Wo sollen wir wohnen? Oberbürgermeisterkandidat_innen antworten

Ein großes Thema in dem diesjährigen Wahlkampf um das Amt des_der Oberbürgermeister_in ist der fehlende Wohnraum in der Stadt. Besonders für Studierende ist die Suche auf dem ohnehin schon umkämpften Wohnungsmarkt Potsdams schwierig: Zahllose WG-Castings sowie hohe Kautionen, Bürgschaften und Mieten erwarten die Studierenden. Die teuren Mieten haben wiederum weite Folgen: Einschränkungen bei der Ortswahl, lange Anfahrtswege und hohe Arbeitsbelastungen neben dem Studium. Wir haben die Oberbürgermeisterkandidat_innen gefragt, wie sie die Situation ändern möchten. Von Julia Hennig.

Die aktuelle Situation in Potsdam

Nach einer aktuellen Studie des Moses Mendelssohn Instituts in Kooperation mit dem Immobilienportal WG-Gesucht.de zahlen Studierende im bundesweiten Durchschnitt 353€ für ein WG-Zimmer. Die bundesweite BAföG-Wohnpauschale liegt jedoch nur bei 250€. Das Studentenwerk Potsdam kann nur 8,9% der Studierenden mit einem Zimmer versorgen, die durchschnittlich 237€ kosten. Auch der Bau des neuen Studierendenwohnheims in Golm, das im Herbst 2019 eröffnen wird, kann die Versorgungsquote kaum anheben. Durch den vorherigen Abriss der alten, nicht mehr sanierbaren Häuser, entstehen dort nämlich effektiv nur knapp 100 neue Plätze. Während die Studierendenplätze mit der Ausweitung der Lehrer_innenbildung erhöht werden, werden die Wohnheimplätze nur um eine sehr geringe Anzahl erhöht.

Aus diesem Grund haben sich der AStA der Uni Potsdam und der FH Potsdam sowie der StuRa der Filmuni Potsdam zur Kampagne “Unter Dach und Fach” zusammengeschlossen und sieben Forderungen formuliert. Dabei fordern sie besonders, dass das Studentenwerk auch unabhängig vom Land selbst Kredite aufnehmen kann, um neue Studierendenwohnheime zu bauen. Außerdem wünschen sie sich für Potsdam angesichts des angespannten Wohnungsmarkts eine standortbezogene Versorgungsquote von 12%.

Wie möchten die Kandidat_innen die Situation verbessern?

Wir haben alle sechs Kandidat_innen gefragt, wie sie sich für bezahlbaren Wohnraum für Studierende einsetzen möchten. Die Antworten präsentieren wir euch hier in der gleichen Reihenfolge der Personen wie auf dem Wahlzettel. Wenn ihr auf den Namen der Kandidat_innen klickt, kommt ihr außerdem zu seiner_ihrer Homepage. Alle Infos zum Amt des_der Oberbürgermeister_in und zum Ablauf der Wahl findet ihr in unserem letzten Artikel.

Martina Trauth: 30% sozialer Wohnraum in allen Quartieren

Bezahlbarer Wohnraum ist eine Frage der Bildungsgerechtigkeit. Wir brauchen mehr günstige Wohnheimplätze. Um auf mindestens zehn Prozent Versorgungsquote zu kommen, würde das Studentenwerk in Potsdam rund 35 Millionen Euro für Neubauten und Sanierungen benötigen. Dies geht nur, wenn Bund und Länder sich auf einen gemeinsamen Hochschulsozialpakt einigen. Um bezahlbares Wohnen für Student*innen, Auszubildende und andere weniger gut betuchte Menschen zukunftssicher zur Verfügung stellen zu können, werde ich mich als Oberbürgermeisterin dafür einsetzen, dass die Suche der Stadt nach Flächen für studentischen Wohnraum intensiviert und das Studentenwerk mit einbezogen wird.

Vor allem möchte ich, dass die Stadt den Einfluss auf die Mietpreisentwicklung zurückgewinnt. Dafür werde ich in allen Quartieren eine feste Quote von 30 % sozialen Wohnraums mit dauerhafter Belegungsbindung sichern. Ich möchte Teile des städtischen Wohnungsunternehmens Pro Potsdam in die Gemeinnützigkeit überführen und damit leistbare Mieten für einkommensschwache Haushalte ermöglichen. Städtische Grundstücke dürfen grundsätzlich nicht mehr im Höchstgebotsverfahren verkauft, sondern in Erbbaupacht konzeptorientiert vergeben werden.

Mike Schubert: Auch die Stadt muss etwas tun

Auch wenn die Verantwortung für studentischen Wohnraum beim Land liegt, sehe ich auch Potsdam in der Pflicht. Schon oft wurden dem Studentenwerk von der Stadt Flächen für neue Wohnheime angeboten. Zum Beispiel in der Nähe der Fachhochschule Potsdam im Bornstedter Feld und aktuell in der Potsdamer Mitte. Bisher hatte das Studentenwerk allerdings keine finanziellen Mittel des Landes zur Verfügung, um diese Angebote wahrnehmen zu können. In der Nähe der Fachhochschule wird jetzt das städtische Wohnungsunternehmen Studi-affine Appartements bauen, die durch Fördermittel auch in der Miete günstig sein sollen.

Das Vorhaben in der Potsdamer Mitte wird von der Stadt weiter forciert, sodass ich optimistisch bin, dass hier zusätzlicher studentischer Wohnraum durch das Studentenwerk entstehen kann. Auch in Golm sollen neben den derzeit im Bau befindlichen etwa 300 Plätzen durch das Studentenwerk noch einmal so viele Plätze hinzukommen. Private Anbieter können dieses Angebot nur ergänzen, sind mit ihren Preisen von über 400 Euro für ein Zimmer aber keine Alternative für viele Studierende.

