„Forschen in der Diktatur?“ – Eine Podiumsdiskussion zur Wissenschaftsfreiheit im Wandel
Zwischen warnenden Stimmen und klaren Analysen zeichnete sich bei der Diskussion am Campus Griebnitzsee ein Bild davon ab, wie verletzlich die Wissenschaftsfreiheit heute ist.
Ein Bericht von Golda Manderscheid
Was wäre, wenn antidemokratische Eingriffe in die Wissenschaft, wie sie derzeit in den USA oder Ungarn zu beobachten sind, auch in Deutschland Realität würden? Wie steht es aktuell um die Wissenschaftsfreiheit hierzulande? Welche Gefahren birgt der politische Rechtsruck für Forschung und Lehre? Und wie können sich Hochschulen gegen politische Vereinnahmung schützen?
Diesen Fragen widmete sich die Podiumsdiskussion „Forschen in der Diktatur? Wie antidemokratische Strömungen Wissenschaft gefährden“, die am Montag, den 5. Mai 2025, am Campus Griebnitzsee stattfand. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Katharina Wesselmann (Klassische Philologie, Uni Potsdam). Als Gäste diskutierten Prof. Dr. Andrea Geier (Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Genderforschung, Uni Trier) und Prof. Dr. Nikolas Eisentraut (Öffentliches Recht, Leibniz Uni Hannover).
In ihrem einleitenden Statement bezog sich Prof. Wesselmann auf eine Äußerung der AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel: „Wir schließen alle Gender Studies – und schmeißen alle diese Professoren raus.“ Prof. Wesselmann zog Parallelen zur Lage der Wissenschaft in Ungarn und zu den USA, wo unter der von Donald Trump geführten Regierung politische Eingriffe in die Forschungslandschaft bereits sichtbar seien. Als Beispiel nannte sie die US-amerikanische National Science Foundation, die kürzlich Forschungsprojekte mit Schlagwörtern wie „Gender“, „Female“ oder „Disability“ systematisch überprüfte – mit dem Ziel, politisch unerwünschte Forschung auszugrenzen. Auch verwies sie auf die neu eingerichtete „Task Force to Combat Anti-Semitism“, deren Zielrichtung laut Wesselmann ebenfalls kritisch zu betrachten sei. In diesem Zusammenhang stellte sie die AfD-Initiative in Deutschland vor, sogenannte „Agendawissenschaften“ – darunter Postcolonial Studies und Disability Studies – auf ihre Förderwürdigkeit hin zu prüfen und gegebenenfalls von staatlicher Förderung auszuschließen.
Prof. Eisentraut brachte die juristische Perspektive in die Diskussion ein. Er analysierte, welche politischen Eingriffe in Deutschland rechtlich überhaupt möglich wären. In einem möglichen „Worst-Case-Szenario“ beschrieb er die Folgen einer parlamentarischen Mehrheit für eine antidemokratische Politik. Zwar sei die Wissenschaft in Deutschland staatlich finanziert – ein Umstand, der potenziell zur Einflussnahme führen könne –, gleichzeitig biete der Föderalismus Schutzmechanismen: Bildung und Hochschulen sind Ländersache, und Universitäten verfügen über ein gewisses Maß an Autonomie. Diese Struktur sei ein wichtiger Schutzwall gegen autoritäre Tendenzen, so Eisentraut.
Prof. Geier skizzierte die gesellschaftspolitische Dimension der Debatte. Sie sprach von Kulturkämpfen von rechts, die bereits seit den frühen 2000er-Jahren gegen bestimmte wissenschaftliche Felder – insbesondere die Gender Studies – geführt würden. Diese Angriffe hätten lange Zeit wenig öffentliche Resonanz gefunden, würden nun aber durch politische Verstärkung zunehmend spürbar. Geier warnte davor, dass das dadurch entstehende gesellschaftliche Klima vor allem den wissenschaftlichen Nachwuchs abschrecke. Begriffe wie „Gender“ würden politisch aufgeladen und mit symbolischer Bedeutung versehen. Nicht die Schulen, so Geier auf Nachfrage, vermittelten ein negatives Bild der Geschlechterforschung – vielmehr seien es gezielte politische Kampagnen, die diese Assoziationen erzeugten. Auch der Begriff „Wissenschaftsfreiheit“ selbst werde inzwischen als Kampfbegriff von rechten Akteur:innen instrumentalisiert.
Die Diskussion machte deutlich: Wissenschaftsfreiheit ist keine Selbstverständlichkeit – auch nicht in Deutschland. Gerade in Zeiten zunehmender antidemokratischen Machtbestreben sind Hochschulen gefordert, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein, ihre Autonomie zu verteidigen und Räume für freie, kritische Forschung zu bewahren.