Pünktlich zum Start des Wintersemesters wird wie in jedem Jahr deutlich, dass in Potsdam bezahlbarer Wohnraum für Studierende fehlt. Beim Tag der freien Vergabe für Wohnheimsplätze übernachteten auch zu Beginn des Wintersemesters 2018/19 wieder zahlreiche Studis vor dem Studentenwerk Potsdam, um eines der letzten nicht-belegten Zimmer zu ergattern. Von Carolin Kulling.
Für die rund 3.000 Erstsemester, die sich jedes Jahr an der Universität Potsdam einschreiben, ist der Oktober stets eine aufregende Zeit. Das Studium beginnt, man lernt die neue Umgebung kennen und oft werden die ersten eigenen Wohnungen oder WG-Zimmer bezogen – so stellen es sich zumindest die Meisten vor. Dass sich die Wohnungssuche in einer so rasant wachsenden Stadt wie Potsdam nicht ganz einfach gestaltet, ist bekannt. Wie drastisch sich dieser Umstand allerdings auf einige Neu-Potsdamer auswirkt, zeigt der Tag der freien Vergabe des Studentenwerks Potsdam.
Für eine Wohnung übernachten die Studierenden vor dem Studentenwerk
Zu Beginn jedes Oktobers vergibt das Studentenwerk die letzten freien Wohnheimsplätze an Studierende, die noch immer kein Zimmer gefunden haben. Voraussetzungen sind: Die Interessierten müssen auf der Warteliste für die Wohnheime stehen und für die Vergabe in Frage kommen, die Kaution von 300 Euro bereithalten und vor allem früh da sein. Denn bei der Vergabe gilt das Prinzip first come, first serve. Wer zu spät kommt, hat hier keine Chance auf eine Wohnung. In diesem Jahr konnten gerade einmal 30 Wohnheimsplätze angeboten werden, zumeist WG- oder Doppelzimmer.
Eine der vielen Personen, die beim Tag der freien Vergabe auf einen Wohnheimsplatz hoffen, ist Julia. Die Jura-Studentin ist bereits im dritten Semester und kennt die belastende Wohnungssituation in Potsdam daher gut. Um bessere Chancen auf eines der begehrten Zimmer zu haben, kam sie bereits am Vortag um 19 Uhr in das Treppenhaus des Studentenwerks. Begleitet wird sie von ihrem besten Freund Maurice. „Wenn man hier lang rumsitzt, ist es nett Gesellschaft zu haben“, sagt sie. Beim Beginn der Wohnungsvergabe werden die beiden schon 13 Stunden lang gewartet haben. Darüber, dass nur 30 Plätze vergeben werden, ist sie enttäuscht. „Wir hätten damit gerechnet, dass mehr Wohnungen vergeben werden“, so Julia. Viele davon seien zudem Doppelzimmer und diese kämen für sie nicht in Frage.
Wohnheime sind zu 101 Prozent ausgelastet
Die Studierenden, die hier ganz vorne in der Schlange stehen, sind bereits seit 17 Uhr da und warten damit 15 Stunden im Flur des Bürogebäudes, um ein Zimmer zu ergattern. Rivalität um die begehrten Plätze herrscht nicht. Jeder der ankommt, trägt sich in eine Liste ein, die die Wartenden erstellt haben. So kann man sich auch mal die Beine vertreten oder die Toilette benutzen, ohne um seinen Platz fürchten zu müssen. Einige haben bereits ihre Einführungsveranstaltung besucht, aber immer noch keine Wohnung in Potsdam. Die Stimmung ist den Umständen entsprechend gut, es wird Bier getrunken und zusammen gescherzt. Alle, die hier übernachten, sind in der gleichen misslichen Lage, das wissen die Studis.
Die Zimmer des Studentenwerks Potsdam sind momentan nicht nur ausgelastet, sondern überlastet. Durch die Einführung von Doppelzimmern ist das Studentenwerk nicht mehr bei einer Belegung von 100 Prozent, sondern bei 101 Prozent, so die Sprecherin des Studentenwerks Josephine Kujau auf Anfrage der SpeakUP. In Brandenburg an der Havel und Wildau konnten selbst zum Tag der freien Vergabe keine Zimmer mehr angeboten werden. Dem gegenüber stehen circa 3.400 Personen, die Ende September auf der Warteliste für einen Wohnheimsplatz standen. Und trotz der vollen Auslastung: Die Plätze bedienen gerade einmal eine Versorgungsquote von 9 Prozent. Nicht einmal jeder zehnte Studierende kann ein Wohnheimszimmer beziehen. Als heute Morgen die ersten Mitarbeiter um 7 Uhr das Studentenwerk betreten, sind schätzungsweise 60 Studierende vor Ort, so Kujau. Von denen die um 8 Uhr da sind, kann nicht einmal jeder Zweite ein Zimmer bekommen.
Um auf den Wohnungsnotstand in Potsdam aufmerksam zu machen, wurde der Tag der freien Vergabe vom Aktionsbündnis „Unter Dach und Fach“ begleitet. Die Initiative setzt sich für mehr studentischen Wohnraum in Potsdam ein und hat dazu einen ganzen Forderungskatalog erstellt, in dem sie die Politik zum Handeln für bessere Bedingungen aufruft: mehr Investitionen vom Land, Festhalten an bestehenden Wohnheimen, eine flexible Darlehensaufnahme für das Studentenwerk uvm. „Unter Dach und Fach“ schenkte ab 6 Uhr morgens Kaffee und Tee an die Studis aus, die nachts vor dem Studentenwerk ausgeharrt haben. Anschließend wurde ein Protestcamp auf der Langen Brücke errichtet, von dem aus die Passanten über die missliche Wohnungslage für Studierende informiert wurden.
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