Eine Fußballliga an der Uni Potsdam?

Wenn der FC Saufhampton gegen Real Litätsverlust spielt, ist die Welt nicht aus den Fugen geraten. Im Gegenteil: Dann ist am Montagabend hinterm Campus Neues Palais zwar vieles absurd, aber einiges auch genau richtig. Eindrücke von der Uniliga an der Universität Potsdam. Von Pierre Harder

Die Schiedsrichter:innen der beiden parallel auf Kleinfeld ausgetragenen Partien stehen nur an der Seitenlinie, haben keine besondere Bekleidung und pfeifen eigentlich auch nur sehr selten. Sie sind Spieler:innen der Teams, die gerade Spielpause haben und auf ihren nächsten Einsatz warten. Eigentlich geht es auch ziemlich fair zu in der Uniliga, es schließlich gibt es nicht viel zu gewinnen. Die meisten Teams spielen nur zum Spaß, die wenigsten haben abseits des Uni-Alltags noch etwas mit Fußball zu tun. Unter den vielen Teams gibt es jedoch auch die ambitionierten Kicker, für die es leider nicht im Profifußball gereicht hat (eine Knieverletzung in der späten Jugend, …).

In der vom Hochschulsport organisierten Liga treten zwölf Teams gegeneinander an, die oft mehr wert auf kreative Teamnamen als auf kreative Spielzüge geben. Überraschender Favorit auf die Meisterschaft ist das von Leicester City FC inspirierte Team ‚Letzter City‘, das sich erst im Vorjahr als Team der einzeln angemeldeten Spieler formierte. Größter Herausforderer könnten in diesem Jahr die Königlichen sein – ‚Real Litätsverlust‘ spielt mit viel Ehrgeiz und wenig Gnade die vermeintlich kleineren Teams an die Wand. Der Meister der letztjährigen Sommerspielzeit, ‚Normfrei 03‘ konnte in diesem Jahr gar nicht mehr mitspielen, weil sich zu viele Teams angemeldet hatten.

Robert organisiert die Uniliga jedes Jahr. Er freut sich sichtlich, dass die Liga auf so großes Interesse stößt und weiter wächst. Mit den bestehenden Anmeldungen wären sogar 16 Teams zusammengekommen – die begrenzten Zeiten auf dem Rasenplatz ermöglichen jedoch nur ein Turnier mit maximal 12 Mannschaften (12 Minuten pro Spiel für 2 Stunden). Auch die sich manifestierende Fankultur und die pseudo-Professionalisierung der Teams, die sich Trikotsätze mit regionalen Sponsoren drucken lassen, ermutigen ihn. In der Tat müssen nur die wenigsten Teams noch die unbeliebten gelben Leibchen überstreifen, weil eigene Trikotsätze – mit Namen und Nummern – das nötige tun. Robert berichtet euphorisch von der Uniliga. Für ihn ist die Liga ein friedliches Turnier, bei dem Leute mit „Lust am kicken“ ohne Druck spielen können – auch wenn am Ende die Teams im Meisterschaftskampf mal etwas härter in die Zweikämpfe gehen.

Vier Fußballer:innen beim Spiel
Marie (3 v.l.) verteidigt einen Angriff von Real Litätsverlust
Foto: Pierre Harder

Ehrgeiz und Jogo Bonito

Das kann Marie bestätigen, die für ‚FC Saufhampton‘ in zentraler Position aufläuft. Für ihr Team lief es am Anfang der Saison noch sehr gut, gerade in der Defensive: Die Null stand in den ersten Spielen, dann kamen aber die besseren Gegner. Für Marie und ihre Teamkolleg:innen von Saufhampton (Anspielung auf den englischen Fußballklub FC Southampton) steht aber eigentlich der Spaß im Vordergrund: „Wir sind einfach nur hier, um ein bisschen zu kicken und uns zu bewegen.“ Das hätte Kai, der im letzten Jahr mit seinem Team ‚Fortuna Rasenschach‘ Vizemeister wurde, auch gern von sich behauptet. Nach den ersten Spielen stand die Fortuna jedoch trotz ehrgeiziger Ziele auf dem letzten Platz. „Wir mussten uns auch erstmal finden. Das Niveau ist auf jeden Fall gestiegen und die Zweikämpfe werden härter geführt.“ Ob Kai sein Ziel, die Torjägerkanone zu holen, diese Saison überhaupt noch erreichen kann, steht wohl in den Sternen – mit der Fortuna könnte aber eher der Abstiegskampf als die Torjagd auf der Tagesordnung stehen.

