Die Schreibberatung: Alles eine Frage des (Schreib-)Stils?

Essays, Protokolle und Hausarbeiten – die Fristen rücken immer näher. Und damit wird es Zeit, sich  der Fragestellung, Literaturrecherche und der Gliederung zu widmen. Doch Panik ist fehl am Patz. Die Schreibberatung an der Universität Potsdam bietet Abhilfe mit individuellen Beratungsstunden, Workshops und Schreibgruppen. Katharina Golze hat das Team zum Interview getroffen.

Jeder kennt sie: Die Suche nach der Motivation, endlich anzufangen – insbesondere wenn die vielen Klausuren Ende Februar überstanden sind und man doch eigentlich in die Ferien starten möchte. Dennoch haben die meisten Hausarbeiten, Response Papers oder Essays eine Deadline, und das ist oftmals der 31. März. Andere sitzen derzeit an ihren Bachelor-, Master- oder Promotionsarbeiten und fiebern der Abgabefrist entgegen. Es wird also Zeit, Schreibblockaden zu überwinden und die Fragestellung zu konkretisieren.

Dafür findet ihr Hilfe bei der Schreibberatung der Universität Potsdam. Das dreiköpfige Team, um die beiden Studentinnen Eliah Aila Wolff und Roxana Lepadus sowie Geeske Strecker, Leiterin des Selbstlernbereiches des Zentrums für Sprachen und Schlüsselkompetenzen (Zessko), bieten individuelle Beratungen und Workshops an, um Studierende bei ihrem Schreibprozess zu unterstützen. Seit 2012 existiert das ganzjährige Angebot. Beratungen finden wöchentlich zu acht Terminen an allen drei Campi statt. In den Semesterferien werden zudem die folgenden Workshops angeboten: Themenfindung & Fragestellung, Gliederung konzipieren, Schreibtechniken, Überarbeiten, Kreativ wissenschaftlich Schreiben sowie Schreibgruppengründungstreffen. Seit 2016 gibt es außerdem ein englischsprachiges Writing Assistance, welches nicht nur von Anglistikstudierende genutzt wird, sondern für Student_innen aller Fakultäten offen ist.

Ausgebildet wurden die Schreibberaterinnen an der Europa-Universität Viadrina. In Modulen wie „Wissenschaftliche Arbeiten schreiben Schritt für Schritt“ haben sie verschiedene Methoden und Strategien kennengelernt, um euch beim erfolgreichen Schreiben von (Abschluss-)Arbeiten zu helfen. Im Interview erklären sie, wie man Schreibschwierigkeiten überwindet, inwiefern eine Schreibgruppe die Motivation steigert und wie man mittels Freewriting ein Thema eingrenzt. Mit diesen Tipps seid ihr für Hausarbeiten und Erasmus-Bewerbungen gewappnet.

Was ist die Schreibberatung?

Geeske: Das Ziel ist es, dass wir Studierende aller Fakultäten, beim Schreiben von wissenschaftlichen Arbeiten unterstützen und dass wir sie dadurch zu besseren und vielleicht auch freudvolleren Schreiber_innen machen. Wir wollen Hilfe zur Selbsthilfe geben. Das heißt, dass die Beratung nicht nur auf einen Text abzielt, sondern dass das Wissen auch bei anderen Schreibaufgaben hilft.

Die  Schreibberatung ist eine gute flankierende Maßnahme zu Tutorien und Lehrveranstaltungen, weil sich viele Probleme erst beim Tun ergeben. Das ist das Ziel, dass die Studierenden immer einen Ansprechpartner haben, der nicht derjenige ist, der sie bewertet, sodass sie sich trauen, Fragen zu stellen.

Roxana: Wir möchten, dass sie sich auch selbst bestärkter sehen. Ich höre oft sowas wie ‘Ich weiß nicht, ob das gut genug ist’ oder  ‘Ich weiß nicht, ob das das ist, was der Dozent lesen möchte’. Aber du bist der Autor deines Textes, so wie du dich informiert hast. Wir geben dann Feedback oder gestalten den Textaufbau gemeinsam.

Geeske: Viele denken, sie können erst mit einem fertigen Text zu uns kommen, aber wir möchten Ansprechpartner in allen Phasen des Schreibprozesses sein. Von der ersten Idee über Feedback zu Stilfragen oder zum Aufbau.

Wer kommt in die Schreibberatung? Übermotivierte oder Verplante?

Roxana: Es sind solche und solche. Es gibt manche, die sich erst einmal informieren wollen oder die einen Zeitplan erstellen möchten. Es gibt auch diejenigen, die kurz bevor die Luft brennt, kommen. Es kommen auch Studierende, die in ihrem Studium noch nie etwas schreiben mussten und jetzt an der Bachelorarbeit sitzen.

