Make News Not War. Vom Thementag über den Friedensjournalismus – Teil 1

Medien beeinflussen unser Denken und Handeln. (Foto: Pixabay)

Habt Ihr Euch schon mal Gedanken darüber gemacht, wie Krieg entsteht? Bis vor Kurzem habe ich noch gedacht, es geht immer nur um reiche Menschen, die einen Teil eines anderen Landes haben wollen, oder einfach nur um Macht und Stolz-Streitigkeiten. Aber immer gab es dabei nur die beiden Parteien, die miteinander Krieg führen. Aber was wäre, wenn jedes andere Land auch Einfluss darauf nimmt, und zwar einzig und allein mit seiner Art der Berichterstattung? Was wäre, wenn unsere Medien einen Krieg mitprovozieren? Und was wäre, wenn wir Krieg dadurch zu Frieden umwandeln könnten? Solche Gedanken wurden in mir angeregt, nachdem ich den Thementag „MakeNewsNotWar – Der Friedensjournalismus im Gespräch“ an der FH Potsdam besucht habe. Ein (bewegter) Bericht von Jana Voldman.

„Make News Not War“ war der Titel des Thementags über den Friedensjournalismus. (Foto: Marianne Max)

Am Freitag, dem 21. Februar, war ich mit meiner Redaktionskollegin Marianne auf einem studentisch organisierten Thementag der FH Potsdam über Friedensjournalismus. Eigentlich wusste ich selbst nicht so genau, was ich da wollte. Ich studiere Jüdische Studien. Aber in den letzten Wochen entdecke ich immer mehr und mehr meine Liebe zum Schreiben wieder. Und damit auch zum Journalismus, an den ich mich nie so richtig herangetraut habe.

Ich habe immer gedacht, es gäbe einfach kein Thema, über das ich genug Informationen habe, um mich zu trauen, es zu veröffentlichen. Dabei habe ich jedoch immer nur an politische, wirtschaftliche oder wissenschaftliche Themen gedacht. Immer mehr glaube ich, dass es an Meinungen und persönlichen Bewertungen auf dem Schreibmarkt fehlt, die eben nicht nur zum Kaufen anregen sollen.

Ich glaube, dass geschriebene Inhalte über Politik und Co. häufig subjektiv und von dem eigenen Bild gefärbt sind. Aber eben nicht eindeutig. Das heißt, ein Charakter X mit einer (politischen) Meinung Y bewirbt sich bei einer Zeitung Z, die entweder mit der Richtung des_derjenigen übereinstimmt oder (aus verschiedenen Gründen) eben nicht. Schlussendlich schreibt dieser Charakter dann „seine“ objektive Meinung. Ob das dann überprüft wird und wer dies wiederum macht, kann ich nicht einschätzen.

Die Macht der Medien

Zurück zum Friedensjournalismus. Ich habe in den letzten Jahren immer mehr gemerkt, dass ich ziemlich stark vor Medien zurückschrecke, einfach weil ich nicht weiß, woher die Quellen stammen, auf die ein jeder Schreibcharakter Bezug nimmt, und welche er eben nicht berücksichtigen will oder seitens seiner Zeitung einbringen soll. Ich merke auch, wie viel Macht das Ganze über mich, meine Stimmung und mein Welt- und Menschenbild hat. Und dieser Macht möchte ich mich nicht aussetzen.

Ich glaube nämlich, dass die Medien heutzutage, selbst die seriösesten, oft in einer negativ geprägten, kritisch-pessimistischen Perspektive schreiben. Und diese Perspektive nehmen wir allein aus menschlicher Empathie irgendwann doch auch ein.

Mir fehlt es an einer ehrlichen, persönlichen Haltung und dem offenen Ausdruck dieser, einer Demut vor der offensichtlichen Erkenntnis, dass man eben nie genug Informationen haben kann, um in Extremen schreiben zu dürfen. Gleichzeitig fehlte es mir an einer Hoffnung auf eine Methode oder ein Instrument, womit ich zumindest eine Möglichkeit sehen würde, dem Journalismus allgemein wieder Vertrauen schenken zu können. Und dieser Ansatz heißt seit dem Thementag Friedensjournalismus!

