Umso verschulter, hektischer und anonymer der Alltag an der Universität wird, desto weniger erinnern sich Studierende daran, dass es viele Möglichkeiten gibt, die Bedingungen an der eigenen Hochschule zu verändern. Im Sommer werden wieder die Mitglieder von Studierendenparlament, Senat und Fakultätsräten gewählt. Was geht uns das an? Von Denis Newiak.
Wenn es auf dem Campus wieder wärmer wird, beginnt alljährlich die heiße Wahlkampfphase: Engagierte aus den zahlreichen politischen Hochschulgruppen und Einzelbewerber_innen buhlen um die Stimmen der rund 21.000 studentischen Wahlberechtigten an der Universität Potsdam. Wie man es aus einem Bundestagswahlkampf gewöhnt ist, erhöht sich auf dem Campus dann die Anzahl von Plakaten, Flyern und Einladungen zu mehr oder weniger politischen Veranstaltungen – und signalisiert den Studierenden, dass wieder eine Wahl bevorsteht, bei der sie auf das politische Leben an der Universität direkt Einfluss nehmen können.
Wie gewohnt, fiel auch 2013 die Wahlbeteiligung weit geringer aus, als es sich die meisten Bewerber_innen wohl wünschen: Nicht einmal jede_r achte Studi machte vom persönlichen Stimmrecht Gebrauch. Dabei entscheiden die zu wählenden Organe wohl mehr, als sich die meisten Studierenden bewusst sein dürften. In der gesamten Bundesrepublik verharren die Beteiligungswerte dennoch im Keller.
Zum einen sind die Studierenden aufgefordert, bis zu drei Stimmen an die Bewerber_innen um die Sitze des Studierendenparlaments (Stupa) zu vergeben, jeweils höchstens eine Stimme pro Kandidat_in. Damit nehmen die Wähler_innen Einfluss auf die Entwicklungen in der „verfassten Studierendenschaft“: gesetzlich verbürgt, haben die Studierenden in fast allen Bundesländern (außer Bayern) das Recht, sich selbst eine demokratische Vertretung und durch diese eine Art „Regierung“ zu wählen, die für sie bestimmte Aufgaben erfüllt, zum Beispiel die Vertretung studentischer Interessen gegenüber der Landes- und Bundespolitik, die Förderung von Kunst und Kultur oder solidarische Unterstützung in schwierigen Lebenslagen. Die politische Gesinnung der Gewählten kann wie in der „großen“ Politik Einfluss auf die Entscheidungen des 27-köpfigen Studierendenparlaments haben. Ausgestattet mit einem jährlichen Budget von rund 400.000 Euro aus Studierendenschafts-Beiträgen, die direkt von allen Studierenden semesterweise zusammen mit den anderen Gebühren entrichtet werden müssen, entscheiden so das Stupa und der von ihm eingesetzte „Allgemeine Studierendenausschuss“ (AStA) nicht nur über die Unterstützung studentischer Projekte oder die Einrichtung von Beratungsangeboten, sondern auch über die Vergabe von zum Teil hochdotierten Werkverträgen oder die Höhe der an die Ehrenämtler_innen ausgezahlten Aufwandsentschädigungen. Während die Vertretung der verfassten Studierendenschaft damit wichtige Aufgaben wahrnimmt, waren so manche Entscheidungen in der jüngsten Vergangenheit nicht widerspruchsfrei (speakUP berichtete und kommentierte) – die Studierenden sind also gut beraten, nicht nur von ihrem Recht Gebrauch zu machen, mitzuentscheiden, wen sie zu ihren Vertreter_innen machen, sondern diesen dann auch gelegentlich „auf die Finger zu schauen“, schließlich sind Sitzungen und auch die Mailingliste des Studierendenparlaments in der Regel öffentlich, manche würden sie sogar als unterhaltsam bezeichnen. In manchen Jahren wird parallel zu den Wahlen auch eine Urabstimmung durchgeführt – vergleichbar mit einer „Volksabstimmung“ unter den Studierenden. Zu der erhofften signifikant höheren Wahlbeteiligung kam es im letzten Jahr dadurch aber nicht.
Doch mit diesem einen Stimmzettel ist es im Wahllokal nicht getan: Zusätzlich können die Studierenden ihre Kreuze für ihre bevorzugten Vertreter_innen im Senat und in den Fakultätsräten machen. Diese Organe der sogenannten „akademischen Selbstverwaltung“ entscheiden über wichtige Vorgänge direkt an der Universität. Hier sind stets neben den Studierenden auch die Hochschullehrer_innen sowie akademischen und technischen Angestellten vertreten. Gemeinsam entscheiden sie über die Zusammensetzung des Dekanats und den Vorsitzenden (die oder den Dekan_in), Struktur- und Entwicklungsplanung der Fakultät oder Vorschläge zur Berufung von Professor_innen. Über die studentischen Vertreter_innen kann also erheblicher Einfluss genommen werden, in welche Richtung sich die eigene Fakultät entwickelt.
Über noch größere Kompetenzen verfügt der Senat, das höchste beschlussfassende Gremium der Universität. Seine Mitglieder entscheiden über alle Fragen, die die gesamte Universität betreffen, und wählen beispielsweise auch den Präsidenten der Universität. Dieser hat letztlich in dieser „präsidialen Demokratie“ die größten Machtkompetenzen. Von den insgesamt 11 Sitzen des Senats werden (wie in den Fakultätsräten) sechs von Hochschullehrer_innen besetzt, jeweils zwei bleiben für die akademischen Mitarbeiter_innen und die Studierernden übrig. Die Angestellten aus Technik und Verwaltung werden durch eine_n Repräsentant_in vertreten. Ob die Studierenden in Zukunft stärker in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung vertreten sein werden, ist derzeit Streitpunkt in der rot-roten Koalition im Landtag: Der aktuelle Gesetzesvorschlag sieht eine Erhöhung von einem Viertel auf 30 Prozent vor – zu Lasten der Beteiligung der Mitarbeiter_innen.
Auch wenn sich die Aufgaben der verfassten Studierendenschaften in den letzten Jahrzehnten erheblich geändert haben, sind sie heute bei weitem nicht so überflüssig, wie einen die Wahlergebnisse glauben machen möchten – eher stößt die nicht-wählende Studierendenschaft sie mit jedem Jahr immer tiefer in eine Krise konstant abnehmender Legitimation durch die Wählerschaft. Einen Gefallen tun sich die Studierenden damit nicht: Die jahrelange Diskussion um die bis heute andauernde Novellierung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes zeigt, dass es sich auszahlen würde, eine starke Studierendenvertretung zu wählen. Und auch wenn der studentische Einfluss in der akademischen Selbstverwaltung verhältnismäßig gering ist, wird damit umso wichtiger, diesen auch gut auszunutzen. Damit ist die Universität immer nur so demokratisch, wie die Studierenden es möchten.
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