Sexistische Werbung und Verschwörungen – Die zweite Internationale Woche der Semiotik zeigt die Verbindung von Wissenschaft und Praxis

Zeichen unserer Zeit. (Quelle: Zentrum für Kultursemiotik)

“Es geht nicht um Liebe, es geht um’s Verkaufen!” Mit diesem Statement von Dr. Mara Persello ging die zweite Internationale Woche der Semiotik unter dem Motto “Zeichen unserer Zeit” am 8. Februar los und nahm im Laufe der Woche noch weiter Fahrt auf. Fünf Tage, fünf verschiedene Themengebiete aus Wissenschaft, Praxis und Kultur. Studierende, Professor:innen und Expert:innen aus unterschiedlichen Bereichen kamen zu Wort, präsentierten und diskutierten, zeitweilig auch hitzig und sehr gegensätzlich. Um was es ging, welches Thema eine intensive Debatte auslöste und was eigentlich dieses ominöse Wort Semiotik bedeutet, erfahrt ihr in diesem Artikel. Von Carla Magnanimo

Wer und was? – Wie die Internationale Woche der Semiotik zustande kam

Initiatorin der Semiotischen Woche, und auch des Virtuellen Zentrums für Kultursemiotik der Uni Potsdam, ist Prof. Dr. Eva Kimminich, die auch den Studiengang (International) Angewandte Kulturwissenschaften und Kultursemiotik im Jahr 2017 ins Leben gerufen hat. Gemeinsam mit Prof. Dr. Marie Schröer, der Juniorprofessorin für Kultursemiotik und Kulturen romanischer Länder, und den Studierenden des Masters, hat sie nun schon zum zweiten Mal die Wichtigkeit der Semiotik innerhalb des gesellschaftlichen und kulturellen Diskurses beleuchtet und dieser doch teilweise noch unbekannten Disziplin eine Bühne geboten.

Die Idee aus dem letzten Jahr, dass die Studierenden des ersten Semesters des Masters inhaltlich zu der Semiotischen Woche beitragen, wurde auch in diesem Jahr wieder aufgenommen. Außerdem befanden sich auch im Organisationsteam mehrere Studierende höherer Semester, unter anderem Janina Däuwel, die für die Technik bei Zoom und die Moderation einiger Diskussionsrunden zuständig war. Dies war für sie besonders interessant, wie sie erzählt, da Studierende so bewusst eingebunden werden konnten, trotz des Zoom-Formats der Veranstaltung.

Natürlich alles digital

Wie derzeit alle Veranstaltungen fand auch die Semiotische Woche digital statt. Für fünf Tage in Folge viele Stunden vor dem Bildschirm zu sitzen war für alle Beteiligten anstrengend. Insbesondere den beiden Professorinnen Kimminich und Schröer war anzumerken, dass sie sich Gedanken über die Koordination machten, erzählt Janina. Am Ende habe jedoch auch die Technik einwandfrei mitgespielt. Sogar die Breakout-Sessions haben gut funktioniert und in den Workshops ist man zu interessanten Diskussionen und Ergebnissen gekommen.

Auch Juniorprofessorin Marie Schröer erwähnte zwar einen Anflug von “Zoom-Fatigue”, aber gleichzeitig gibt es auch für sie Vorteile des Online-Treffens. Vor allem Menschen, die nicht vor Ort sind hatten so die Möglichkeit an den Veranstaltungen teilzunehmen und auch für die Faulen unter uns war es praktischer einfach nur den Laptop aufzuklappen, als sich auf den Weg ins Potsdamer Bildungsforum zu machen, wo die Semiotische Woche im letzten Jahr stattgefunden hat. Vielleicht lässt sich so auch die beständig hohe Teilnehmerzahl in diesem Jahr erklären, die immer zwischen 40 und 60 Personen lag.

Apropos unbekannte Disziplin: Was ist eigentlich Semiotik?

