schauspieler Jörg Dathe ins Publikum: „Wer möchte von unserer Bowle probieren?“ Nach und nach bekommen die Zuschauer_innen etwas von der Bowle serviert und die Situation ist eine andere, als in einem klassischen Theaterstück.
Fast alle halten ein Glas Bowle in der Hand und lauschen nun dem Gesang von Alina Wolff. Während des Songs unterbricht sie sich manchmal selbst, weil sie einen Ton doch anders singen möchte. Man wird vom Gefühl eines „unmittelbaren Dabeiseins“ erhascht und möchte am liebsten auf der Bühne mitmachen und sich mit den Schauspieler_innen unterhalten und musizieren. Das dürfen die Zuschauer_innen sogar, als Liedtexte zum Lied „Ade zur guten Nacht“ im Publikum ausgeteilt werden und alle aufgefordert werden, mitzusingen. Manche Personen singen lauter, manche leiser und es spielt keine Rolle, wie gut es sich anhört. Denn es geht um das Ausprobieren und Mitmachen. Das Gefühl von einem Miteinander entsteht und man würde am liebsten weitersingen.
Im nächsten Moment kommt Guido Lambrecht, Schauspieler des Ensembles, auf die Bühne und hält eine Gitarre unterm Arm. Er bittet die Zuschauer_innen sich weiter nach vorne zu setzen und beginnt, ein spanisches Lied zu singen. Währenddessen wird der Raum mit Lichtspielen durchflutet, wodurch eine harmonische Atmosphäre entsteht.
„Scheitern ist erlaubt“
Die Idee des Boxenstopps entstand aufgrund der neuen Intendanz des Hans Otto Theaters und den damit verbundenen Veränderungen des Theaters. Das Ensemble, welches aus 25 Schauspieler_innen besteht, ist zum Teil geblieben und zum Teil sind neue Schauspieler_innen dazu gekommen, welche frischen Wind sowie neue Ideen in das Ensemble gebracht haben. Zu dem Ensemble zählen also sowohl Schauspieler_innen, die bereits seit 25 Jahren ihrer Leidenschaft nachgehen, motiviert sind und sowie große schauspielerische Erfahrung haben, als auch welche, die noch nicht so lange auf der Bühne stehen und viel Kreativität und neue Ideen mitbringen.
Das Besondere am Boxenstopp ist die Einmaligkeit der Aufführung, die diese qualitativ einzigartig macht und nicht zu wiederholen ist. Die Schauspieler_innen haben die großartige Möglichkeit, sich auszuprobieren, ihre Talente sowie persönlichen Fähigkeiten zu entdecken, kreativ zu sein und durch Spontanität das Publikum mit einzubeziehen. Außerdem sorgt der Boxenstopp garantiert für eine tolle Zusammenarbeit und Teamgefühl im Ensemble. Das Publikum bekommt in jeder Aufführung etwas Wichtiges mit auf den Weg gegeben. Und zwar, dass das Scheitern im Leben erlaubt ist und man daraus sehr viel lernen kann. Nach jedem Boxenstopp wird das Wochenende eingeläutet, denn dann heißt es Tanzen und Feiern bei guter Musik und die Schauspieler_innen sind sogar auch dabei.