Wir haben in den Vorträgen viel darüber gehört, wie sehr wir eigentlich alle durch aggressive, verfälschte oder angstmachende Texte und andere Medienberichterstattungen immer wieder manipuliert werden. Diese Manipulation ist emotional bedingt. Wir empfinden Angst. Und weil Angst so eine starke Emotion für die meisten von uns ist, lassen wir uns davon stark lenken.

Doch wie beeinflusst uns das eigentlich in unserem Alltag? Naja, vielleicht bin ich schneller ausländerfeindlich, je häufiger ich die Betonung der Medien verschiedener Herkünfte von Täter_innen höre, anstatt dass entweder auch das „Deutschsein“ erwähnenswert ist oder eigentlich die Herkunft, vielleicht sogar „nur“ die ausländischen Wurzeln der Eltern gar keine Beachtung finden sollten, wenn es grundsätzlich um eine Straftat geht. So wie man selten erwähnt, wie viel diese Person gewogen hat oder welche Hobbies sie hatte, ist der „Hintergrund“ vielleicht auch gar nicht so wichtig?!

Doch kann Friedensjournalismus schon so früh ansetzen und vielleicht sogar individuelle Vorurteile beeinflussen?

Fakten über den Friedensjournalismus

Infostand mit Inspirationen und Organisationen (Foto: Marianne Max)

Was ist Friedensjournalismus überhaupt? Aus meiner Erinnerung heraus würde ich Friedensjournalismus als ein Bestreben definieren, deeskalierend auf politische Situationen zu reagieren. Hier kommen mal die vier wichtigsten Anforderungen an den Friedensjournalismus von Herr Braun, dem Co-Präsidenten des Internationalen Friedensbüros in Berlin, und einer der Sprechenden an diesem Tag:

  1. Friedensjournalismus untersucht die Entstehung eines Konfliktes und mögliche Lösungsansätze.
  2. Es kommen alle Seiten zu Wort ohne ein Gut und Böse.
  3. Aggressor_innen werden gleichermaßen thematisiert wie Opfer.
  4. Friedensjournalismus setzt früh ein und vermittelt zwischen den Parteien.

Nun denke ich bei Friedensjournalismus auch nicht immer nur an die Spitze während eines Krieges, sondern insgesamt eher an die Gesellschaft und das gemeinsame Leben auch während Zeiten ohne Krieg. Ich denke aber auch an das Parallelleben von verschiedenen Ländern und Kontinenten, sowie an unsere Fürsorge auch für Menschen, die nicht in unserem direkten Umfeld sind. So habe ich die Hoffnung, dass Friedensjournalismus vielleicht eher verbinden könnte, indem er einfach verschiedene Seiten und auch verschiedene Meinungen nebeneinander stehen lassen kann. Vielleicht könnte er auch versuchen, Kompromisse oder sogar gemeinsame Lösungen zu finden. Aber vor allem ist er immer auf der Seite der Opfer, auf der Seite der Schwächeren.

In die Praxis

Wie lässt sich nun Friedensjournalismus tatsächlich in die Praxis umsetzen? Herr Braun benennt diesbezüglich acht Schritte:

  1. Gründliche Recherche mit genügend Skepsis
  2. Quellenvielfalt
  3. Meinungsvielfalt
  4. Hintergrundrecherche und Ursachenforschung
  5. Transparenz des Journalismusprozesses
  6. Versuch, Komplexität zu reduzieren, ohne wichtige Fakten (die Wahrheit) auszulassen
  7. Kritischer Sprachgebrauch
  8. Förderung von Friedensinitiativen

Insgesamt gilt auch, dass Feindbildkonstruktionen vermieden werden sollen. Die Objektivität bleibt das Ideal.

Ein Zitat, was ich von Herr Braun mitgeschrieben habe, lautet: „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.“ Das hat mich sehr berührt. Denn sobald Texte bzw. deren Schreibcharaktere dramatisieren, über- oder untertreiben, lügen sie auch. Und das ist wahrscheinlich der größte Gegner des Friedensjournalismus: Der gute alte Kapitalismus. Schließlich verkauft sich, was uns triggert. Deswegen bin ich im Herzen davon überzeugt, dass wir erst einmal auch unsere Gefühle prinzipiell aufräumen müssen, bevor wir uns auf solch eine Art von Texten einlassen können. Unser Blick muss frei und offen sein, aber auch kritisch, also nicht alles anzunehmen, was uns vorgesetzt wird.