Neue Blickwinkel dank Semiotik. (Foto: pixabay)

Mit Sicherheit müssen viele erst einmal Google konsultieren um zu verstehen, was Semiotik eigentlich ist. Für alle, die danach immer noch nicht schlauer sind, denen Umberto Eco vielleicht ein Begriff ist, aber nur im Zusammenhang mit Sean Connery und einem todbringenden Kloster oder all denen, welchen die Erklärung der „Lehre der Zeichen“ immer noch zu diffus ist, hier ein kleiner Erklärungsversuch von Juniorprofessorin Marie Schröer:  “Die Semiotik erforscht die Welt der Zeichen im Wandel der Zeit. Das heißt, dass sie dazu anregt, immer wieder zu hinterfragen, warum die Dinge so sind, wie sie sind,[…]”. Ganz besonders wichtig ist es hierbei “[…] bestimmte Phänomene (Rituale, Normen, Metaphern) eben nicht als Immer-Dagewesenes zu betrachten, sondern sie zu kontextualisieren, also konkret Zeichen-Setzungen zu analysieren.”

Das Beispiel der Werbung… und eine hitzige Diskussion

Wem das immer noch zu allgemein und theoretisch ist, hier ein anschauliches Beispiel, das bereits am ersten Tag der Semiotischen Woche behandelt wurde. In Workshops zu den Themen Marketing und Werbung wurden beispielsweise Sexismus in der Werbung und die Verpackungen von Produkten thematisiert.
Was für Zeichen sendet uns Werbung und wie bringt sie uns dazu, zu konsumieren? Verschiedene Vertreter der Werbebranche haben hierzu den Fragen der Studierenden und Gäst:innen gestellt.

Schnell ging es in der Diskussionsrunde um die soziale Verantwortung, sowohl bei Werbetreibenden als auch bei Unternehmen und Konsument:innen. Die vier Expert:innen waren sich einig, dass sich Werbetreibende durchaus über ihre gesellschaftliche Verantwortung im Klaren wären.
Der Gründer der Berliner Werbeagentur „glow“, Johannes Krempl, verwies in diesem Kontext auf Werbespots, die zum diesjährigen Superbowl gedreht wurden und in denen viele PoC’s sowohl Haupt- als auch Nebenrollen einnahmen. Für ihn zeigte sich hier, dass die Agenturen auf aktuelle gesellschaftliche Bewegungen eingehen und diese in ihren Formaten anwenden. Ein anderes Beispiel war für ihn die Darstellung von Frauen in Berufen; anstatt in ansonsten klischeehaften Rollen wie Hausfrauen oder Mütter wurden diese als Teil der zunehmenden feministischen Strömungen gezeigt. 

Nun stellt sich natürlich die Frage, inwieweit dies wirklich als Verständnis für gesellschaftliche Umbrüche gesehen werden kann. Haben Werbetreibende nicht einfach nur verstanden, dass sie auf den Diversity-Zug aufspringen müssen, um noch mithalten zu können, um ihrem primären Ziel, dem Verkauf, treu zu bleiben? Ist es für sie am Ende lediglich nicht mehr als ein “Trend”?

Jeder Euro, der in Werbung gesteckt wird, muss auch wieder eingenommen werden. Und genau hier entbrannte der wohl hitzigste Teil der Diskussion. Einige Studierende stellten fest, dass so auch zum Kauf von Produkten oder Unternehmen geworben würde, die bereits häufig in die Kritik gekommen waren. Die Studierenden vertraten die Meinung, dass auch Werbetreibende sich von Unternehmen wie Nestlé oder Amazon distanzieren sollten.
Johannes Krempl zog gleichzeitig auch bewusst die Verbraucher in die Verantwortung und betonte, dass es auch an “uns” liegen würde, wenn solche Unternehmen weiterhin erfolgreich wären. Wenn alle Billigfleisch kaufen würden, würde nun einmal folglich weiterhin der Regenwald abgeholzt werden. 

