Die Temperaturen steigen, der Klimawandel schreitet voran und vielerorts hört man von den großen Veränderungen, die vollbracht werden müssen. Wir lenken den Blick vom Großen ins Kleine und schauen, wie sich der Verkehrssektor verändern kann und sollte. Von Antonia Rösler.
Der Rückgang der klimaschädlichen Emissionen durch die globale COVID19-Pandemie sorgte spätestens seit Mitte des Jahres 2020 für Schlagzeilen. Das Schließen von Grenzen und die starke Einschränkung des nationalen Individualverkehrs hat auch in Deutschland zu einer deutlichen Reduktion des Ausstoßes von klimaschädlichen Gasen – zumindest im Verkehrssektor – geführt [1].
Betrachtet man die Treibhausgas-Emissionen pro Personenkilometer, so beeinflusst die Pandemie die beiden Hauptemittenten, den Flugverkehr und den Individualverkehr in PKW [2] am stärksten. Da die Einflussnahme auf den Flugverkehr durch durchschnittliche Bürger_innen nur sehr eingeschränkt möglich ist, sollen hier die Möglichkeiten der Mobilitätswende im PKW-Bereich näher betrachtet werden. Denn für das Erreichen der Klimaziele für 2030 ist eine dauerhafte, nicht nur pandemiebedingte Senkung der Emissionen im Individualverkehr unumgänglich.
Stand der Technik
Neben dem klassischen Verbrennungsmotor gibt es eine Vielzahl alternativer Technologien, die mehr oder weniger vielversprechend und bekannt sind. Zwei bekanntere sollen an dieser Stelle kurz vorgestellt werden:
Der große Hoffnungsträger der Politik ist das batterieelektrische Fahrzeug (BEV oder umgangssprachlich E-Auto), also ein PKW, welcher die notwendige Antriebsenergie aus einer mit Strom geladenen Batterie erzeugt. Diese Batterien geben dem Fahrzeug nach dem aktuellen Stand der Technik eine Reichweite zwischen 150 km und 630 km, bis sie erneut geladen werden müssen [3]. Die Kosten für einen Neuwagen mit E-Antrieb auf dem aktuellen Stand der Technik bewegen sich zwischen 7.600€ (Renault Twizy) [4] und 82.000€ (Tesla S100D) [5].
Eine weniger beachtete Alternative zum klassischen Verbrennungsmotor stellt das Brennstoffzellen-Auto dar. Diese PKW benötigen, wenn sie emissionsfrei fahren sollen, Wasserstoff, entweder in gasförmiger oder flüssiger Form, und erreichen dadurch Reichweiten, die mit denen der E-Autos mithalten können. Der Markt für Wasserstoff-Autos ist noch klein, ab 77.000€ gibt es von zwei Herstellern Wagen zu kaufen (Hyundai Nexo [6], Toyota Mirai [7]).
Warum fährt Deutschland noch nicht elektrisch?
E-Autos auf den Straßen sind noch lange nicht überall angekommen, was auf mehrere Gründe zurückzuführen ist: Zum einen ist die Ladesäuleninfrastruktur noch im Aufbau und die Nutzung eines E-Autos über weite Strecken muss gut geplant werden, um die nächste Ladung zu sichern. Des Weiteren dauert ein komplettes Aufladen der Batterie, je nach Ladestation und Batteriekapazität, mehrere Stunden oder sogar Tage [3]. Insofern das Laden der Batterie nicht an eine heimische Photovoltaik-Anlage oder anderweitige erneuerbare Energien geknüpft ist, wird der Emissionsvorteil des E-Autos im Vergleich zu herkömmlichen Verbrennungsmotoren außerdem auf das reine Fahren reduziert. Tankt man das E-Auto mit Strom aus dem deutschen Stromnetz, so besteht dieser zu einem nicht unerheblichen Teil aus fossilen Brennstoffen [8].
Es gibt Unternehmen, die an der Entwicklung eines E-Autos mit Solarzellen arbeiten. Diese könnten an Tagen mit Sonnenlicht die Reichweite des Autos durch das Aufladen der Batterie während des Fahrens vergrößern.
Die Infrastruktur für das „Tanken“ von Wasserstoff ist in Deutschland noch weniger ausgebaut als für E-Autos, hier verhindert ein Kreis aus Angebot und Nachfrage den Fortschritt: Weil es nur wenige Tankmöglichkeiten gibt, ist der Kauf eines Wasserstoff-Autos unattraktiv, doch die geringe Anzahl an Autos übt keinen Druck auf den Ausbau des Netzes aus.
Welche Faktoren spielen noch eine Rolle?