Für weitere Spannung in der Liga sorgen ebenfalls die Klassiker zwischen den Jura-Teams. Anstelle von ‚Normfrei 03‘ treten dieses Jahr ‚§323a‘ (steht im Strafgesetzbuch für Vollrausch) an, die allerdings ohne Sieg und ohne Tor in fünf Spielen dürftig in die Saison gestartet sind. Das die Jura-Derbys gegen ‚BGB Griebnitzsee‘ die Wende bringen werden, ist zu bezweifeln. Den letzten Platz belegt aktuell das Uniliga-Urgestein ‚CG-United‘. Wie auch in der Bundesliga haben es Traditionsvereine halt schwer.

Fußballmannschaft bildet einen Kreis
Der aktuell fünftplatzierte, Nebenjob bei Rewe, bildet vor dem Anpfiff einen Kreis Im Hintergrund warten einige Fans. :
Foto: Pierre Harder

 

Mehr Stimmung als bei Leipzig

Am Spielfeldrand steht Charlie. Sie studiert Politik, Verwaltung und Organisation im Bachelor und ist als Fan von Fortuna Rasenschach zur Uniliga gekommen. Wenn Charlie nicht studiert oder die Stimmung bei der Uniliga genießt, ist sie beim 1. FC Magdeburg im Stadion zu finden. „Man kommt eigentlich her, um Leute zu sehen, um die Teams anzufeuern und einen entspannten Abend zu haben“ schwärmt Charlie von der Uniliga. Und auch das rumpöbeln gegen das gegnerische Team gehöre einfach dazu – was die Spielerin Marie von Saufhampton so bestätigen kann. Auch Charlie hat beobachtet, dass das Niveau der Uniliga gestiegen ist.

Alle Anwesenden scheinen sich sehr über die wachsende Fankultur und die vielen Zuschauer:innen zu freuen. Knifflige Entscheidungen werden vom lauten Protest begleitet und schöne Tore viel beklatscht. Kreative Fangesänge und selbstgemachte Fahnen gehören ebenso zur Uniliga wie falsche Einwürfe und lange Bälle ins Nichts.

 

Fußball = Männersache?

Es gibt keine Regel über die Geschlechterverhältnisse der Teams. Frauen spielen jedoch bei der Uniliga vor allem neben dem Platz eine Rolle. Auf dem Feld hingegen gibt es augenscheinlich keine handvoll Spielerinnen. Die Saufhamptonerin Marie sieht vor allem strukturelle Gründe für die wenigen Spielerinnen in der Liga: „Die [wenigen] Frauen, die jetzt noch Fußball spielen, sind wahrscheinlich eher in Vereinen und würden deswegen nicht bei der Uniliga mitmachen. Ich habe seit ich sieben Jahre alt bin Fußball gespielt und nach der Schule aufgehört und deswegen hatte ich jetzt Lust, hier mitzukicken. Mir ist es auch aufgefallen, dass wenige Frauen mitspielen.“

Organisator Robert blickt jedoch optimistisch auf die Teilnahme von mehr Frauen am Spielbetrieb. Mit den vollen Fußball-Hochschulsport-Kursen für Frauen könne man durchaus optimistisch sein, dass sich Frauen-Mannschaften bilden und für die Liga anmelden. Andere Zuschauer:innen und Spieler:innen sind weniger optimistisch. Für Frauen ohne langjährigen fußballerischen Hintergrund würde es eher schwieriger werden, in die Uniliga einzusteigen, wenn das Niveau von Jahr zu Jahr steigt. Zudem fehle es den Frauen auch am Selbstverständnis, sich einzeln, ohne Team, für die Liga anzumelden, schlussfolgert Charlie. Zumindest die vielen Zuschauerinnen würden aber der Annahme widersprechen, dass die Uniliga eine reine Männersache ist.

 

Ein Abend Idylle

Die Uniliga ist etwas besonderes. Die historischen Bauten am Campus, mit seinen Seminarräumen, Vorlesungssälen und Bibliotheken, sind nur wenige Meter entfernt. Trotzdem fühlt sich ein Montagabend bei der Uniliga eher an wie ein Sonntagmorgen bei einem Kreisligaspiel zwischen Rathenow und Lehnin. Die friedliche Idylle trügt nicht – trotz der fehlenden Sitzgelegenheiten, abgesehen vom weichen Rasen am Spielfeldrand, lädt die Liga dazu ein, zuzuschauen und dem Spektakel eine Chance zu geben. Mit der angebrachten Nachsicht für die Absurditäten, die die Uniliga mit sich bringt, ist sie eine tolle Möglichkeit für sonnige Montage im Sommersemester.