„It could have been worse“ – Die English Drama Group probt „Carpe Jugulum”

In etwa einem Monat findet die nächste Premiere der „English Drama Group“ der Uni Potsdam statt. Diesmal wagen sich die jungen Talente an den leider kürzlich verstorbenen Terry Pratchett. Wir durften bei den Proben reinschnuppern. Von Maria Dietel und Angelina Schüler.

Die English Drama Group (EDG) kann auf eine lange Tradition zurückblichen: Bereits seit 1984 gibt es die Gruppe, komplett in der Hand der Studis ist die EDG seit 2002. Wie der Name schon verrät, führt sie ihre Stücke in englischer Sprache auf. Dabei stehen die Genres Komödien, Krimi, Fantasy oder auch Kunstmärchen auf der Repertoire-Liste.

Dieses Jahr soll es nun ein waschechter Pratchett sein. Aber warum eigentlich? „Terry ist einfach mein absoluter Lieblingsautor“, sagt Ben, der Regisseur, „und Carpe Jugulum ist einer meiner Lieblingsromane von ihm.“ Nach zweijähriger Regie-Pause wollte er den Scheibenwelt-Roman auf die Bühne bringen. In der Adaption von Stephen Briggs zeigt die English Drama Group die witzigen, mysteriösen, schrecklichen und herzerwärmenden Charaktere aus der genialen Feder Pratchetts.

Eine Taufe, Vampire, Hexen und ein Unterunterdekan

Dabei ist es nicht ganz so einfach, die Quintessenz von Scheibenwelt-Romanen herauszufiltern. Zwischen den Zeilen der oftmals komödiantischen Handlung verstecken sich große menschliche Themen und existenzielle Fragen. Pratchett behandelt die Musikindustrie, die Eigendynamik von Waffen, Modernisierung und Tourismus, Globalisierung, politische Verschwörungen, Kriegseuphorie, Rassismus und Integrationsprobleme, Freiheit und Sklaverei, Schizophrenie, Terrorismus,  Geschichte und Mythen, Emanzipation und noch vieles mehr. Und immer wieder werden gängige Fantasy-Klischees aufgegriffen und nach Pratchett-Manier vorgeführt.

Den Leser_innen wird der starke moralische Kern in seinen Büchern erst im Verlauf der Handlung deutlich. So auch bei Carpe Jugulum (Ruhig Blut), hinter dem harsche Kritik an Gotteswahn und religiösem Eifer steckt, aber auch die zu oft aufgedrängte Political Correctness aufs Korn nimmt. Wie kein Zweiter hat es Terry Pratchett immer wieder geschafft, dass hinter einer witzigen Story ein Spiegel steht, der uns zwingt, uns selbst zu betrachten. Sein Tod im März dieses Jahres ist daher ein herber Verlust für die literarische Landschaft und die Orang-Utan Foundation, für die sich der britische Autor einsetzte und der er in Gestalt des Bibliothekars eine Figur widmete.

Viel Arbeit, aber es lohnt sich

Terrys Tod ist natürlich auch nicht an den Mitgliedern der EDG spurlos vorbei gegangen. Die plötzliche Ruhe und der sanfte Ton in den Stimmen der Darsteller_innen zeigen ein weiteres Pratchett-Phänomen: Ein Scheibenwelt-Roman ist mehr als nur ein Buch und Terry war mehr als nur ein Autor. Seine bezaubernde Welt auf die Bühne zu bringen erfordert harte Arbeit und viel Zeit. Davon kann das Team der English Drama Group wohl einen mehrstimmigen Kanon anstimmen.

Immerhin organisieren sie alles selbst. Vom Kostüm, über Werbung und Promo-Aktionen, Bühnenbild, Dramaturgie, Technik und Veranstalungsmanagement bis hin zur Regie und natürlich dem eigentlichen Schauspielern wird jede Aufgabe unter den Mitgliedern aufgeteilt. Reife Leistung, wenn man bedenkt, dass es ja eigentlich nur ein Hobby ist und nebenher noch studiert, gearbeitet und gelebt wird. Ärgerlich, wenn dann die Hausverwaltung plötzlich die heißgeliebte Theaterbühne im Golm bis auf Weiteres sperrt und auf die weitaus kleinere Veranstaltungsbühne am Campus Neues Palais verweisen. „Wir sind sehr dankbar, dass wir diese Ausweichmöglichkeit hier haben“, meint Martin, der den Graf von Elstyr spielt.

Aber ein Bühnenwechsel mitten in der Probenphase? Immerhin probt die EDG seit Mitte August an dem Stück. Von den bürokratischen Hürden, die eine Veranstaltung in den Liegenschaften des Studentenwerks mitbringt, ganz zu schweigen. Obwohl die Mensa zu den Aufführungsterminen geschlossen ist, dürfe die English Drama Group keine Getränke anbieten. Die Organisation der Schlüssel sei ein Thema für sich. Es scheint, als würde es Studierenden oft unnötig schwer gemacht werden, kulturelle Angebote in der Uni anzubieten.

Dabei profitieren alle Studis von solchen freiwilligen Initiativen. Zum Glück muss sich das Team weniger Sorgen um das liebe Geld machen, als es beispielsweise bei einer freie Theatertruppe der Fall wäre. Seit Jahren ist die EDG fester Bestandteil des Studiumplus-Programms und erhält dadurch auf Antrag die nötige Förderung. Auch die Studierenden genießen die Vorteile, die es bietet, wenn man fürs Theaterspielen drei Leistungspunkte bekommt.

Theaterspielen und Leistungspunkte bekommen

Doch vor allem die eigene Motivation steht – wie bei anderen zeitintensiven Hobbies – bei der English Drama Group im Vordergrund. Die Darsteller_innen bleiben nicht der LPs wegen dem Spielen treu, sondern weil die Gruppe Schönes auf die Bühne bringt: Theater muss nicht nur unterhalten, es muss auch aufwühlen, anregen und aufzeigen. Das Publikum soll nachdenken ohne es zu merken. Welcher Stoff wäre da besser geeignet, wenn nicht ein Roman von Terry Pratchett?

Der Regisseur Ben fasst es folgendermaßen zusammen: „Er hat mein Weltbild unglaublich geprägt“. Dass dies auch auf der Bühne sichtbar wird, davon kann nach dem Probenbesuch ausgegangen werden. Schon ziemlich textsicher und teilweise kostümiert bekommen wir einen kleinen Vorgeschmack auf die Premiere, die am 4. Juni um 18.30 Uhr in der Oberen Mensa am Campus Neues Palais stattfindet. Soviel sei gesagt: Es darf herzlich mitgelacht und mitgefiebert werden.

Weitere Infos und eine Probentagebuch findet ihr unter edg-potsdam.jimdo.com.

2 Antworten auf &‌#8222;„It could have been worse“ – Die English Drama Group probt „Carpe Jugulum”&‌#8220;

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert