Unidram 2015: Theater mal anders

Vom 3. bis 7. November fand das internationale Theaterfestival Unidram zum 22. Mal in der Schiffbauergasse statt. Dabei trafen 100 Künstler_innen aus Deutschland, Spanien, Tschechien, Polen sowie Israel aufeinander. Sie sorgten mit ihren humorvollen, zugleich aber auch anspruchsvollen Theaterstücken für beste Unterhaltung. Von Eileen Schüler.

Der „Theater-Marathon“ beginnt

Innerhalb der fünf Festivaltage konnte man als Zuschauer_in elf Theaterstücke und fünf Konzerte im Erlebnisquartier Schiffbauergasse besuchen. Die Bühnenstücke wurden von freien Theatergruppen aus verschiedenen Ländern selbst geschrieben und modern inszeniert: überraschend, lustig, schockierend oder verstörend. Wer diese Veranstaltungen besucht hat, erlebte Theater neu – und das Neue regte zum Nachdenken an.

Der israelische Botschafter, Jaakov Hadas-Handelsman, beehrte das Eröffnungsstück Salt of the Earth sogar mit seiner Anwesenheit. Unter den zahlreichen Gästen waren außerdem Theaterfachleute, Professoren_innen, Journalisten_innen sowie Studierende. Sie alle waren spürbar gespannt, was sie gleich erwarten sollte.

Eine gelungene Eröffnung

Plötzlich geht das Licht aus und auf der Bühne sind fünf Schauspieler_innen zu erkennen, die ein Berg aus Salz aufschütten. Welche Rolle spielt dieses Salz? Salzig sind die Tränen der Menschen, versalzen ist die Suppe, Salz ist etwas Alltägliches und doch Kostbares. Daraufhin erzählt ein Mann seine Geschichte von der Flucht in die israelische Stadt En Harod. Die Handlungen auf der Bühne halten die Schauspieler_innen mithilfe einer Live-Kamera fest, deren Bilder einer Miniaturwelt aus Wüstenstädten, Straßen und Siedlungen auf einer großen Leinwand für das Publikum erscheinen.

Die Darsteller_innen sprechen die Dialoge auf Hebräisch, wodurch die dargestellte Situation noch authentischer wirkt, während für das Publikum auf der Leinwand auch Übersetzungen eingeblendet werden. Das Drama öffnet einen sehr kritischen Blickwinkel auf die Situation Israels, wenngleich die deutschen Zuschauer_innen teilweise an die Grenzen ihrer Kenntnisse über die politischen Verhältnisse in Israel stoßen.

Auf das bewegende Bühnenstück folgt ein Sektempfang mit Büffet im Unidram-Zelt vor dem T-Werk. Die Potsdamer Band mueller-mückenheimer sorgt mit ihren Jazzklängen für eine angenehme Atmosphäre, die einzelne Grüppchen zum Tanzen animiert.

Inhalte nicht immer leicht zu erfassen

Weitere Stücke folgen an den nächsten Abenden. Jedes davon ist einzigartig und anders konzipiert, jedoch waren auch Gemeinsamkeiten erkennbar: Eine Tänzerin, die kurz vor ihrem Auftritt steht, tanzt um ihr Leben und verliert dabei ihre Identität. Das Stück Insight Men ist stark an den Film Inside Man angelehnt und spielt mit Bankraub, Verstrickungen und dem Publikum. Die Identität der Schauspieler_innen wird hinter Masken versteckt. Auch wird mit Der Sandmann ein klassisches Werk von E.T.A. Hoffmann aufgeführt. Allerdings wird der Untergang des Ichs hier tänzerisch und ebenfalls mit Masken gezeigt, wodurch das romantische Werk eine neue Aufwertung der litauischen Theatergruppe erhält.

In Revue of Fire klettert eine Frau aus einer seitlichen Luke auf die Bühne. Sie bewegt sich langsam, verschiebt halbierte Stühle und lässt sie von Tischen herunterfallen, bis die weiteren Darsteller_innen ihr auf die Bühne folgen. Sie vollführen komische Bewegungen und ziehen sich an- und aus. Währenddessen erscheinen weitere Bewegungen auf den seitlichen Leinwänden. Das Publikum weiß offensichtlich nicht genau, was es mit diesem Spektakel anfangen soll und klatscht verhalten. Diese anspruchsvolle schauspielerische Leistung bewegt sich zwischen Illusion und Wirklichkeit, die aus traumartigen Arrangements besteht und deshalb nicht leicht für das Publikum zu erfassen ist.

In einer weiteren Aufführung werden durch den Puppen-Performer Florian Feisel grundlegende Fragen um das mögliche Puppen-Dasein und die Unmöglichkeit des Mensch-Seins aufgeworfen. Ist es möglich, dass Puppen besser sterben können? Was bedeutet Tod und Leben für uns?

Das Ausklingen der Abende

Jeder Abend endet mit einem Konzert im gemütlichen Unidram-Zelt. Dieser Ort dient dem Austausch über die aufgeführten Theaterstücke, um Musik zu hören und zum Tanzen. Die Sängerin Ami Warning vereint in ihrer kraftvollen Stimme Soul, karibischen Reggae, akustischen Folk und leichten Pop. Am darauffolgenden Abend kann man die Band Footprint Project mit ihrem musikalischen Mix aus Ska, Funk, Breakbeats und Jazz genießen. Die tschechische Electro-Swing-Band Mydy Rabycad füllt das Festivalzelt mit elektronischen Jazzklängen, sodass jeder sein Tanzbein schwingen möchte. Zum Abschluss des Festivals sorgen Ivan Ivanovich & The Kreml Krauts mit Akkordeon, Posaune, Horn, Saxofon und Pauke für eine ausgelassene Stimmung.

Das Festival Unidram besteht nun seit 22 Jahren in Potsdam und überrascht jedes Jahr mit seinen zahlreichen Facetten. Ursprünglich hatte eine freie Student_innengruppe das Fest ins Leben gerufen. Mittlerweile ist es aus den Terminkalendern der Theaterliebhaber_innen nicht mehr wegzudenken. Es ist ein Ort, um Theater neu zu erfinden, zu experimentieren und mit dem Publikum zu spielen. Auch nächstes Jahr wird das Festival wieder stattfinden und uns hoffentlich mit gewohnt anregenden neuen Bühnenstücken erfreuen.

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