Mit dem Anspruch, Werke zu bieten, die stets jenseits des normalen Mainstreams liegen, überrascht der Universitäts-Chor „Campus Cantabile“ unter der Leitung von Professor Kristian Commichau und dem musikalischen Assistenten Jaakko Sirén jedes Jahr aufs Neue die Potsdamer Chorliebhaber_innen. Bei einer Probe zu Johannes Brahms Totenmesse „Ein deutsches Requiem“ durfte speakUP hineinschnuppern. Von Maria Dietel.
Etwa 90 Sänger_innen proben derzeit jeden Dienstagabend in der Mensa am Neuen Palais „Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms. Ziemlich unmodern oder gar langweilig könnte man nun denken. Aber das Gegenteil ist der Fall, denn die Chorleitung nimmt sich immer zum Ziel, die Studierenden zu begeistern und zu fördern. „Meine Sänger_innen sind daran gewöhnt, anspruchsvolle Literatur zu singen. Ein gehaltvolles und schweres Werk, mit dem man sich monatelang beschäftigt, wird nie langweilig“, so der Professor für Chor- und Ensembleleitung Kristian Commichau, der den Unichor 1997 gründete.
Alle Semester wieder ist es der Ansporn des Chores, chorsinfonische Werke aus dem Barock und dem 20. Jahrhundert aufzuführen. Über Orffs Carmina Burana, Händels Alexanderfest, Bachs Johannes-Passion bis hin zu Beethovens Missa Solemnis sucht Professor Commichau gerne Stücke aus, die lange kein Chor in Potsdam präsentiert hat. „Ab und an mal, so alle vier bis fünf Jahre, gönnen wir uns auch mal etwas, was alle machen“, spaßt Commichau im Interview.
Und spaßig geht es auch in den Proben zu: Von „Jetzt haben Sie aber das As mächtig verkackt“ bis „Sie erinnern mich an Dori. Sie wissen schon, dieser Fisch, der immer alles vergisst“, schafft es Commichau, die Sänger_innen immer wieder mitzureißen und mit unterhaltsamen Anekdoten zum Lachen zu bringen. Trotz aller Ulkerei gerät die Arbeit nie in den Hintergrund: Stimmtechnik, das Notenlesen vom Blatt, die richtige Aussprache von Vokalen und die schwere Literatur werden immer wieder geübt und dabei charmant verpackt, denn nach Commichaus Überzeugung wäre ein guter Lehrer nicht jener, der die Schüler_innen unterhält, sondern es schafft, Dinge an Sie heranzubringen, die Sie sonst nie freiwillig tun würden.
„Das Singen tut einfach der Seele gut“
Und dieses Ziel erreicht der Chor immer, wovon die vielen begeisterten Pressestimmen nach den gemeinsamen Auftritten mit dem Universitätsorchester „Sinfonietta Potsdam“ im Nikolaisaal zeugen. Dabei ist nicht zu vergessen, dass nur etwa ein Viertel des Chores von Musikstudierenden gestellt wird und alle neben Studium, Arbeit und Privatleben gern ihre Freizeit für Proben und Probenwochenenden am Petzower See hergeben, um „Gänsehautmomente beim gemeinsamen Singen zu schaffen“, so Ekaterina Karipanova, eine russische Master-Studentin.
Für die Sänger_innen ist die Teilnahme am Chorleben mehr als lohnenswert. Die ausgewählte Musik, der Spaß bei den Proben mit viel Humor und Wärme, das Gefühl von Gemeinschaft und natürlich das gemeinsame Musizieren sind hierbei nur einige Gründe der Studis. Für den Alumni Axel Fischer ist es „ein Privileg, an Stücken mitzuwirken, die nur wenige Male in Deutschland aufgeführt werden und eine unbezahlbare Erfahrung“, für Laura Zrenner, Musik-Studentin an der Uni Potsdam, lohne sich der Besuch der Proben immer, auch wenn sie erst kurz vor Mitternacht in Berlin ankomme.
„Am Ende des Semesters merken wir: Wir können das machen“
Dass Herr Commichau und der Universitäts-Chor „Kann“, das zeigt sich auch an dem großen Zulauf, an dem sich der Chor jedes Semester erfreut: Allein in diesem Semester gibt es etwa 25 neue Sänger_innen, darunter auch fünf Erasmus-Studierende, die zu den Schnupperproben gekommen sind und nun bleiben. „Wenn man Musik macht, verändert das den Menschen unbedingt. Diese jungen Studierenden kommen hier jeden Dienstag und zu Probenwochenenden her und opfern viel Freizeit, um sich von mir nerven zu lassen, von Musik, die sie privat vielleicht gar nicht so gut finden. Das ist die Kunst“, so Commichau. Die „Kunst“, nämlich Brahms Totenmesse „Ein deutsches Requiem“, wird im Januar 2016 im Nikolaisaal aufgeführt.