Eine bezahlbare und gemütliche Wohnung in der Studienstadt finden – der Horror aller Studierenden. Mit dem Thema Wohnungsnot haben sich zwei Potsdamer Studenten bei dem Plakatwettbewerb „Wie ge-wohnt“ auseinandergesetzt. Zur Ausstellungseröffnung im Potsdamer Studentenwerk wurden die Notlage in Potsdam diskutiert und alternative Wohnformen wie „Pärchen“-Wohnungen oder „Wohnen für Hilfe“ vorgeschlagen. Von Katharina Golze.
Als Theo Schubert seine Wohnung im Norden Potsdams auf eine Onlinewohnungsbörse einstellt, erhält er innerhalb von 24 Stunden 30 Interessenten und entscheidet sich, sein Angebot wieder offline zu stellen. Bei der Wohnungsbesichtigung lernt er einen Architekturstudenten kennen. Dieser ist Erstsemester und hat bisher keine Wohnung in Potsdam gefunden. Um nicht jeden Tag zwischen einem Randbezirk im Osten Berlins – wo er Bekannte hat – zu pendeln, schläft er im Studio der Fachhochschule. Ein anderer Student schäft zwei Wochen im Hotel, bis er am Tag der freien Vergabe (an dem das Studentenwerk die Restplätze an die Ersten in der Schlange vergibt) nach zwölfstündigem Warten sein Wohnheimzimmer bekommt. Diese Studierenden verkörperen die Wohnungsnot in Potsdam.
Dem Thema „Herausforderung Wohnungssuche für Studierende“ widmete sich das Potsdamer Studentenwerk am 11. Januar und eröffnete eine zweistündige Gesprächsrunde zwischen Studierenden, Studierendenvertreter_innen und Studentenwerk. Anlass war die gleichzeitige Eröffnung einer Wanderausstellung im Foyer des Studentenwerkes. Gezeigt werden die 30 Gewinnerplakate des 29. Plakatwettbewerbs des Deutschen Studentenwerkes mit dem Motto „Wie ge-wohnt“. Auch die Plakate der zwei Potsdamer Studenten Mario Klemm und Amadeus Ewald Fronk gehören zu den ausgestellten Werken. Neben den beiden Studierenden diskutierten Kenny Schillack, Studierendenrat der Technischen Hochschule Wildau, und Theo Schubert, Allgemeiner Studierendenausschuss der Fachhochschule Potsdam, gemeinsam mit Peter Heiß, Geschäftsführer des Studentenwerkes Potsdam, und Ronald Ostermann, Sachgebietsleiter Wohnen, über Perspektiven und Herausforderungen auf dem Potsdamer Wohnungsmarkt.
Studentisches Wohnen in Zahlen: Hab ich eine Chance?
Im Jahr 2016 bekam jede_r vierte Antragsteller_in einen Wohnplatz beim Potsdamer Studentenwerk. Auf dem Online-Portal waren im vergangenen Jahr 4500 Anfragen eingegangen, davon 3200 zum Wintersemester. Dennoch gibt es in Potsdam nur 2209 Wohnheimplätze, sodass insgesamt etwa nur jede_r elfte Student_in dieses Glück hat. Mit einer Versorgungsquote von 8,93 Prozent liegt Potsdam unter dem Bundesdurchschnitt.
Wer sich aktuell bewirbt, hat schlechte Chancen. Die Wohnheimplätze seien zu 100 Prozent ausgelastet, verwies der Sachgebietsleiter für Wohnen Ronald Ostermann. Und wenn Plätze frei sind, haben vor allem Erstsemester mit entfernten Wohnorten und internationale Studierende Vorrang. Geschäftsführer Peter Heiß erklärte, dass insbesondere diese Zielgruppe bei der Wohnungssuche benachteiligt sei, da sie kein Netzwerk haben, um leerstehende WG-Zimmern, freundliche Vermieter_innen oder lokale Wohnungsanbieter zu kennen.
Alternativer Wohnraum für wenig Geld
Aktuell wird bereits neuer Wohnraum geschaffen. Seit Oktober letzten Jahres werden die drei alten Wohnblöcke auf dem Golmer Campus abgerissen, um Platz für 300 neue Unterkünfte zu schaffen. Zum Wintersemester 2018/19 sollen die Gebäude bereits bezogen werden können. „Das reicht lange nicht aus, um den Bedarf an studentischen Nachfragen zu leisten“, sagte Heiß und erklärte alternative Ideen. Unter anderem sind in dem Golmer Neubau 40 „Pärchen“-Wohnungen geplant. Das heißt, dass sich zwei Studierende ein Zimmer teilen, so wie es noch bis Anfang der 1990er Jahre in Studentenwohnheimen üblich war.
Zudem bietet das Potsdamer Studentenwerk eine weitere Alternative, um kurzfristig der Wohnungsnot entgegenzuwirken. Für einen monatlichen Aufpreis von 50 Euro können Student_innen mit in das Wohnheimzimmer des Kommilitonen ziehen. Wichtig sei nur, dass ein offizieller Untermietervertrag mit dem Studentenwerk vereinbart wird, sagte Heiß. Und auch das Zimmer angehender Auslandsstudierender aus Potsdam soll nutzbar gemacht werden. Das Studentenwerk bietet Verträge, um das Zimmer in der Zeit des Erasmus-Semesters an jemand anderen zu vermieten.
