Uni Potsdam – vielleicht nicht „kaputtgespart“, aber mit großem Aufholbedarf

Wird die Universität Potsdam kaputtgespart? Mit dieser Frage beschäftige sich die von der speakUP organisierte Podiumsdiskussion am 22. Juni. Obwohl die Meinungen mitunter weit auseinander lagen, hat der Gedankenaustausch zwischen den maßgeblichen Akteuren auch neue, zum Teil überraschende Einsichten hervorgebracht. Von Peter Schuld.

Es war eine spannende Debatte, die sich die Akteur_innen auf dem Podium lieferten. Luisa Koch und Denis Newiak von der speakUP haben die Diskussion zwischen geladenen Expert_innen und dem Publikum moderiert. Zwischen der brandenburgischen Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD) und Universitäts-Präsident Oliver Günther kam es dabei sogar zu einem kleinen Schlagabtausch bezüglich der Frage, wie viel Geld am Ende des Haushaltsjahres zuletzt übrig war – oder eben nicht. Gleichzeitig war die Diskussion aber stets von Sachlichkeit und respektvollem Umgang der Beteiligten untereinander geprägt. Wenngleich die Universität Potsdam in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen steht, ließ die Veranstaltungen eines klar erkennen: Der gute Wille ist bei allen Akteuren vorhanden. Jetzt muss er „nur“ noch in konkrete Ergebnisse umgesetzt werden.

Finanzielle Trendwende

Bei den Pro-Kopf-Ausgaben je Studierendem ist Brandenburg im bundesweiten Vergleich unverändert das Schlusslicht. Kunst betonte jedoch, dass in den letzten Jahren das Budget der Hochschulen, so auch der Universität Potsdam, angewachsen sei. Vor dem Hintergrund von mittlerweile nicht weiter ansteigenden Studierendenzahlen und insgesamt 100 Millionen Euro, welche die rot-rote Regierung den Hochschulen des Landes bis 2019 zusätzlich zur Verfügung stellt, sei für die Zukunft eine Verbesserung der Situation zu erwarten. „Aus meiner Sicht sind die Mittel für die jetzigen Studienanfänger nicht knapp“, so die Ministerin.

Günther bestätigte zwar in Reaktion darauf, dass nach der kontinuierlichen Zunahme des Finanzdefizits in der Vergangenheit aus seiner Sicht nun ebenfalls die Trendwende geschafft sei, die finanziellen Aufwüchse blieben allerdings hinter den Erwartungen zurück und seien nicht ausreichend. Die Gelder im Landeshaushalt, die durch die Übernahme der BAföG-Kosten durch den Bund frei geworden sind, hätten vollständig den Hochschulen zugutekommen sollen (speakUP berichtete). „Aufgrund der Kürzungen der vergangen Jahre ist die Situation in manchen Bereichen dramatisch“, betonte der Universitäts-Präsident. Diese Defizite aufzuholen, so Günther weiter, werde noch einige Zeit dauern.

Daniel Sittler, Sprecher der Brandenburgischen Studierendenvertretung, erinnerte außerdem daran, dass mehr Geld für die Hochschulen nicht zwangsläufig mit einer Verbesserung der Lage der Studierenden in den Bereichen Lehre und Betreuung einhergehe. Die Mittel sollten daher gezielter ausgegeben werden. In diesem Zusammenhang wurde aus dem Publikum auf das überlastete Prüfungsamt hingewiesen, welches beispielsweise keine rechtzeitige Ausstellung von Abschlusszeugnissen gewährleisten könne, was vielen Absolventinnen und Absolventen bei der Jobsuche Schwierigkeiten bereite.

Ein Zielkonflikt von vielen

Das zweite große Thema waren die die zum Teil prekären Beschäftigungsverhältnisse von Lehrbeauftragten. Günther verwies auf massive Haushaltszwänge als Begründung für die zunehmende Abdeckung der Lehre mittels befristeter Lehraufträge, die mit geringeren Personalkosten verbunden sind als volle Stellen. Zur Illustration: Nach Recherchen von speakUP gab es im Jahr 1996 (ohne Drittmittelpersonal) an der Universität Potsdam 210 Haushaltsstellen für Professor_innen. Trotz eines enormen Anstiegs der Studierendenzahlen seither waren aber nur 214, also gerade einmal vier weitere entsprechende Stellen im Jahr 2014 zu verzeichnen. Die Aufrechterhaltung des Lehrangebots und die Verbesserung der Situation der Lehrenden bezeichnete Günther als „Zielkonflikt“, wobei die finanziellen Rahmenbedingungen ihm zuletzt nur wenig Handlungsspielraum bei der „Wahl zwischen Pest und Cholera“ gelassen hätten.

Unabhängig von der Bewertung dieser vorgebrachten Rechtfertigung bestand beim Podium Einigkeit darüber, den Status quo verändern zu müssen. Spätestens der Fall von Dr. Anke Bartels hat auch die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht (speakUP berichtete). Günther kündigte sogleich an, einen Teil der zusätzlichen Mittel in Zukunft hierfür verwenden zu wollen. Wie dringend notwendig das ist, unterstrich ein Beitrag aus dem Publikum, wonach zahlreiche Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ihre Forschungstätigkeit in die Freizeit verlagern müssten. Anders sei das hohe Lehrpensum nicht zu bewältigen, was sich wiederum negativ auf die Motivation der Nachwuchskräfte sowie die Attraktivität einer akademischen Laufbahn auswirke.

