Sebastian Pufpaff auf Tour – der Verfechter einer neuen, gerechteren Welt

Kabarettist Sebastian Pufpaff wurde unter anderem durch die ZDF heute-show bekannt. (Foto: ©Manuel Berninger)

Sebastian Pufpaff – ein Kabarettist von Kaliber?! Unser Redakteur Rostislaw Suchin hat sich ein persönliches Bild von der Bühnenperfomance des erfolgreichen Künstlers gemacht. Nachdem die Tickets am 06.12. im Potsdamer Waschhaus bereits ausverkauft waren, reiste er eigens am 08.12. ins Haus Leipzig, um das neue Programm des Satirikers live zu erleben. Das Programm „WIR NACH“ ist eine persönliche Abrechnung von Sebastian Pufpaff mit sich selbst. Eine Rezension von Rostislaw Suchin.

Es ist ein Versprechen: Heute würde kein einziger Politiker_innenname genannt. Es gehe also nicht um ein Abgewatsche von Amts- und Würdenträger_innen. Nein! Es sei viel mehr eine positivistische Sicht auf alles. Außerdem würde er sich gerne outen: „Mir geht’s gut!“ „[Denn] ich bin weiß, hetero, habe Abitur und bin ein Mann. Das sind die vier Grundpfeiler des Erfolgs.“

Traurige Wahrheiten

Was bedeutet das? Im Beruf bedeute es, dass er durchschnittlich 20% mehr Geld als eine Frau bekomme. Außerdem würde er als „Sebastian“ im Durchschnitt eine Note besser in der Schule bewertet werden als seine Mitschüler_innen Chantall und Mehmet. Man könne alles positiv sehen.

Wie lässt sich die positivistische Sicht auf die Welt erweitern? 42 „Megasuperreichen“, davon sind 95% Männer, gehörten genauso viel Besitz und Einkommen wie der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung zusammen. Das wiegt schwer, denkt sich der_die Ottonormalverbraucher_in und kann es kaum fassen. „Wenn man diese Megasupperreichen mit 2% zusätzlich besteuern würde, könnte jedes Kind auf der ganzen Welt zur Schule gehen. […] Wenn man diese Megasuperreichen mit 3% zusätzlich besteuern würde, dann hätte auch noch jedes Kind auf der ganzen Welt eine warme Mahlzeit am Tag.“ Vielmehr könnte ein Maximalvermögen von 1 Milliarde Euro Armut weltweit ausmerzen! Doch gehöre er vielleicht selbst zu dieser Kategorie Menschen, die zu viel haben. Eine Selbstoffenbarung!

Selektive Wahrnehmung

Sebastian Pufpaff spricht von selektiver Wahrnehmung. Er schildert den tragischen Tod eines zweijährigen Kindes in einem Brunnenschacht in Spanien, von dem er aus den Medien erfahren habe. Medial verstärkt hätten alle berichtet. Gleichwohl seien zeitgleich 14 zweijährige Kinder im Mittelmeer ertrunken. Darüber habe jedoch keiner berichtet. Die Abrechnung wird ausführlicher von Minute zu Minute. Viele halten buchstäblich den Atem an und fühlen sich ertappt. Manche klatschen an Stellen, wo man eigentlich…

Ein weiteres Beispiel sind Frauen, die von sogenannten „Messerhorden“ aus Ländern sexuell missbraucht würden. Abschieben! Abschieben! Denkt sich der_die intellektuelle Kabarettgänger_in. Das Lachen bleibt einem im Halse stecken, dem Applaus stockt der Atem. Sebastian Pufpaff bricht diesen Wunsch nach Abgrenzung, indem er die Wirklichkeit real werden lässt. Priester – und der sexuelle Missbrauch von Kindern. Abschieben? Oder doch lieber nur strafversetzen? Dies nennt Sebastian Pufpaff selektive Wahrnehmung! „Picken Sie sich die Dinge raus, die zu ihnen und ihrem Leben passen.“

Der Schmerz der Ungerechtigkeit

speakUP-Redakteur Rostislaw Suchin und Sebastian Pufpaff (Foto: Rostislaw Suchin)

Es wird im Laufe der ersten Hälfte des Bühnenprogramms immer deutlicher. Die selektive Wahrnehmung und die Angepasstheit unserer Gesellschaft führt zu Apathie, einer Hinnahme, einer Hinnahme von Gegebenheiten, einer Hinnahme von Ungerechtigkeiten!

Frauen verdienten durchschnittlich 20% weniger im Beruf.  Wenn sie eine Babypause einlegen, würden sie nur noch 60% ihres ehemaligen Gehalts bekommen. „Das sind Zahlen!“ Wer solle also die Brötchen verdienen? Die klare Antwort: der Mann!

Pufpaff überspitzt, er schäumt förmlich vor Klischees und Vorurteilen über. Mehr selektive Wahrnehmung also? Ginge es uns somit besser? Die erste Hälfte endet mit einem Satz, nachdem die Lichter ausgehen und die Pause abrupt beginnt: „ So ist das mit der Ungerechtigkeit. Oftmals empfindet man sie erst, wenn sie einem selber widerfährt!“

Dunkelheit.

Punkt.

Blitzlicht der Zuschauer_innen nach der ersten Hälfte:

„Super! An der Grenze zum Makabren!“

„Witzig! Den Alltag beschrieben mit wenigen Worten“

„Schwere Themen mit Leichtigkeit verpackt“

Die zweite Hälfte – Utopia

„Warum bin ich so ein kapitalistisches, sexistisches Arschloch?“

Die Frage wiegt schwer! Wir brauchen wieder eine Vision. Wir brauchen eine Utopie. Also macht der Kabarettist Utopia auf – eine gerechte Gesellschaft! Er stellt existenzielle Fragen. „Was ist der Sinn des Lebens?“ Ist es die Philosophie?

Es folgen Theorien über eine hirntote Gesellschaft voller Zombies. Das Fernsehen würde uns unkritisch machen. Laissez-faire-Erziehung würde uns autoritären Persönlichkeiten näher bringen. Das Publikum ist längst überzeugt. Der tosende Applaus wirkt als Barometer der Zustimmung.

Die eine Melodie

Am Ende – ein Spiel. Ein Spiel mit Murmeln. Es ist eine Art Murmelwerk mit Bahnen und am Ende kommt eine Melodie, nachdem die Kugel auf kleine Glöckchen aufprallt. Als Kind habe ihn das sehr beeindruckt. Stunde um Stunde habe er es gespielt. Eines Tages habe ihm sein Vater größere Murmeln gegeben. Er probierte es Stunde um Stunde und es erklang keine Melodie mehr. Die Kugeln blieben stecken. Die Wirkung des eigenen Selbst ging verloren. Keine Melodie!

Der Glaube in die Politik sei verdrossen. Der Glaube an sich selbst sei vergangen.

„Mein Vater hat nie mit mir gesprochen!“

„Es ist eine Lüge!“

Die letzte Botschaft ist:
„Egal gegen wen wir lästern, gegen wen wir hetzen: Manchmal sind wir der Arsch!“

Ausrufezeichen!

Und es ist Zappenduster…

…doch eine Frage bleibt:

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