Europatag 2020 – Warum wir Europa nicht nur feiern sollten

Europa (Foto: Pixabay)

 Es ist der 9. Mai 2020 – was sonst im Rahmen eines analogen Zusammentreffens gefeiert wird, findet im Corona-Jahr 2020 digital im Europäischen Parlament statt. Der Europatag ist ein Tag, an dem wir daran gedenken, dass wir in Europa in Einheit und in Frieden leben können. Seit wann das so ist, welche Werte von der Europäischen Union vertreten werden und warum wir diese nicht nur feiern sollten. Von Marianne Max.

Der Beginn als Wirtschaftsgemeinschaft

Es ist der 9. Mai 1950, welcher als „Europatag“ in die Geschichte einging. An diesem Tag legte der französische Außenminister Robert Schuman den Grundstein der heutigen Europäischen Union. In seiner Rede, heute bekannt als die Schuman-Erklärung, stellte er seine Vision einer europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) vor. Mit dieser wollte er nicht nur weitere Kriege verhindern, sondern auch den Lebensstandard aller vom Krieg zerrütteten Länder verbessern. Bereits ein Jahr später schlossen sich Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg zur EGKS und späteren EU zusammen, welche heute aus 27 Mitgliedsstaaten besteht.

Die EU als politische Gemeinschaft

Gleichheit vor dem Gesetz (Foto: Pixabay)

Neben den wirtschaftlichen Interessen teilen die Mitgliedsländer der EU gemeinsame Werte, welche uns gerade in der jetzigen Zeit angesichts der uns einschränkenden, jedoch notwendigen Anti-Corona-Maßnahmen, nicht selbstverständlich und doch wichtiger denn je erscheinen sollten. Unter diese fallen die Gleichstellung aller Bürger_innen vor dem Gesetz sowie auf dem Arbeitsmarkt, aber auch die Rechtsstaatlichkeit, vertreten durch einen gemeinsamen Europäischen Gerichtshof.

Auch ist es die Freiheit, welche es nach den Grundwerten der EU zu schützen gilt. Gedankenfreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Informationsfreiheit sowie die Freizügigkeit – das bedeutet frei zu reisen und zu leben. Erleichtert wird uns das normalerweise durch die offenen Binnengrenzen Europas, welche seit dem 26. März 1995 frei passierbar sind. Doch während die Kontrolle an Europas Binnengrenzen bis zum Beginn der Corona-Maßnahmen abgenommen hat, nimmt sie an den Außengrenzen stetig zu.

Europa als Festung

Europa, mittlerweile von Kritikern als „Festung Europa“ bezeichnet, braucht ein einheitliches europäisches Asylverfahren. Das Dubliner Abkommen, welches besagt, dass jeder asylsuchenden Person die Durchführung eines Asylverfahrens garantiert wird, ist schon lange hinfällig. Es hat einen Haken: Zuständig sind die Länder, welche sich an den Außengrenzen der EU befinden. Das ist bequem und einfach für alle anderen Länder, für die Flüchtenden, die sich in den überfüllten Lagern auf Lesbos befinden, aber sicherlich nicht. So läuft die EU Gefahr ihre Glaubwürdigkeit hinsichtlich der weiteren Werte zu verlieren, welche sie sich auf die blau-goldene Fahne schreibt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Die Wahrung der Menschenrechte ist durch die Charta der Grundrechte der EU garantiert.

Demokratie

Zu guter Letzt ist es die Demokratie, welche Wert und Arbeitsweise der Europäischen Union darstellt, und zu welcher sich alle Mitgliedsstaaten verpflichtet haben. Sie garantiert uns die Mitbestimmung und Mitgestaltung in unserer Gesellschaft. Doch während andere Länder in den vergangenen Wochen angemessene Anti-Corona-Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen und Maskenpflicht eingeführt haben, ist ein Land über das Ziel hinausgeschossen. Es ist Ungarn, seit 2004 Mitgliedsstaat der EU, dessen Regierung sich auf direktem Weg in eine Diktatur befindet, damit jedoch scheinbar nicht auf dem Weg aus der Europäischen Union.

Viktor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn, hat den Notstand ausgerufen und will nun in einem neuen Gesetzesentwurf die alleinige Macht über die Verlängerung dessen haben. Der Notstand könnte demnach, auch ohne Zustimmung des Parlamentes, beliebig verlängert werden. Kritik an den Maßnahmen Orbáns kann in Ungarn nicht so einfach wie in Deutschland geäußert werden, sieht doch ein zusätzlicher Gesetzesentwurf eine Haftstrafe für das Verbreiten von Falschnachrichten vor. Wir sollten also, trotz aller Verschwörungstheorien, dankbar dafür sein, dass sich die Anti-Corona-Maßnahmen in Deutschland in der öffentlichen Debatte befinden und jederzeit diskutiert werden dürfen.

Warum wir Europa nicht nur feiern, sondern auch leben sollten

Werte in unseren Alltag integrieren (Foto: Pixabay)

Die Werte der Europäischen Union, welcher wir am Europatag gedenken, sind vorteilhaft und wir alle sollten sie vertreten, da sie uns nicht nur ein friedliches, sondern auch ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Doch sie sind fragil. Wenn wir an sie glauben, sollten wir sie nicht nur feiern, sondern auch leben und ihnen hier und da zur Realität verhelfen. Denn schöner noch, als auf bloßem Papier, sind sie in unser aller alltäglichen Gegenwart.

Um es mit den Worten Schumans zu sagen: „Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.“

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