Geeske: Oft hat man den Eindruck, das sind intelligente Studierende, bei denen es aber an irgendeiner Stelle hakt: Entweder haben sie zu hohe Ansprüche an sich oder sie haben eine andere Erstsprache. Eine Gruppe sind auch Erstis, die von Anfang an alles richtig machen wollen. Diesen vermitteln wir dann, dass man mit dem Schreiben lernen geduldig sein muss.

Roxana: Denn es kommt auf den Prozess an und nicht auf das Produkt. Man schreibt nicht nur,  um die Arbeit dann abzugeben. Vorher müssen verschiedene Schreibprozesse durchlaufen werden.

Geeske: Dabei hilft es, die Methoden mit einem gegenüber zu besprechen.

Langzeittäter_innen oder nur kurze Besucher_innen?

Geeske: Die meisten kommen öfter. Das kann sich auf eine Arbeit oder auch auf verschiedene Schreibprojekte beziehen. Dann gibt es auch welche, die mit ganz speziellen Fragen kommen, welche sich in einer Einzelstunde klären lassen.

Roxana: Bei Personen, die sich das erste Mal anmelden, sind beide Seiten aufgeregt, was einen erwartet. Mittlerweile begleite ich aber auch ein paar Ratsuchende über einen längeren Zeitraum. Das ist sehr spannend, weil man dann den ganzen Prozess sieht, der auch einmal stagnieren kann oder nicht immer reibungslos vor sich geht. Aber ich weiß, wer auf mich wartet und auf wen ich warte.

Aber was bringt mir die Schreibberatung, was ich allein nicht schaffen kann?

Roxana: Man lernt, sich auszutauschen. Man tauscht  sich zwar mit Freunden und Familie aus, aber oftmals sind das nicht die richtigen Räume oder das Ambiente, um über seine Arbeit zu reden. Viele fühlen sich dann allein gelassen. In der Schreibberatung wissen sie, sie können frei sprechen und jemandem ihr Konzept erklären.

Geeske: Schreiben lernt man durch Schreiben und durch Feedback.  Dafür haben viele Dozent_innen keine Zeit.  Ich erinnere mich an jemanden, der durch die Bachelorarbeit gefallen ist, weil er aufgrund fehlenden Feedbacks nie richtig zitieren gelernt hat. Gemeinsam haben wir uns dann angesehen, wie und warum man zitiert.

Vorgeprägt von Klassenarbeiten und Aufsätzen aus Schulzeiten: Kann man besser schreiben lernen?

Geeske: Es geht ja nicht nur um Stilfragen. Methodisch lernen kann jeder. In vielen Tutorien ist nicht genug Zeit für Themen wie ‚Wie formuliere ich eine Fragestellung‘.

Eliah: Die Sache ist, eine eigene Schreibstimme zu finden. In das Spannungsfeld  ‚Es gibt etwas, das mich interessiert und wozu ich wissenschaftlich arbeiten möchte‘ und ‚Es gibt bestimmte Standards, die in der eigenen Disziplin zu erfüllen sind‘ kommen Fragen des kreativen Schreibens mit hinein.  Es ist wichtig, dass man sich bewusst macht, wie und zu welchem Erkenntnisziel man schreibt – denn Schreiben ist oft eine Auseinandersetzung mit der eigenen Disziplin und Studienmotivation.

Geeske: Mit Stil ist nicht nur der Ausdruck gemeint, sondern auch die Art, wie man schreibt.  Besser als sogenannte Geheimtipps zu lesen – die oft sowieso nicht zum eigenen Schreibstil passen – ist der Austausch mit anderen, von denen man lernt, dass man nicht zwangsläufig zuerst eine Gliederung braucht, um mit dem Hauptteil anzufangen.

Roxana: Es ist schade, dass von Dozent_innen oft Gliederungen im Voraus gefordert werden.

Eliah: Hier kann die Universität noch inklusiver werden, indem sie die verschiedenen Schreibtypen besser wahrnimmt. Wenn jemand direkt mit dem Schreiben anfängt und die Gliederung erst später einreicht, passt das nicht zu den Standards der Dozenten, würde aber die Arbeit und vermutlich auch die Note erheblich verbessern.

Habt ihr konkrete Ratschläge, um eine bessere Arbeit abzugeben?

Geeske:  Wenn jemand ein nicht so gutes Produkt abgibt, kann das zum Beispiel am Zeitdruck liegen. Hier sollte man ihm alle Arbeitsschritte aufzeigen und besprechen, bis wann er Zeit hat und wann er anfangen muss. Wenn jemand sagt, sein Schreibstil sei umgangssprachlich, da würde ich raten, Texte aktiv zu lesen und sich dort wissenschaftliche Formulierungen zu markieren. Je nachdem welches Problem vorliegt und wie dieses zustande gekommen ist, gibt es eine andere Herangehensweise.

