Neues aus der Mensa – Bahnabenteuer

Unsere neue Kolumne „Neues aus der Mensa“ soll einmal im Monat erscheinen und kann über alles handeln, was man so an einem typischen Mensatisch zu hören bekommt. Egal ob witzige Geschichten oder interessante Fakten, wir wollen mit einem Augenzwinkern Kommentare zum Leben an der Uni schreiben. Also schnappt euch euren Teller an der Ausgabe, sucht euch ein lauschiges Plätzchen und habt Spaß beim Lesen!


Bahnfahren in Deutschland ist eine faszinierende Erfahrung und das nicht erst seit der Einführung des Deutschlandtickets. Jede Fahrt produziert unzählige Geschichten und gleicht oft mehr einem Abenteuer. Damit herzlich willkommen zur ersten Ausgabe unserer neuen Kolumne „Neues aus der Mensa“. Heute erzählt unser Autor Leo Anekdoten von seinen täglichen Abenteuern beim Bahnfahren. Von Leo Walther

Bahnfahren ist faszinierend. Hunderte Menschen in einer langen Metallröhre mit utilitaristischer Einrichtung; dazu blindes Vertrauen auf Lokführer und Deutsche Bahn, welches nur durch Push-Benachrichtigungen des DB Navigators ab und an bestärkt wird, machen eine Reise auf Schienen in Deutschland zu einem ähhh… sagen wir mal mitreisenden Erlebnis. So verwundert es nicht, dass mindestens ein Viertel der Geschichten, welche während der regelmäßigen Mensa-Meetings zum besten gegeben werden, in Zügen spielen. Nicht selten sind es die unterhaltsamsten Storys. Die Menge an Bahnfahr-Anekdoten, die im Umlauf sind, beinhalten mehr als pures Entertainment für die Zuhörer:innen. Sie sagen viel über den:die Erzähler:in, aber, wenig überraschend, noch mehr über unsere Gesellschaft aus. Die Komprimierung so vieler Individuen über lange Zeit an einem sehr beengten Ort, macht das Bahnfahren zu einem Brennglas, auf welchem sich gesellschaftliche Unterschiede manchmal verfrüht deutlich fokussieren. Das trifft umso mehr seit der Einführung des 49-Euro-Tickets 2022 und auf die drei Monate 9-Euro-Ticket 2021 zu, da nun ein noch größerer Querschnitt der deutschen Bevölkerung das Regionalbahn-Angebot nutzen.

Unvergessliche Zugbekanntschaften

Ich fahre regelmäßig lange Strecken mit den Regios, am häufigsten mit dem RE3 nach Stralsund. Diese 3-stündige Fahrt ist immer ein Abenteuer, da der Zug häufig überfüllt ist. Da sind einerseits die Pendler:innen, welche vom Berliner Hauptbahnhof den Richtung Norden nach Bernau und Eberswalde fahren. Sie sind an ihrem leichten Gepäck und den halbleeren Bierflaschen zu erkennen. Glücklicherweise steigen die meisten nach einer halben Stunde aus und das Gedränge nimmt etwas ab. Zurück bleibt eine große Zahl an Tourist:innen und eine kleinere Menge von Einwohner:innen der 23(!) vom RE3 angefahrenen Halte. In dieser Zusammensetzung fährt man dann zweieinhalb Stunden bis Züssow (dort ist der Umsteigepunkt für alle die nach Usedom wollen), in den Orten vorher steigen kaum Leute ein oder aus. Die Tourist:innen fallen immer durch die Unmengen an Gepäck auf, sowie durch den Stress der in ihren Gesichtern zu sehen ist. Da gibt es die Fahrradtouris mit ihren unhandlichen Fahrradtaschen, die Familien mit unzähligen Taschen, Rucksäcken, Alditüten und Kinderwägen und die Hotel-Omas mit ihren gewaltigen Hartschalenkoffern in grellen Farben. Letztere scheinen immer allein zu reisen, viel zu viel mitzunehmen, sodass sie beim Einsteigen wegen des Gewichts der bunten Ungetüme, regelmäßig alles aufhalten. Aus diesem, an sich schon interessanten Potpourri stechen manche Bahnreisende aber noch hervor. Etwa wenn Neonazis einsteigen und beginnen mit Bierflasche in der Hand zu pöbeln und den Hitlergruß zeigen, oder wenn ein altes ukrainisches Ehepaar, mit dem ich mir einen Viererplatz teile, beginnt mit einem Kofferradio auf voller Lautstärke Musik und ukrainische Nachrichten zu hören und dabei Hänchenschenkel zu essen, die das gesamte Großraumabteil wie eine Grillbude riechen lassen. Regelmäßig rauchen auch Leute auf den Toiletten, was einen äußerst nervigen Feueralarm auslöst, oder halten an den Haltestellen die Türen auf um schnell eine durchziehen zu können. Einmal betrat ich ein Abteil in welchem sich bereits eine Familie ausgebreitet hatte, die sich nur mit Grunzlauten unterhielt. In den zwei Stunden, die wir zusammen im Zug saßen versuchte ich das Grunzen zu dechiffrieren, blieb aber weitgehend erfolglos. Doch nicht nur die Passagiere, sondern auch die Bahn selbst sorgt für Unterhaltung. So kommt es öfter vor, dass ein Zug die Haltestelle verpasst hat und rückwärtsfahren musste.

Für ein besseres Bahnerlebnis

Grundsätzlich ist Bahnfahren toll und es ist spannend all diese Menschen zu beobachten. Noch spannender wird es, wenn man seinen Zug erwischen muss und die Umstiegszeit durch kontinuierliche Verspätungen rapide dahinschmilzt. Die Deutsche Bahn hat viele Probleme und die Qualität des Bahnfahrens auf den Schienen dieses Landes könnte besser sein. Jede:r Passagier:in kann seinen Teil dazu beitragen, dass Reise-Erlebnis angenehmer zu machen. Bitte lasst eure Schuhe an. Bitte hört auf, auf dem Klo zu rauchen. Bitte kauft euch Kopfhörer und bitte telefoniert nicht mit Freisprechanlage (das gilt besonders für die Hotel-Omas; ich will wirklich nicht wissen, mit wem der Gerhardt vor 10 Jahren eine Affäre hatte oder was du von Andrea Berg hältst). Danke. Trotzdem gehören Züge zu den wenigen Orten wo sämtliche Millieus, Schichten und Klassen aufeinandertreffen und sich miteinander beschäftigen müssen. Das finde ich ganz wunderbar

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