Kein finales Ergebnis und trotzdem aufschlussreich

Nicht in jeder Diskussion kommt es zu Lösungen. (Quelle: Pixabay)

Die Diskussion hätte mit Sicherheit noch ewig weitergehen können, und als man zu einem Ende kommen musste, war man sich nicht unbedingt einiger als zuvor. Aber ist nicht genau dies ehrlich gesagt auch das Ziel solcher Zusammenkünfte? Oder grundsätzlich das Ziel der Universität?
Aus meiner Sicht verlief die Diskussion, trotz Uneinigkeit (oder gerade deswegen), genau so wie ein Aufeinandertreffen von kritischen und gesellschaftlich interessierten jungen Menschen und Expert:innen aus der Praxis, verlaufen sollte. Es gab einen regen Austausch und die Möglichkeit der Kommunikation, auch wenn man unterschiedlicher Meinung war. Insbesondere in Lockdown-Zeiten, in denen der universitäre Diskurs durch Online-Formate manchmal wegfällt, war es wichtig dieser Gesprächsrunde einen offenen Verlauf zu gewähren und auch eine gewisse Spannung zuzulassen. 

Viel Aktuelles durch die semiotischen Brille betrachtet

“Das Thema Fake News ist seit einer ganzen Weile schon relevant; es in diesen Zeiten zu ignorieren wäre geradezu fahrlässig.” sagt Marie Schröer und begründet damit die Themenauswahl für die Veranstaltung am Mittwoch, welche unter dem Titel „Alles Fake? Medien, Populismus und Proteste“ stattfand. 
Ein Großteil des Mittwochs wurde von den Studierenden des Masters gefüllt, die Pecha Kuchas (eine Vortragstechnik, bei der die Vortragenden exakt 20 Folien zur Verfügung haben und zu jeder Folie 20 Sekunden Redezeit) zu Trumps Twitterkampagnen oder Qualitätsjournalismus auf Instagram hielten, alles in Form einer semiotischer Analyse. Dass Fake News und Verschwörungstheorien und die Menschen die daran glauben heutzutage leider unseren Alltag mitbestimmen, ist nichts Neues mehr, und doch ist es interessant, diese Phänomene unter einem wissenschaftlichen Aspekt zu betrachten.

Semiotik immer up to date – und gar nicht so theoretisch wie man denkt

Wer Semiotik hört, denkt vielleicht zunächst einmal an etwas Langweiliges. Und würde diese Disziplin nicht mit Themen wie Comics, Film und Digitalisierung von Museen in Verbindung bringen. Doch fand das Thema Comic bereits zum zweiten Mal Platz in der Semiotischen Woche, erzählt Marie Schröer, und dies “wird es wohl auch in Zukunft geben, weil das Medium für Fragen der Kultursemiotik und Kulturvermittlung durch seine komplexen Zeichensysteme einfach unheimlich spannend und fruchtbar ist – und wir diesen Bereich auch auf Dauer in Potsdam verankern wollen.”

Auch im Bereich Theater wolle man mögliche Kooperationen austesten, zum Beispiel mit  einem Thementag Theatersemiotik. Man habe mit dem Potsdamer Hans-Otto-Theater einen neuen Kooperationspartner gewonnen, so Marie Schröer. „Das kam übrigens durch die Vermittlung eines Studierenden zustande,“ so Schröer.
Also für alle, die nicht ohne ihre zerfledderten Superman-Comics leben können oder gerne Hamlet rezitieren, könnten sich also an der Uni Potsdam im Bereich Semiotik bald ganz neue Möglichkeiten ergeben!

Und wie geht es nun weiter?

War die Zweite Internationale Woche der Semiotik nun also das, was sich das Organisations-Team erhofft hatte? “Wir sind sehr zufrieden.” sagt Marie Schröer und auch Janina Däuwel hat die Veranstaltungsreihe als sehr positiv erlebt. Zu sehen, “dass die Technik manchmal hilfreich sein kann, um Menschen zu verbinden und nicht nur ein Bein stellt” war für sie bereichernd und spannend. Auch die Initiatorin Frau Prof. Dr. Kimminich sei sehr froh über das zahlreiche positive Feedback, erzählt Janina. Alle Beteiligten sind zuversichtlich gestimmt und haben Hoffnung, dass auch im nächsten Jahr wieder die Theorie der Semiotik in der Praxis angewandt werden kann.

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