Mehr als nur ein Name – Folge 10: Der Willi-Frohwein-Platz

Bushaltestelle Am Findling/Willi-Frohwein-Platz (Foto: Julia Hennig)

Im zehnten und letzten Teil unserer Reihe „Mehr als nur ein Name“ über die Geschichte der Potsdamer Straßennamen stellen wir euch den Willi-Frohwein-Platz in Babelsberg vor. Das Besondere an dem Platz ist, dass er erst seit 2012 diesen Namen trägt. Damit erinnert die Stadt an Willi Frohwein, der als Überlebender von Auschwitz vielen jungen Menschen von den Verbrechen des Nationalsozialismus berichtete. Von Julia Hennig.

Im Vorbeifahren wirkt der Platz zunächst relativ unscheinbar, obwohl er durch seinen Namensgeber eine größere geschichtliche Bedeutung erhalten hat. Der Platz liegt im Bereich des Findlings an der Großbeerenstraße Einmündung Kopernikusstraße zwischen den Bahnhöfen Babelsberg und Medienstadt Babelsberg. An seinen Namensgeber erinnert nur eine Gedenktafel neben dem Wartehäuschen mit einer knappen Biografie.

Willi Frohwein: Von Spandau nach Ausschwitz

Gedenktafel mit einer knappen Biografie von Willi Frohwein (Foto: Julia Hennig)

„Von Spandau nach Ausschwitz“, so lautet der Titel einer Publikation der Jugendgeschichtswerkstatt Spandau, die mehrere Interviews mit Willi Frohwein führte. Er wurde im Jahr 1923 in Spandau geboren und wuchs in einer Arbeiter_innenfamilie mit drei Geschwistern auf. Seine Mutter war Katholikin, sein Vater war aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten, so dass die Ehe von der katholischen Kirche anerkannt werden konnte. Daher wurde er getauft, ging zur Kommunion und war bei den katholischen Pfadfinder_innen aktiv. Sein Leben als katholischer Junge endete, als er durch die Nürnberger Rassegesetze der Nationalsozialisten im Jahr 1935 zum „Halbjuden“ erklärt wurde. Hierdurch verlor er seine sozialen Kontakte und beruflichen Aufstiegschancen.

Zunächst konnte er dennoch bei einem Wäscher eine Lehre absolvieren. Er erhielt jedoch wegen den damaligen Gesetzen keinen Lehrabschluss. Ab dem Jahr 1942 musste er als Zwangsarbeiter in einem Spandauer Rüstungsbetrieb arbeiten, wo er den Entschluss fasste, aus Deutschland zu fliehen. Seine Flucht in die Schweiz scheiterte aber und er wurde über Umwege ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Hier überlebte er durch seinen Überlebenswillen und mehrere Zufälle.

So wurde er, nachdem er krank geworden war und auf den „Schonbau“ verlegt wurde, von einem Häftlingsschreiber zum Deutschen erklärt. Hierduch erhielt er mehr Rechte und Genehmigungen, die ihm beim Überleben halfen. Nach Kriegsende erfuhr er, dass er dies seiner Mutter verdankte, die an den Kommandanten von Auschwitz geschrieben hatte. In dem Brief erwähnte sie, dass ihr anderer Sohn im Feld wäre, wodurch Willi Frohwein zum „Reichsdeutschen“ erklärt wurde. Wegen dieser Angabe ging der Kommandant davon aus, dass Willi Frohwein ein Deutscher sein müsse. Seine Mutter hatte jedoch nicht erwähnt, dass ihr anderer Sohn in einem Strafbataillon der Wehrmacht war.

Das Leben nach dem Krieg

Willi Frohwein erlebte die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz nicht mehr mit, da er zuvor mit anderen Häftlingen auf den sogenannten Todesmarsch geschickt wurde. Erst am 1. Mai 1945 wurde er im Konzentrationslager Bergen-Belsen in die Freiheit entlassen. Nach dem Kriegsende bewarb er sich in Spandau als Kriminalkommissar, wo er abgelehnt wurde. Er vermutete, dass der Grund hierfür war, dass er im KZ gewesen war. Daraufhin bewarb er sich in Potsdam, wo neue Mitarbeitende ohne eine Nazivergangenheit gesucht wurden. Er wurde angenommen und zog daher nach Potsdam.

In Potsdam lernte er seine Frau Waltraud kennen, mit der er zwei Kinder bekam. Weil ihm seine Dienststelle im Jahr 1952 aufgrund seines Berufs als Polizist verbot, weiterhin zu seiner Familie nach Westberlin zu fahren, ging er mit 29 Jahren in Rente. Anschließend betätigte er sich ausschließlich ehrenamtlich und konnte als Rentner seine Familie in Spandau besuchen. Im Jahr 1966 sagte er als Zeuge im Prozess gegen den Lagerarzt Horst Fischer aus, der ihn im Konzentrationslager Auschwitz zweimal selektiert hatte.

Engagement als Zeitzeuge

Gedenktafel für Willi Frohwein am gleichnamigen Platz (Foto: Julia Hennig)

Seine Familie wollte Willi Frohwein nie mit seinen furchtbaren Erfahrungen belasten. Daher wollte er, als seine Frau noch lebte, nicht so viel darüber reden. In seinem letzten Lebensabschnitt sprach er dennoch als Witwer vor vielen Jugendlichen über seine Erlebnisse. Sein Ziel bestand darin, die Jugendlichen zu sensibilisieren, damit sich die Ereignisse nicht mehr wiederholen. Einen kleinen Eindruck von seiner Arbeit erhaltet ihr in diesem Dokumentarfilm.

Willi Frohwein verstarb am 12. Dezember 2009 in Potsdam, wo er in der Nähe seiner beiden Kinder in Babelsberg wohnte. Anlässlich seines 89. Geburtstages am 27. März 2012 wurde der bisher namenlose Platz nach ihm benannt. Damit wird nicht nur sein Engagement als Zeitzeuge, sondern auch das von allen Überlebenden von Auschwitz geehrt.

Mit unserer Reihe „Mehr als nur ein Name“ wollten wir euch einen kleinen Einblick in die Geschichte der Potsdamer Straßennamen geben. An den Straßennamen wird auch immer der Umgang der Gesellschaft mit der eigenen Geschichte deutlich, wie aktuelle Debatten um die Umbenennung der Namen zeigen. Ich habe dabei vor allem gelernt, dass es sich immer lohnt, einmal genauer hinzuschauen und nach den geschichtlichen Hintergründen zu fragen. Alle bisherigen Artikel der Reihe „Mehr als nur ein Name“ findet ihr hier.

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