Zum 25. Geburtstag landet das schönste Geschenk im Briefkasten: Eine Zahlungsaufforderung der Krankenversicherung.
Bis man 30 Jahre alt ist hat man das Privileg, sich selbst über eine gesetzliche Krankenversicherung zu versichern. Und das zu top Angeboten! Ist man beispielsweise bei der HanseMerkur, so nimmt das nur mindestens 142,10€ des monatlichen Budgets in Anspruch. Zusätzlich droht durch eine Finanzlücke von 17 Milliarden Euro bei der GKV eine weitere Beitragserhöhung und eine Krise der Krankenkassen. Nicht nur die hohen Kosten, sondern auch die große Auswahl an Krankenkassen und Ungleichbehandlung zwischen privaten und gesetzlich Versicherten führt dazu, dass die Deutschen eine hohe Unzufriedenheit trotz einem eigentlich guten Krankenversicherungssystem aufzeigen.
Eine mögliche Lösung wäre die einheitliche Bürgerversicherung. Von Anna Maria Faust.
Was ist die Bürgerversicherung?
In Deutschland herrscht das zweiteilige Gesundheitssystem, bestehend aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung, welches immer wieder unter dem Vorwurf steht, eine Zwei-Klassen-Medizin zu fördern.
Das Modell der Bürgerversicherung wurde 2003, unter anderem von Karl Lauterbach, entworfen und soll die Krankenkassen zu einer einzigen staatlichen Krankenkasse vereinen. Durch steuerliche Beiträge aller Bürger soll unabhängig von dem Beruf oder finanziellen Lage so die gleiche medizinische Leistung gesichert werden.
Auf den ersten Blick klingt die Bürgerversicherung nach einer genialen Idee, welcher der Umsetzung so schnell wie möglich bedarf, jedoch weist auch dieses Modell scheinbar unüberbrückbare Hürden auf.
Probleme und wie sie zu meistern sind
So sehr mein Gerechtigkeitsempfinden auch will, dass die Bürgerversicherung funktioniert, gibt es doch viele Konfliktpunkte bei der Umsetzung. Das wohl stärkste Argument für die Bürgerversicherung ist das gleiche Leistungsniveau. Alle Patienten würden überall Anspruch auf die gleiche medizinische Behandlung erhalten. Dies würde beispielsweise dazu führen, dass der Kassenpatient keine sechs Monate auf einen Termin beim Augenarzt warten müsste, sondern seinen Termin nach wahrerer Verfügbarkeit wählen kann. Der PKV-Verband hingegen ist der Ansicht, dass sich die Patientenversorgung für alle Bürger verschlechtern würde, da es die Möglichkeit etlicher Zusatzversicherungen geben würde, welche erst recht eine Zwei-Klassen-Medizin fördern würde. Jedoch hat unser Nachbarland Österreich bereits bewiesen, dass ein Einkassensystem, in dem Zusatzleistungen, wie Einbettzimmer zu buchen, funktioniert. Und schließlich ist doch ein zwei-Klassen-System indem es lediglich um die Frage geht wer einen nervigen Zimmernachbarn hat und wer nicht doch wesentlich erträglicher als wenn es um medizinische Versorgung geht.
Wohl größter Nachteil der Bürgerversicherung wären jedoch die Kosten. In einem Land indem die Geburtenrate stetig sinkt und der Anteil an Rentnern steigt, müssen immer weniger Arbeitende durch Steuern immer mehr Rentner mitfinanzieren. Aber auch diese Hürde würde sich lösen lassen, wenn man die Beitragsberechnung nach dem jeweiligen Einkommen berechnet. Aus einem Antrag der Linken an den Bundestag erschließt sich sogar, dass Beitragssätze auf unter 12% senkbar wären, wenn die Beitragsbemessungsgrenze für hohe Einkommen abgeschafft werden und auch Kapitalvermögen als auch Vermietung mit einbezogen würde. So wären schließlich auch wir Studierende nicht mit unrealistischen Summen belastet.
Zuletzt sollen alle wie in der GKV mit der Bürgerversicherung die Möglichkeit zu einer Familienversicherung ohne Zusatzkosten haben. Somit würden sogar die Privatversicherten mit Kindern einen Vorteil und Entlastung durch die Bürgerversicherung erhalten.
Die politische Lage
Bisher fand sich in der CDU ein Gegner der Bürgerversicherung. So führt sie am 30.01.2018 einige Argumente auf ihrer Website aus. Das Argument, dass es Arbeitsplatzverlust bei den Angestellten der Privaten Krankenversicherung (PKV) gäbe ist einschlägig. Hingegen dass das duale System sich über die Zeit eben bewährt hätte und es schlechthin keinen Anlass für eine „Zerschlagung“ (CDU Archiv vom 30.01.2018) der PKV gäbe, spiegelt den typisch nicht progressiven CDU Charakter wieder. Da Deutschland als einziges EU-Mitgliedsland noch an der PKV festhält, zeigt sich eine deutliche Bewegung in Richtung faire Medizin, welche vor allem in unserem Sozialstaat auf mehr Zustimmung treffen sollte. Eine Umfrage von Infratest Dimas zeigte zudem, dass sich 70% der Deutschen eine einheitliche Krankenkasse wünschen, eine politische Auseinandersetzung dringlicher wird denn je.
SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Linke und auch der Deutsche Gewerkschaftsbund fordern hingegen ein durch Steuern finanziertes Krankenversicherungssystem für alle Bürger. Die konkrete Ausgestaltung steht noch aus, beispielsweise herrscht Uneinigkeit darüber, an welchen Kriterien sich die Beitragserhebung orientieren sollte, jedoch gibt die letzte Bundestagswahl einen Funken Hoffnung auf die Diskussion und anschließende Umsetzung.
Olaf Scholz versprach in einem Interview mit dem Sozialverband Deutschland sogar ausdrücklich die Einführung der Bürgerversicherung, vor allem im Bereich der Pflege, falls er Kanzler werden sollte. So haben wir schließlich sogar in unserem Kanzler einen Befürworter gefunden: „Die Bürgerversicherung im Bereich der Pflege ist etwas, das wir ganz dringend anpacken müssen“. Ob nach diesen Worten auch Taten folgen werden, wird sich hoffentlich bald zeigen.
Ein optimistischer Blick in die Zukunft
Die aktuellen finanziellen Probleme der GKV lassen AOK-Bundesverband-Chefin Carola Reimann vor einer „historischen Krise“ warnen. Indem die Krankenkassen immer weniger Geld trotz steigender Beiträge haben, wird die Debatte um das System und die Funktionalität der Krankenkassen somit so aktuell wie nie. Sowohl aus der Bevölkerung als auch von Politikern macht sich eine Tendenz in Richtung Einkassensystem spürbar. Mit der aktuellen Regierung haben wir eine grundsätzliche Offenheit gegenüber der Bürgerversicherung und somit die realistische Chance auf Reformen. Denn wie Österreich bereits vorbildhaft zeigt, ist eine einheitliche Krankenkasse sowohl durchsetzbar als auch wünschenswert. Medizin sollte schließlich niemals eine Frage des Geldbeutels sein.