In Autoanhängern oder Containern wohnen
Etwas minimalistischere Vorschläge brachte die Design-Studentin Irina Maslennikova in die Diskussionsrunde ein: Sie berichtete von ihrem Tiny House (auf einem Autoanhänger zu transportierendes Haus), welches sie sich derzeit mit Freund und Kind ausbaut, um damit zwischen Universität und Wohnort pendeln zu können. Sie schlug zudem vor, Container als vorübergehende Wohnraumlösung aufzustellen. Dieses Konzept wurde an der Technischen Hochschule Wildau bereits mehrere Jahre erfolgreich umgesetzt, musste jedoch aufgrund der Baufälligkeit beendet werden.
Heiß schlägt auch das intergenerationale Wohnkonzept „Wohnen für Hilfe“ vor, welches bereits mit einigen Anzeigen am schwarzen Brett des Studentenwerkes ins Rollen gebraucht wird. Dort können Studierende eine Bleibe bei einer älteren Person oder kinderreichen Familie finden, die genügend Quadratmeter haben aber Unterstützung beim Putzen oder Babysitten benötigen. Eine Win-Win-Situation auf beiden Seiten. Hier erhoffen sich Ronald Ostermann und Peter Heiß die Kooperation mit der Stadt Potsdam.
Was tut die Stadt Potsdam für ihre Studierenden?
David Kolesnyk, Stadtverordneter der Landeshauptstadt Potsdam und Mitglied im Ausschuss für Kultur und Wissenschaft, warf in die Diskussion ein, dass die Stadt Potsdam Willens sei, studentischen Wohnraum in Potsdams Mitte zu schaffen. Auf dem Areal der derzeitigen Fachhochschule Potsdam, am Alten Markt, werden derzeit Sozialwohnungen für 1000 Menschen geplant. Damit soll auch die Potsdamer Innenstadt studentischer belebt werden.
Denn AStA-Vertreter Theo Schubert beanstandete, dass die Innenstadt zu touristisch ausgelegt sei und studentisches Leben oft ausgelagert würde. Zum Beispiel das studentische Kulturzentrum KuZe habe mit den Anwohner_innen und dem Ordnungsamt zu kämpfen. Das freiland stehe dort, wo es niemanden stört. Der FH-Student wünschte sich, dass das Unileben in der Stadt präsenter wird und neue kulturelle Ballungsorte geschaffen werden. Nur wenn man annehmbaren Wohnraum biete, würden auch die Studierenden nach ihrem Abschluss in Potsdam bleiben, sagte Schubert.
Dem Studentenwerk selbst sind oft die Hände gebunden. Denn das Land Brandenburg vergibt nur unregelmäßig Fördermaßnahmen für Wohnbaumaßnahmen, jede Förderung müsse einzeln erkämpft werden, sagte Heiß. Hinzu kommt die reglementierte Kreditvergabe, nach welcher das Studentenwerk nur beim Land direkt Kredite beantragen darf. Damit seien sie schlechter gestellt als freie Wohnungsanbieter, da sie Finanzierungsmöglichkeiten wie bei der KfW, Kredit für Wiederaufbau, nicht annehmen dürfen, erklärte der Geschäftsführer des Studentenwerkes weiter. Die Thematik bleibt also problematisch, eine einfache Lösung gibt es nicht.
Wohnungsnot mal plakativ und humorvoll
Dass man dem Thema studentisches Wohnen auch auf humorvoller Art und Weise begegnen kann, zeigte sich bei der anschließenden Ausstellungseröffnung. Mario Klemm, Kommunikationsdesign-Student, hatte ein Plakat eingereicht, auf welchem ein Zelt mit WLAN-Router zu sehen ist. „Ich wollte zeigen, was essentiell ist, wenn man eine Wohnung sucht: Internet“, sagte er schmunzelnd und erklärte, dass er und seine Kommilitonen oft panisch werden, sobald die WLAN-Verbindung unterbrochen ist. Solange man online sein könne, wäre die Behausung egal. Dass er bei seinem ersten Plakatwettbewerb so erfolgreich ist, und bei 640 eingereichten Plakaten unter die Top 30 kommt, hätte er selbst nicht gedacht.
Für Amadeus Ewald Fronk war die Einreichung eher eine Routine. Seit mehr als vier Jahren nimmt er an verschiedenen Wettbewerben teil, und hat bereits mehrfach bei der Ausschreibung des Deutschen Studentenwerkes mitgemacht. Der Design-Student sieht die Wettbewerbe als Herausforderung: „Als Gestalter sucht man sich die Themen nicht aus, aber es hat Spaß gemacht, sich mit dem Thema ernsthaft auseinander zusetzen.“
Er hat Alltagsequipment aus seinem WG-Leben auf einer dreiteiligen Plakatserie dargestellt: Kondome und Ohrenstöpsel, Schwamm und Tasse, leerer Joghurtbecher und ein Teelöffel. Alle drei Werke von ihm hängen nun in Potsdam. „Ich wollte dem Thema mit Humor begegnen“, sagte er und bekannte, dass in seiner WG das Abwaschproblem am präsentesten ist.
Auch Geschäftsführer Peter Heiß genoss die Vernissage und freute sich gleichzeitig, diese für eine ernsthafte Thematik nutzen zu können: „Wir sind in lockerer Atmosphäre zu einem nicht lockeren Thema zusammen gekommen.“ Es bleibt zu hoffen, dass die Landes- und Stadtpolitik sowie das Studentenwerk die Thematik auch weiterhin nicht locker behandelt. Zwar ist für Alternativen gesorgt, doch wäre es erstrebenswert, dass zumindest jeder neunte oder zehnte Studierende vom Studentenwerk versorgt werden kann.