Roxana: Ich finde es hilfreich, wenn Studierende beim Korrektur lesen einen Fokus setzen.

Und wenn es doch zu einem Motivationstief kommt: Wie rettet man sich vor Schreibblockaden oder –krisen?

Geeske: Wenn jemand eine Blockade hat, ist oft ein Psychologe gefragt. Aber wir können Studierenden helfen, die große Schwierigkeiten haben – zum Beispiel Probleme ins Schreiben zu kommen und beim Schreiben zu bleiben. Wenn sie sich nicht motivieren können, ist es oft hilfreich, eine Deadline mit dem Dozenten auszumachen. Manchen hilft es auch, den großen Prozess in kleine Schritte zu unterteilen oder sich für jeden Schritt eine extra Deadline zusetzen. Viele sagen, dass die Promodoro-Technik hilfreich sei. Das heißt, dass man Schreib- und Pausenzeiten plant. Zum Beispiel, dass man 25 Minuten schreibt und dann 5 Minuten Pause macht. Hier können auch Mantra helfen, wie zum Beispiel ‚Der Erfolg ist, wenn ich die Arbeit abgebe und nicht die Note‘ oder ‚Lieber kleine Brötchen backen und die knackig‘. Es soll ein Merksatz sein, den sich der Ratsuchende vorsagen kann, wenn er zu seinem Schreibproblem zurückkommt. Bei anderen hilft auch sanfter Druck in Schreibgruppen.

Was kann man sich unter Schreibgruppen vorstellen?

Geeske: Mit Schreibgruppe ist nicht gemeint, dass man gemeinsam schreibt.

Eiliah: Es geht eher darum zu gucken, was die nächsten Ziele im nächsten Monat oder im nächsten halben Jahr sind und sich dann zu treffen, um darüber zu sprechen, wo man gerade steht. Dadurch dass alle an einem ähnlichen Punkt stehen, ist auch die Hemmschwelle geringer über Schwierigkeiten zu sprechen. Es wird die emotionale Seite des Schreibens aufgefangen, zum Beispiel geben sich die Studierenden Trost oder bestärken sich gegenseitig.  Es geht auch darum, sich wertschätzendes Feedback –  denn positives Feedback ist bestärkendes Feedback – und konstruktive Kritik zu geben.

Geeske: Für das Feedback ist es oft gut, wenn auch ein Fachfremder auf die Arbeit sieht.

Um ein Thema einzugrenzen, empfehlt ihr die Methode Freewriting. Was ist das?

Roxana: Du nimmst dir ein Blatt Papier vor und schreibst auf, was dir gerade durch den Kopf geht. Dabei wird nichts zensiert, grammatikalisch oder orthografisch. Damit soll der Schreibprozess initiiert werden, denn du greifst schon einmal zum Stift oder zum Laptop.  Besonders Leute, die viele Gedanken und Ideen im Kopf haben, erfahren dadurch eine Erleichterung.

Geeske: Das kann man als Schreibstaffel machen: Man schreibt, liest sich das Geschriebene durch und bildet daraus einen Kernsatz, zu diesem schreibt man wieder etwas auf. Dadurch kann man sich ein Thema bewusst machen und sich ihm annähern.

Roxana: Man erkennt Ideen, die zwar gut in den Text hineinpassen, aber nicht unbedingt relevant sind. Viele sind damit überfordert, was wichtig ist und was nicht. Etwas bewusst auszusortieren, kann dann sehr hilfreich sein – sowohl im Alltag als auch im Schreibprozess.

Neben Hausarbeiten stehen auch derzeit Bewerbungen für Pratika oder Auslandssemester an. Was macht ein gutes Motivationsschreiben aus?

Roxana: Wir empfehlen, dass das Motivationsschreiben nicht mit uns entsteht, sondern dass sich der Student_in mit seiner eigenen Motivation vorher auseinandersetzt: Warum möchte ich das Stipendium oder Praktikum bekommen? Das Wichtige ist, vom Allgemeinen ins Detail zu kommen. Zum Beispiel, sollte man bei einer Auslandsbewerbung auch kulturelle Aspekte mit einfließen lassen. Man sollte auch seine Motivation gut erklären und konkretisieren, indem man sagt ‚Meine Ziele sind …‘.

Geeske: Bei Vielen gehen ihre Qualitäten hinter leeren Floskeln unter – sie schreiben, sie seien teamfähig und flexibel und belegen das aber nicht mit den eigenen Erfahrungen. Wir raten ihnen dann, welche Eigenschaften sie stark machen sollten.

Roxana: Das stimmt. Begründungen sind wichtig.

Geeske: Aber man sollte bedenken: Für jede Textsorte braucht man Übung.

Vielen Dank für das Gespräch!

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