Die Landtagswahl liegt nun mehr als ein halbes Jahr zurück. Eigentlich standen die Abgeordneten somit bereits im September fest. Nach der Bildung der rot-schwarz-grünen Regierung rückten jedoch drei neue Abgeordnete für zwei Minister_innen und einen Staatssekretär nach, darunter Ricarda Budke. Sie meistert gleich eine doppelte Herausforderung: Politik und Studium. Wir haben sie nach ihrer Motivation und ihren Erfahrungen gefragt. Von Julia Hennig.
1) Was studierst du und in welchem Semester?
Ich studiere Stadt- und Regionalplanung an der BTU Cottbus-Senftenberg und komme jetzt ins 4. Bachelor-Semester.
2) Deine Motivation: Hast du dich schon vorher (hochschul-)politisch engagiert? Wie kamst du auf die Idee, für den Landtag zu kandidieren?
Ich habe ungefähr mit 15 Jahren begonnen, mich politisch zu engagieren. Ich war jahrelang im Vorstand der Grünen Jugend Brandenburg, der Jugendorganisation von Bündnis 90/Die Grünen, habe mich bei verschiedenen Volksinitiativen engagiert und in der Geflüchtetenhilfe. Hochschulpolitisch habe ich mich leider nie so richtig engagiert, lediglich einmal einen Antrag bei der Fachschaftsversammlung gestellt.
Für mehr reichte die Zeit neben dem Studium und vielem anderen ehrenamtlichen Engagement nicht. Aber manche Stellschrauben kann man nicht ehrenamtlich, sondern nur im Parlament bewegen. Deswegen habe ich mich entschieden, zu kandidieren. Und weil in unseren Parlamenten echt junge Leute fehlen.
3) Junge Menschen in der Politik: Wie möchtest du die junge und studentische Perspektive in die Landtagspolitik einbringen?
Ich bin zehn Jahre nach der politischen Wende geboren, im „digitalen“ Zeitalter aufgewachsen und studiere neben dem Abgeordnetendasein noch. Da kann man gar nicht abstellen, dass man auf manche Dinge eine andere Sicht hat. Das merke ich bei echt vielen Sachen: Gerade viele jüngere Menschen wollen nicht vom Auto abhängig sein, dafür überall Netz haben.
Für uns ist die Eindämmung der Klimakrise relevanter, und wir werden noch sehr lange Wege finden müssen, mit ihren Folgen zu leben. Und nicht zuletzt: Kultur besteht nicht nur aus Barberini und Opern. Auch Clubs, Bars oder Subkulturen haben Unterstützung der Politik verdient. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass Gesetze und Beschlüsse auch dahingehend zukunftsfähig sind.
4) Verbindung von Studium und Politik: Wie verbindest du dein Studium mit deiner politischen Arbeit? Erhältst du hier Unterstützung, z.B. von deiner Hochschule?
Ich bin ja erst seit ca. zwei Monaten Abgeordnete im Brandenburger Landtag. Das letzte Semester habe ich parallel dazu noch regulär beendet. Jetzt ist ja gerade zum Glück erstmal vorlesungsfreie Zeit [Anm. d. Red. – das Interview mit Ricarda Budke wurde Anfang März 2020 geführt] – danach versuche ich mein Studium reduziert weiterzuführen. Ich will keine Sonderbehandlung, nur weil ich „Politikerin“ bin. Aber ich bin schon mit der Uni im Gespräch, wie man Lösungen für besondere Probleme finden kann – wenn ich z.B. Plenarsitzungen habe, kann ich ja schlecht an einer Prüfung teilnehmen.
5) Der Weg in die Politik: Was würdest du Studierenden raten, die eine Karriere in der Politik als Abgeordnete_r oder Mitarbeiter_in anstreben?
Man sollte nie etwas machen, hinter dem man nicht ernsthaft steht! Ich habe angefangen, mich politisch zu engagieren, weil ich Dinge verändern wollte. Lange fand ich Berufspolitik sehr abschreckend. Dass ich jetzt hauptberuflich Politik mache, ist eine Mischung aus wirklich viel Veränderungslust, langem Ehrenamt, ein bisschen Zufall und Glück und einer Menge Leute, die mich unterstützt haben. Wenn man dann Abgeordnete ist, treten Privatleben und Freizeit in den Hintergrund.
Man ist quasi immer im Dienst. Wenn man im Urlaub ist und es passiert irgendwas, muss man erreichbar sein. Und von „nur“ 40 Stunden arbeiten in der Woche, kann man auch nur träumen. Darüber sollte man sich auf jeden Fall bewusst sein! Trotzdem ist es ein wirklich tolles Privileg, Einfluss auf so viele Sachen haben zu können und ein bisschen was von dieser Welt mitgestalten zu dürfen! Ich denke, das sollte die Motivation sein und nicht der Berufswunsch „Politiker*in“. Mitarbeiter*innen können natürlich etwas entspannter Urlaub machen. Dafür sind sie aber auch daran gebunden, was die Abgeordneten so vorhaben und für Aufgaben geben.
In beiden Fällen gilt aber auch: Man braucht ein echt dickes Fell. Gerade als Frau und Person, die dem linken Spektrum angehört, muss man sich einiges anhören. Beleidigungen aufgrund des Aussehens, Vergewaltigungswünsche oder Morddrohungen sind – leider – Alltag. Aber: Dagegen hilft auch nur, sich nicht mundtot zu machen und weiter die Stimme zu erheben!