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Ein Horror-Thriller mit Tiefgang: Eine Filmkritik zu Heretic

Foto: Rob Wicks via Unsplash.

 Kinostart: 26.12.2024
 Hauptrollen: Hugh Grant: Mr. Reed
Sophie Thatcher: Schwester Barnes
Chloe East: Schwester Paxton
Topher Grace: Elder Kennedy
Regie/Drehbuch:
Scott Beck, Bryan Woods
Filmlänge: 110 Minuten
                                                                                            Altersfreigabe: FSK 16 Jahre

Wie passen Polygamie, das Buch der Mormonen und ein wahnsinniger Theologe zusammen?  Diese skurrile Frage wird in „Heretic“, dem neuen Film der Regisseure Scott Beck und Bryan Woods, beantwortet. Von Oleg Klinke.

Mit Hugh Grant als Gesicht des Films beschreitet der 80er- und 90er-Jahre-Sweetheart ungewohnte Pfade – und liefert dabei eine faszinierende Performance ab. Bekannt ist der Schauspieler aus Filmen wie „Nothing Hill“, „Tatsächlich Liebe“ oder
„Ein Chef zum Verlieben“.

Im neuen Horror-Thriller des Studios A24, die Filme wie „Midsommar“, „MaXXine“ oder „Civil War“ hervorgebracht haben, bekommt der Schauspieler nun die Gelegenheit in eine zutiefst abgebrühte Rolle einzutauchen. Eine Rolle, die auf seinem bisherigen Lebenslauf fehlte: einen diabolischen Antitheisten.

Auf die Frage eines Journalisten, wie schwer es sei aus der Rolle herauszukommen, entgegnete Grant mit britischem Humor: „Ich habe heute Nachmittag schon drei Personen getötet.“ Dieser sarkastische Kommentar zeigt, dass Grant sichtlich Spaß an seiner neuen Rolle hat, und das merkt man auch im Film. Hier zeigt er andere Facetten seines Schauspiels.

 

Klassischer Reddit Antitheist trifft auf schlagfertige Missionarinnen

Hier spielt er einen zunächst freundlichen, aber diabolischen britischen Einwanderer, der auf seiner ganz eigenen Mission ist. Die weiblichen Rollen übernehmen Chloe East und Sophie Thatcher, die die Mormonen-Missionarinnen Schwester Paxton und Schwester Barnes verkörpern. Diese ziehen von Tür zu Tür, um den Einwohnern einer amerikanischen Kleinstadt die Lehren des Buches der Mormonen näherzubringen. Der Begriff wird den Zuschauern der Serie South Park geläufig sein.

Als ein Unwetter aufbricht und sich sie jungen Frauen gezwungen sehen, das Anwesen des Mr. Reed (Hugh Grant) zu betreten, beginnt ein psychologisches und intellektuelles Katze- und Maus-Spiel.

Während die Frauen auf den vermeintlichen Blaubeerkuchen warten, entpuppt sich das Haus als psychologisches Experiment. Schnell wird klar, dass die jungen Frauen das Haus nicht so einfach wieder verlassen können. Sie werden bereits vom Hausbesitzer in einem anderen Raum erwartet. Dieser hält eine blutige Überraschung für die jungen Frauen bereit.

Was folgt, ist weniger ein physisches Duell als ein intellektuelles und philosophisches Gefecht. Es geht es um die Frage: Gehe ich durch die Tür des Glaubens oder die des Nichtglaubens. Zwei Türen, zwei Optionen.

Was sich dahinter verbirgt – findet man erst im Kinosaal heraus.

Der Film greift ein zentrales Thema der menschlichen Existenz auf: den Glauben. Dabei gelingt es Heretic, respektvoll mit verschiedenen Religionen umzugehen, ohne eine davon zu bevorzugen oder zu verherrlichen. Der Film ist keine Predigt für Religion, zeigt aber auch gleichzeitig dessen Schwächen.

Die Figuren sind vielschichtig: Die Missionarinnen verkörpern, wie Religion Kraft und Orientierung geben kann, während Mr. Reed als radikaler Antitheist ihre Überzeugungen infrage stellt. Sie treten in den Dialogen als scharfsinnige Gegenspielerinnen auf und führen die Diskussionen auf hohem intellektuellem Niveau, das selbst Hugh Grants Figur Mr. Reed ins Wanken kommt.

 

Philosophie und Schmetterlinge

Dieser Schlagabtausch ist das Herz des Films. Es prallen Welten aufeinander, sodass eine Spannung aufbaut wird, die in weiten Teilen nicht loslässt. Scharfzüngige Dialoge und unerwartete Wendungen begleiten den Film.

Die Gespräche handeln von Polygamie und Pornos sowie heiligen Schriften und religiösen Quellen. Das Besondere ist aber hierbei, dass die jungen weiblichen Figuren eindeutig dem älteren Gegner ebenbürtig sind. Sie sind selbstkritisch, intelligent und haben das Auge für die kleinen, fast schon unwichtigen Dinge. Das ist extrem erfrischend.

Denn Feuer entsteht durch Reibung. Hier traut sich das Studio A24 etwas Neues, etwas Kreatives und neue Ideen von Hollywood, auch ohne hohes Budget.

 

Stärken und Schwächen

Der Film überzeugt vor allem durch seinen atmosphärischen Stil, die psychologische Tiefe und Hugh Grants grandiose Leistung.

Allerdings weist der Film hin und wieder einige Schwächen auf. Einerseits suggeriert der Trailer des Films eine härtere Horrorstory, die sich als philosophisch-intellektuelles Drama entpuppt. Es werden Erwartungen hervorgebracht à la „Saw“ oder „Cube.“ Davon sollten die Zuschauer nicht in die Irre führen lassen. Zwar spielen einige Räume im Film eine Rolle, aber der Fokus liegt ganz klar woanders. So ist auch die zweite Hälfte des Films nicht mehr so spannend, wie der erste Teil. Er schafft es nicht, die Spannung bis zum Ende zutragen. Hat aber gleichzeitig einige Twists und Wendungen in der Hand.

Vorwerfbar ist auch, dass es keine eindeutige Lösung gibt. Der Film fordert die Zuschauer auf, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen – ein Ansatz, der nicht jedem gefallen wird. Der Hugh Grant Charme ist aber immer noch da.

Fazit: „Heretic“ ist ein mutiges, unterhaltsames Horrorspiel, in dem Hugh Grant auf einer ganz anderen Seite glänzt. Er ist atmosphärisch, packend, intellektuell fordernd, verliert aber in der zweiten Hälfte etwas an Dynamik. Er setzt sich argumentativ mit den Ansichten auseinander, ohne sich dabei auf eine Seite zuschlagen. Er ist offen und so entsteht ein Balanceakt zwischen den Welten.

Bewertung: 7,5/10.

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