Dauerbrenner Rückmeldegebühr und Wohnraum

Zur Sprache kam auch die umstrittene Rückmeldegebühr in Höhe von 51 Euro, welche Studierende in Brandenburg jedes Semester zahlen müssen. Die Gebühr wird zwar vom Land erhoben (auf Grundlage des Brandenburgischen Hochschulgesetzes), fließt aber direkt in der Haushalt der jeweiligen Hochschule. Zusätzlich gibt es eine Verwaltungsgebühr, die separat von der Universität Potsdam erhoben wird und aktuell 5,11 Euro beträgt. Sittler zweifelte erneut die Rechtmäßigkeit der Rückmeldegebühr an, da dieser kein entsprechender Verwaltungsaufwand gegenüberstünde. Laut Hochschulgesetz müssen die eingezogenen Gelder für „Verwaltungsleistungen, für die Immatrikulation, Rückmeldung, Beurlaubung und Exmatrikulation“ sowie für „Verwaltungsleistungen, die im Rahmen der allgemeinen Studienberatung sowie durch die Akademischen Auslandämter und die Prüfungsämter erbracht werden“ verwendet werden (§14 Abs. 2 Brandenburgisches Hochschulgesetz)

Ich im Ausland, dringende Frage ans vollkommen unterbesetzte Prüfungsamt: Antwort nach 2 Monaten „Kommen Sie persönlich vorbei“ #upkaputt

— claudi (@claudi_reini) 21. Juni 2015

Obwohl Günther eigentlich gar nicht für die Rückmeldegebühr verantwortlich ist, war es primär der Präsident, der diese zu rechtfertigen versuchte. Er argumentierte, dass bei einem jährlichen Haushalt der Universität von 160 bis 170 Millionen Euro (davon ca. 120 Million vom Staat, der Rest sind Drittmittel) ein Wegfall der rund zwei Millionen Euro Rückmeldegebühren spürbare Auswirkungen hätte. Die Gelder seien für „die ganz normalen Dienstleistungen“ sowie „die allgemeine Infrastruktur“ essenziell. Diese Aussage lässt sich nicht nur als Beleg für die angespannte Finanzlage der Universität werten, sondern auch als indirektes Eingeständnis des Vorwurfs, bei der Rückmeldegebühr handele es sich um eine versteckte Studiengebühr. Zusätzlich sprach Günther an einer Stelle sogar wörtlich von „Studiengebühr“.

@speakup_pdm wie wäre es dann mit einer Premium-Mitgliedschaft für 81 Euro, dafür kürzeren Wartezeiten? #upkaputt #sonicht

— Moritz Zeidler (@moritzzeidler) 22. Juni 2015

 

Eine weitere Baustelle sind die Wohnheime. Peter Heiß, Geschäftsführer des Studentenwerks Potsdam, muss rund 24.000 Studierende in Potsdam betreuen, hat aber nur etwa 2.300 Wohnheimplätze zur Verfügung. Des Weiteren besteht bei einigen Gebäuden Sanierungsbedarf. Angesichts dessen quantitativ sowie qualitativ genügend Wohnraum anzubieten, der zudem für Studierende finanzierbar ist (die durchschnittliche Warmmiete liegt bei 222 Euro und damit weit unterhalb der Preise auf dem freien Markt), ist als große Herausforderung zu bewerten. Die Bewältigung dieser „können wir aus eigener Kraft nicht schaffen“, sagte Heiß ganz klar. Ministerin Kunst konnte allerdings, außer allgemeinen Willensbekundungen und dem Verweis auf eine kleine Aufstockung des Studentenwerks-Budgets, nicht viel anbieten. Und selbst diese Aufstockung bewertete Sittler angesichts der zu erwartenden Tariflohnsteigerungen effektiv als „Nullsummenspiel“.

Diplomatisch aber nachdrücklich

Verhandlungen über die Verteilung von Haushaltsmitteln sind immer ein heikles Unterfangen. Oliver Günther schien sich dessen bewusst zu sein, denn bei seinen Ausführungen war er darauf bedacht, diplomatische Töne anzuschlagen – was aber nicht heißt, dass er seine Position nicht klar dargelegt hätte. So wiedersprach er der Wissenschaftsministerin entschieden in Bezug auf ihre Aussage, ein Teil der bereitgestellten Finanzmittel würde nicht vollständig aufgebraucht werden, weshalb ein weiterer Aufwuchs dieser schwierig zu rechtfertigen sei. „Das stimmt einfach nicht“, so Günther. Was am Ende des Haushaltsjahres übrig bleibe, beschränke sich auf bereits verplante Rückstellungen oder geringfügige Überträge ins folgende Haushaltsjahr.

Indem der Präsident trotz allem die jüngsten Maßnahmen der Landesregierung würdigte, vermied er es Ministerin Kunst frontal anzugreifen. Zugleich bemühte er sich jedoch darum, die Notwendigkeit weiterer Investitionen besonders zu unterstreichen und somit – metaphorisch gesprochen – den Ball in der Hälfte der Regierung zu platzieren. Auf der anderen Seite versuchte Frau Kunst durch ihren wiederholten Hinweis, die zusätzlichen Gelder müssten zuerst sinnvoll investiert werden, den Ball zurückzuspielen und die Verantwortung der Universität stärker hervorzuheben. Welche Darstellung zutreffend(er) ist, liegt freilich im Auge des Betrachters. Bei der Sache an sich, nämlich ein „kaputtsparen“ der Universität Potsdam zu verhindern, liegen die beiden Akteure hingegen gar nicht so weit auseinander. Handlungsbedarf wurde auf beiden Seiten erkannt. Das lässt für die Zukunft hoffen.

3 Antworten auf &‌#8222;Uni Potsdam – vielleicht nicht „kaputtgespart“, aber mit großem Aufholbedarf&‌#8220;

  1. Danke für die Zusammenfassung! Konnte nicht kommen und freue mich deshalb besonders über einen Überblick der wichtigsten Punkte! Weiter so 🙂

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