Die Produktion der Batterie und weiterer Teile der E-Autos findet außerdem in Ländern wie China statt, in denen der Anteil an fossilen Energieträgern am Strom-Mix noch viel höher ist als in Deutschland [8]. Dieses Argument steht nicht nur gegen E-Autos, auch die Produktion von PKW mit Verbrennungsmotoren findet nicht, oder nicht ausschließlich, in Ländern mit hohem Anteil an erneuerbaren Energien statt.
Die Produktion von E-Autos ist allerdings auch bezüglich der Art der erforderlichen Rohstoffe problematisch, da vor allem für die Batterie viele seltene und schwer förderbare Elemente, wie zum Beispiel Cobalt, Nickel und Platin, benötigt werden, deren Abbau häufig umweltschädlich erfolgt [8].
Die Emissionen, die durch Produktion und Transport entstehen, sind für einen +Verbrennungsmotor und E-Antrieb ähnlich, ein etwas höherer Energiebedarf in der Batterieproduktion kann angenommen werden. Der Faktor, der einen deutlichen Unterschied zwischen der Nutzung eines E-Autos und eines Autos mit Verbrennungsmotors macht, ist die Zusammensetzung des Strom-Mixes am Betriebsort des E-Autos.
Die Förderung für Autos mit Hybrid-Antrieb (also meist die Kombination aus Diesel-Verbrennungsmotor und Batterie-Antrieb) ändert sich nicht, je nachdem wie umweltschonend die Technologie von dem_der Fahrenden wirklich eingesetzt wird. Sie setzt vielmehr darauf, dass der_die Fahrende eines Hybrid-Autos wann immer möglich den Batterie-Betrieb dessen nutzt.
Verkehrswende
Diese Zusammenfassung soll nicht E-Autos oder Verbrennungsmotoren bevorzugen oder verteufeln, sondern zeigen, welche differenzierte Betrachtung notwendig ist, um festzustellen, was uns zu einer erfolgreichen Mobilitätswende noch fehlt. Nicht betrachtet ist in dieser Darstellung der Güterverkehr auf der Straße, welcher ebenso Anteil an den Emissionen des Verkehrssektors hat und ebenso dringend einiger neuer Ansätze bedarf.
Die Produktion eines Autos, egal mit welcher Antriebsform, benötigt Energie. Je klimaneutraler diese gewonnen werden kann, desto besser. Eine Produktion im (weit entfernten) Ausland, wo Kohle verbrannt wird, um den Energiebedarf zu decken, kann zwar schöngerechnet werden, bringt aber dem Gesamtklima nichts.
Die Konzentration auf eine Alternative für den Verbrennungsmotor, so wie die Politik und die Wirtschaft es derzeit in Deutschland kommunizieren, ist ebenso wenig sinnvoll, wie der Versuch die Energiewende nur durch den Einsatz einer Erneuerbaren Energieform zu vollbringen. Alle Fahrzeugkonzepte, egal ob Verbrennungsmotor, E-Antrieb oder Brennstoffzellen-Autos müssen Teil der Lösung sein und stetig weiterentwickelt werden. Neben dem Fokus auf die Senkung der Treibhausgas-Emissionen sollte jedoch der Einfluss auf andere Wirkungskategorien – wie dem Versauerungspotential des Bodens oder der Humantoxizität – nicht unterschätzt werden.
Lasst uns gerne, entweder in den Kommentaren oder über Social Media, wissen, ob ihr weitere Themen aus dem Bereich Umwelt, Klimawandel oder Naturschutz habt, über die ihr gerne in der speakUP lesen wollt.
[1] www.globalcarbonproject.org/news/TemporaryReductionInCO2EmissionsDuringCOVID-19.html (zuletzt aufgerufen am 27.12.2020)
[2] www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/emissionsdaten#treibhausgas-emissionen-im-personenverkehr-grafik (zuletzt aufgerufen am 27.12.2020)
[3] www.vdi.de/ueber-uns/presse/publikationen/details/brennstoffzellen-und-batteriefahrzeuge (zuletzt aufgerufen am 27.12.2020)
[4] www.renault-retail.de/neuwagen/modelluebersicht/twizy-45-life/ (zuletzt aufgerufen am 27.12.2020)
[5] www.tesla.com/de_de/models/design#battery (zuletzt aufgerufen am 27.12.2020)
[6] www.hyundai.de/modelle/nexo/ (zuletzt aufgerufen am 27.12.2020)
[7] www.toyota.de/automobile/mirai (zuletzt aufgerufen am 27.12.2020)
[8] www.vdi.de/ueber-uns/presse/publikationen/details/vdi-studie-oekobilanz-von-pkws-mit-verschiedenen-antriebssystemen (zuletzt aufgerufen am 27.12.2020)