Janny Armbruster: Drei Strategien für mehr Wohnraum

Erstens kämpfe ich dafür, dass die Brandenburger SPD-Linke-Regierung es dem Potsdamer Studentenwerk endlich ermöglicht, kreditfinanzierte Studentenwohnheime zu bauen, damit es endlich mehr Zimmer für Studierende anbieten kann. Das ist in anderen Bundesländern möglich. Auch im Bundesdurchschnitt liegt die Bruttowarmmiete der Studentenwerke bei 240,61 Euro im Monat. Die Kreditzinsen sind zurzeit so günstig wie nie.

Zweitens will ich Bauland und Baurecht für studentisches Wohnen, zum Beispiel in der Potsdamer Mitte an der Alten Feuerwache. Wir Bündnisgrünen haben bereits einen entsprechenden Antrag im Stadtparlament gestellt. Ich möchte, dass die Stadt das städtische Bauland dann mit Auflagen vergibt, beispielsweise preiswerte Studenten- und Sozialwohnungen zu bauen.

Drittens will ich wenigstens in den städtischen Wohnungsgesellschaften verhindern, dass die Mieten dadurch steigen, dass immer mehr Kosten allein auf die Vermieter umgelegt werden. Und ich will den Wohnungstausch fördern und zwar so, dass die Vermieter die Mietpreise dann nicht erhöhen. Immer mehr Menschen könnten so größere Wohnungen für Wohngemeinschaften oder Studierende frei machen.

Lutz Boede: Gegen Mieterhöhungen

Privatisierung, teurer Neubau und Mietpreisbindungen für 20 Jahre sind keine nachhaltige Wohnungspolitik. Der Stadtsoziologe Andrej Holm nennt das „kurzzeitige soziale Zwischennutzung“. Die städtische ProPotsdam soll selbst bedarfsgerecht bauen, sanieren und vermieten, statt sich um Sportinternate, Tourismusförderung und die Biosphäre zu kümmern.

Als Oberbürgermeister könnte ich die Geschäftsführung der ProPotsdam anweisen, die Mieten nicht zu erhöhen, ohne dass die Wohnung modernisiert wurde: Keine Neuvermietungszuschläge und keine automatische Anpassunge an den Mietspiegel mehr!

DIE aNDERE fordert, die Kosten der energetischen Sanierung des städtischen Wohnungsbestandes nicht mehr auf die Mieten umzulegen. Diese Sanierung soll den größten Anteil zur Erfüllung der städtischen Klimaziele beitragen. Deshalb wollen wir nicht nur die ProPotsdam-Mieter*innen an den Kosten beteiligen, sondern auch Menschen, die am Heiligen See stattliche Wohnflächen mit opulentem Energieverbrauch bewohnen. Wenn die Kosten der energetischen Sanierung nicht mehr in den ProPotsdam-Mieten landen, fallen die Mieten 2-3 Euro pro qm und Monat geringer aus.

Dennis Hohloch: Modell der „Potsdamer Mischung“

Aus meiner Studienzeit kenne ich die „WG-Findungs-Problematik“ noch zu gut. Kaum ein Student kann sich Mieten zu 11€/m2 leisten. Potsdam ist an vielen Stellen noch eine zu studentenunfreundliche Stadt. Natürlich müssen deshalb alle Bemühungen unterstützt werden, zusammen mit dem Studentenwerk, günstigen Wohnraum zu schaffen. Aber wir benötigen generell ein neues wohnungspolitisches Konzept. Nicht nur günstiger Wohnraum ist wichtig, sondern auch der soziale Mix in den Quartieren ist dringend notwendig für einen festen gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Das bedeutet, in Zukunft auf sämtliche Höchstgebotsverfahren bei Ausschreibungen von Flächen zu verzichten, um die Kaufpreise für Investoren gering zu halten und demjenigen mit dem besten Konzept den Zuschlag zu erteilen. Hierzu müssen dann zu einem Drittel Sozialwohnungen und zu einem Drittel Mietwohnungen im mittleren Preissegment entstehen. Das letzte Drittel wird dem freien Wohnungsbau zur Verfügung gestellt und kann u.a. für Eigentumswohnungen genutzt werden. Ich nenne das die Potsdamer Mischung, angelehnt am erfolgreichen Münchner Modell.

Götz Friederich: Ein Masterplan für die Stadt Potsdam

Wohnungen für Studierende in Potsdam sind knapp und teuer. Es muss in allen Segmenten mehr gebaut werden, ausdrücklich darin eingeschlossen: Studenten/innenwohnungen. Das Studentenwerk muss in die Lage versetzt werden, zusammen mit Stadt und Land schneller unbürokratischer und mehr bauen zu können. Das entlastet auf mittlere Frist den angespannten Wohnungsmarkt – auch in Potsdam. Ihre Kampagne „Kopf braucht Dach – Bezahlbares Wohnen“ ist völlig richtig. Es ist eine gemeinsame Anstrengung, ja ein gemeinsamer Hochschulpakt: Bund und Länder nötig.

Was die Stadt Potsdam zu solch einem Pakt beitragen kann, sollte sie tun. Beispielsweise können Baugenehmigungen schneller erteilt werden. Bauanträge dürfen nicht in Bürokratie ersticken. Baupläne dürfen nicht mit weiteren teuren Vorgaben überfrachtet werden. Studierende müssen einen leichteren Zugang zu Sozialwohnungen erhalten, ohne damit eine Konkurrenzsituation zu schaffen. Kurz: Ein Masterplan für die Stadt Potsdam muss her und darin wird studentisches Leben eine große Rolle spielen.

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