Von einer Vernissage und der Blauen Stunde – Ausstellungstipp „FLUXUS+studis2022“

Ausstellungsansicht "FLUXUS+studis2022"
Ausstellungsansicht „FLUXUS+studis2022“ (Foto: Antonia Sawallisch)

Im Potsdamer Museum FLUXUS+ gibt es bis zum 19.06.2022 die Ausstellung „FLUXUS+studis2022“ zu sehen. Die Ausstellung mit ausschließlich studentischen Künstler:innen findet jedes Jahr im Rahmen eines Museumswettbewerbs statt. Von Antonia Sawallisch. 

Noch erfüllt bedächtige Ruhe das Atrium des Museum FLUXUS+ in der Potsdamer Schiffbauergasse. Auf mehreren Stehtischen warten Sektflöten und Snacks. Die schon anwesenden Künstler:innen werfen einen letzten prüfenden Blick auf ihre ausgestellten Werke, bevor die Gäste zur Vernissage „FLUXUS+studis 2022“ eintreffen.

„FLUXUS+studis 2022“ ist eine Ausstellung im Rahmen eines jährlich stattfindenden Wettbewerbs des Museums zur Förderung junger, studentischer Künstler:innen. Was Kurator Dr. Philipp John und Museumsgründer Heinrich Liman besonders freut: In diesem Jahr endlich wieder in Präsenz!

Die Nachwuchsförderung spielt für das Museum eine wichtige Rolle, wie der Kurator kurz vor dem Eintreffen des Publikums erzählt. „Das ist neben der Dauerausstellung eine der Grundideen des Museum Fluxus in deren Dauerausstellung viel zeitgenössische Kunst zu sehen ist.“

Yeon ah Rho Paradox des Zufalls (Foto: Antonia Sawallisch)

Sechs Positionen hat eine Jury, bestehend aus Fachleuten des Museums und externen Expert:innen, vorab als besonders überzeugend bewertet. Diese können nun bis zum 19.06.2022 kostenlos bewundert werden. Von Fotografien, über Siebdrucke und Ölgemälde ist eine Vielzahl an Kunstformen vertreten. Yeon ah Rho bespielt die hintere Wand des Ausstellungsraumes komplett mit ihrer Installation. In weiße Farbe getauchte Luftballons besiedeln die Wand in unterschiedlichen Formen, Größen und Abständen. Durch den Trocknungsprozess der weißen Farbe auf den Ballons, hat jeder eine einzigartige Oberflächenstruktur erhalten. Manche Ballons sind von kantigen Erhebungen überzogen, andere nahezu glatt. Man muss den Impuls unterdrücken die Muster und Linien auf den Ballons mit den Fingerspitzen nachzufahren.

Die Blaue Stunde

Bilder der blauen Stunde (Foto: Nina Plášková)

In der Mitte des Raumes hat Nina Plášková, Studentin der Bildhauerei an der Kunsthochschule Weißensee, einen beeindruckenden Leuchttisch mit kleinteiligen Dia-Collagen aufgebaut. Die dafür verwendeten und verfremdeten Dias zeigen ursprünglich Kunstwerke aus Osteuropa aus den 1920er bis 1990er Jahren. Ihr Professor schenkte ihr die Dias, verbunden mit dem Wunsch, das Archiv aufzuarbeiten oder sogar etwas Neues daraus zu machen. Der Schwierigkeit im Umgang mit dem Material ist sie sich bewusst.

„Ich habe relativ intuitiv gemerkt, dass mich diese Bilderwelten interessieren. Ich kannte diese Art von Ästhetik und Reproduktionen aus Osteuropa. Aber heute wird damit nicht mehr unterrichtet und man hat keinen Zugang mehr dazu.“ Für sie ist ihre Collage ein Versuch, dem Vergessen etwas entgegenzusetzen. Dahinter verbirgt sich die Überzeugung, dass Gegenwart nur verstanden werden kann, indem man etwas aus der Vergangenheit herausgreift und es intensiv bearbeitet. „Bei vielen Leuten löst das sogar eher Unbehagen aus, weil viele Künstler:innen, die in den Dias vertreten sind, im Namen des sowjetischen oder kommunistischen Regimes gearbeitet haben. Das steht für mich aber nicht im Widerspruch.

Ansicht Bilder der blauen Stunde (Foto: Nina Plášková)

Mit dem Titel Bilder der blauen Stunde spielt Plášková auf die Zeitspanne vor der Dämmerung an – und auf eigene Erinnerungen. „Ich habe immer in den Abendstunden den Diaprojektor angeschaltet. Und es ruft auch Kindheitserinnerungen hervor, etwas sehr Heimeliges und Beruhigendes. Mein Vater hat mir früher Geschichten erzählt und hat dazu lange Bändern für Diaprojektoren benutzt. Ich habe mir damals zusammengesponnen, dass ich irgendwann so viele Bänder habe, dass ich die Geschichte neu schreiben könnte.“

Plášková und die fünf weiteren Ausstellenden konnten den Wettbewerb für sich entscheiden, deren Sieger:in heute Abend gekürt wird. Seit 2010 veranstaltet das Museum den Wettbewerb, der es jungen Künstler:innen ermöglicht ihre Werke im Museum zu präsentieren und Teil einer Ausstellung zu sein. Die Veranstalter hoffen, dass der Wettbewerb von Jahr zu Jahr an Aufmerksamkeit gewinnt. In diesem Jahr gibt es auch erstmals ein Preisgeld, um den Wettbewerb noch attraktiver zu gestalten. Einzige Bedingung zur Teilnahme ist, Studierende:r an einer Hochschule in Berlin oder Brandenburg sein. Dabei ist es nebensächlich, welcher Fachdisziplin man angehört und nicht erforderlich, ein künstlerisches Fach zu studieren.

Die Kriterien für die eingereichten Werke fasst der Museumsgründer Liman sehr weit, ganz im Sinne der Fluxus-Bewegung: „Im Grunde gibt es keine Kriterien. […] Das Einzige, was wir hier beachten müssen, es muss darstellbar sein. Wir wollen im Vorfeld nichts ausschließen.“

Interpretationsspielraum einer kollektiven Erfahrung

Florian Schmitt wird schließlich als der glückliche Erstplatzierte verkündet. Seine analogen Fotografien aus dem Lockdown im März 2020 beindrucken. Schmitt verbrachte die erste Zeit des Ausnahmezustands in New York City und zog mit dem Fotoapparat durch die Straßen. Entstanden sind einfühlsame Aufnahmen, die durch zufällige Doppelbelichtung und daraus entstandenen Mehrfach-Motiven einen Interpretationsspielraum für das Vergangene lassen. Straßenzüge, Wolkenkratzer und USA-Flaggen legen sich symbiotisch übereinander mit verunsichert dreinschauenden Gesichtern oder eindringlichen Filmplakaten. Seine Fotos zeigen die diffuse Gefühlslage der Situation und ermöglichen gleichzeitig einen Rückblick auf eine kollektive Erfahrung.

Wer sich selbst ein Bild von der Ausstellung „FLUXUS*studis2022“ machen möchte, kann dies bis zum 19.06.2022 tun. Das Museum öffnet von Mittwoch – Sonntag in der Zeit von 13:00 – 18:00 Uhr. Und bleibt danach noch Zeit, genießt man die Blaue Stunde nebenan im Park mit Blick auf die Havel.

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