Nur mal so ein Gedanke – Teil II: Sommerblues

Am liebsten halb leer (Foto: Niklas Schäffer)

Teil II der Kurzgeschichtenreihe „Nur mal so ein Gedanke“ geht in der Handlung einen Schritt zurück. Passend zur dissonanten Person Oskar, bildet sie eine Art nachgereichten Prolog, der uns das innere Leiden der Figur erleben lässt und erste Fragen zu dieser klärt. Er beschreibt hier seine große Liebe für den Sommer, gibt einen rhythmischen Einblick in seine Gedankenwelt und ist vor allem eines nicht – fair gegenüber sich und Anderen. Von B. Ole Müller.

Definitiv nicht unüberlegt

Die scheiß Sonne scheint so schön, dass es die Leute lachend, locker latschend wagen, ihre hektisch heuchelnden Herzen ins Gesicht gepflastert zu tragen. Strahlen, die einen Sinn versprechen, wenn sie erst auf die schmerzgekrümmte Iris treffen. Ein kurzes Hallo bevor sie die Pupille passieren und sich in Zapfen und Stäbchen pressen, mit denen sie dann ihr 5,80 Sushi fressen. Trams, in denen man brechend, brodelnd beim Biegen in die Gäste klatscht und Restaurants, in denen man statt an Zigaretten an glänzenden Stäben pafft. Wolken wie Watte wabern über kochenden Teer und lassen kurz aufatmen vor dem grellgrau glänzenden DDR-Plattenriesen Städteschlächter.

Und mittendrin stehe ich, der, vor dessen Mund das Soft-Eis auf T-Shirt, Hose und Schuhe auswich. Wenn‘s heiß ist, läuft die Scheiße nämlich. Ein Autor, von dem ich auch nicht wüsst‘, – wär ich‘s nicht selbst – wer das sein solle, wie er hieße. Ist auch kein Wunder – meine Therapeutin sagt, dass mal jemand an mich ran kommen müsse, doch bin ich so verkappt, dass ich sogar meinen Selbsthass sieze. Er hängt in seiner Festung der Einsamkeit, die wohl die Polkappen überlebt, während Massenmedien meinen, mein letzter Mut kann nun auch verschwinden und mir ihre Probleme auf die, bei diesem Wetter wahrscheinlich viel zu fettige Nase, binden. Krise, Krieg, Katastrophe, Krankheit, Klimanotstand, Krematorienstimmung, prächtig, pralle Probleme pinnen sich ans schwarze Brett und lassen Köpfe auch im Winter rauchen.

Rauchen wär ne gute Idee, denke ich und ziehe schwerwiegende Feinstaub belastete Luft in die Lungenflügel, bevor ich mit Tabak die angegriffenen Stellen glattbügel. Dazu auf Tinder, das Likebecken menschenleer, doch hoffnungsvoll nach rechts geswiped, noch ein Tag ohne Match, dann ist der psychische Zusammenbruch wirklich nicht mehr weit, dann hab ich die Endstufe, praktisch das Sommerhoch, das dem Tiefpunkt weicht, Selbstaufgabe, wenn mir auf einer Datingapp das Freundefinden reicht. Im Eisrest bleibt jetzt Straßenstaub – mir von einer Windhose auch in Augen, Ohren und Gesicht gehaucht… bin nun zwar blind, dafür aber einigermaßen taub. Im Mund kitzeln knirschend Krümel, kratzen sich in meinen Gaumen, Abfall einer Stadt, Stoffwechsel dieser Dürre, schließen Lider vorm Metropolengrauen, Bodensatz vom Klimawandel, prellt meinem Hass nie die Zeche.

So einfach ist Optimismus?

Vor all diesen Dingen lieber mal verschließen, denn ungleich der tollen Strahlen halte ich immer, was ich verspreche. Da sitze ich in einem Café, eingestaubt und eingesaut, und flenne, weil mir der in sich stürzende Wasserfall in meinem Kopf die Sinne raubt. Weil ich nicht weiß, was, ja nicht mal, was den Satz beendet, vielleicht gefangen im Pessimismus, dem Selbstschutz, der so egoistisch ist, dass er Chancen zerstört und sich selbst bestätigt, der das Blatt festhält, damit‘s sich nicht wendet, dieser falsche Gummikäfig. Die Tür steht immer offen, doch frei zu gehen scheint man nie, alles was man meint zu können, ist auf die richtige Person zu hoffen.

Doch ist dies keine traurige Geschichte, denn ich wage diesen Schritt, stecke erst ein, dann zwei Füße vor die Tür, teste an und prüfe die Festigkeit des Tritts. Weichen Knies tret ich hinaus und seh die Strahlen über mir, seh wonach sich alle sehnen.

Fühl mich wohl in dieser Welt, laufe sicher jetzt unterm Sonnendach und merke, dass man für Glück wohl nicht arbeitet, sondern es einem manchmal wirklich zufällt. Mein Glück heißt Marie. Was sie kann, konnt‘ ich nie – Menschen zum Lachen bringen und den Mariannengraben in einer Seele mit einem Lächeln stopfen. Ich spreche von Liebe, sie auch und ging dann bei einem Anderen klopfen.

Zurück im Gummikäfig

Tiefschlag für den Optimismus, das Ding in meiner Brust, das drückt, bis ich mich dann wieder in meinen Gummikäfig bück. Diesmal ist die Tür dann zu.

Auf den Straßen schießen scheiße schnelle Autos auf aufgerissenem Asphalt und ich wimmer, weine, winsel, während mir das Abgas in die Fresse prallt. Cabriowahnsinn, 2-Personen-Motorradzärtlichkeit brettern – braun, breitgrinsend – an mir vorbei, während ich unsicher bin, ob in meinem Kopf die Sonne oder das Bier knallt. Ich heule, hasse, hieve heute hier und morgen da meinen fleischigen Anhang durch die Stadt, klar kennzeichnend kalte Kellerbräune, outet mich als so nen selbsterklärten Sonnenfreund und wenn das nicht reicht, ist‘s der Duktus meines Gesichts, der ihnen zeigt…Sommerblues.

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