Herr Braun war der Meinung, in diesem Kontext spiegeln soziale Medien die Gesellschaft wider, und zwar in all ihrer Ambivalenz. Offensichtlich ist hier Vorsicht und ein kritisches Auge beim Lesen oder Bilderanschauen geboten, nicht nur bei Fake News.

Was der Friedensjournalismus noch gebrauchen kann

Nun kann man dem Friedensjournalismus nicht allein die Verantwortung geben, die Welt zu retten und überall für Frieden zu sorgen. So wurde in den Vorträgen auch von anderen, parallel funktionierenden Instrumenten gesprochen, die ebenfalls einen Teil zu einer friedlicheren Welt beisteuern können.

Friedensfotografie wirkt so wie alle anderen Fotos auf Instagram und Co. (Foto: Pixabay)

Die Friedensfotografie wurde nur kurz angeschnitten am Thementag, aber dieser Begriff ist doch stark in meinem Kopf hängen geblieben. Friedensfotografie: Wie einfach, wie wirksam! Das, was Schreiben kann, kann Fotografieren noch schneller. Was mich also berührt, wenn ich einen Artikel mit vielleicht mehreren Seiten lese, erschüttert mich in einer Millisekunde, wenn ich es als Bild anschaue, und glaube ich unmittelbar, wenn ich es als Video sehe.

Für die Nachhaltigkeit des Friedensjournalismus ist die Prävention unabdingbar. Dazu zählen die Friedenswissenschaft für die Profession und die Friedenspädagogik (inkl. gewaltfreie Kommunikation, Konfliktmanagement und Mediation) schon für Kleinkinder. Und welche Medien prägen letztere? Die erste Kinderliteratur und später Schulbücher. Und nach welchen Maßstäben und Werten werden Kinder erzogen? Meiner Meinung nach heutzutage meistens nach eigenem Befinden und dementsprechend psychischer Kapazität, sich auf Konflikte überhaupt auf Augenhöhe einzulassen. Immerhin ist es, gerade bei Kindern, viel einfacher über sie zu bestimmen, sie zu zwingen, sich zu entschuldigen oder sie einfach zu bestrafen. Spart Zeit, Gefühle und Bindung(sarbeit).

Die nachhaltigere Variante wäre aber vielleicht, Kindern Selbstliebe und Orientierung mitzugeben, damit sie überhaupt Lust haben und das Positive darin sehen, mit anderen zusammenzuarbeiten, statt sie auszugrenzen oder sich selbst immer nur als Opfer von allem zu sehen. Dafür brauchen sie Empathie und müssen lernen, die Wirkung ihres Verhaltens auf andere Menschen mit einzuplanen.

Was kannst Du tun?

Herr Braun empfiehlt daher zum einen, sich als Vertreter_in des Friedensjournalismus an kleinere Organisationen mit der gleichen Haltung zu wenden und dort zu veröffentlichen. Vor allem spricht er sich nämlich dafür aus, sich gemeinsam zu organisieren, anstatt allein mit dem Frieden am Strang zu ziehen. In meiner rebellischen Seele fühle ich mich aber auch ein bisschen unterfordert mit diesen watteartigen Vorstellungen. Wie geil wäre es bitteschön, auch in größeren Zeitungen und Magazinen so einen Schreibcharakter zu vertreten und vielleicht nicht nur durchs Schreiben, sondern auch durchs Sprechen darüber Kolleg_innen der Redaktion zu überzeugen? Menschen davon zu überzeugen, wie viel Macht auch Friedensjournalismus (als Gegenstück zu den meisten anderen Schreibarten) innehat und wie viele Menschen davon profitieren würden, in einer angstfreieren Welt zu leben, die mehr und friedlichere Lösungsversuche bietet, als wir sie jetzt lesen. Es klingt so banal, und das ist es auch.

Wieviel können wir als Unbeteiligte zum Frieden beitragen? (Foto: Pixabay)

Ich habe für mich mitgenommen, dass meine journalistische Zukunft nur so ehrlich wie möglich sein kann. Gleichzeitig möchte ich Raum für meine eigene Haltung darin haben. Vielleicht sind genau jene Kompromisse und möglichen Lösungen ein Raum dafür. Denn Friedensjournalismus ist nicht neutral. Er ist parteilich für den Frieden.

Im 2. Teil findet ihr ein Interview mit einer der Initiatorinnen des Thementages.

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