Zahlen, Fakten, Emotionen – die erste Frauen*vollversammlung an der Uni Potsdam

Die erste Frauen*vollversammlung an der Universität Potsdam fand statt. (Foto: Tobias Hopfgarten)

Am Dienstag, dem 10. März 2020, fand sie statt – die erste Frauen*vollversammlung der Universität Potsdam. Endlich, meint unsere Redakteurin, denn entgegen einiger Meinungen ist das sehr wohl nötig. Mit einer anschließenden Podiumsdiskussion stellte das Koordinationsbüro für Chancengleichheit unter der Leitung von Christina Wolff sich und seine Arbeit vor. Von Paula Gürtler.

Das erste Mal betrete ich das Audimax der Universität Potsdam und das erste Mal findet hier eine Frauen*vollversammlung statt. Eine gute Premiere für mich. Es fühlt sich aber so an, als müssten Frauen immer noch dafür kämpfen, an einer Universität gehört zu werden und mitbestimmen zu dürfen. Leider ist dem auch so, weshalb ich den Saal im Haus 8 am Neuen Palais eher mit bedrückter Stimmung betrete. Feministische Themen emotionalisieren mich in letzter Zeit immer stärker. Ich werde immer häufiger damit konfrontiert, beschäftige mich aber auch bewusst damit, bin sensibilisiert und immer aufmerksamer. Eine Gesellschaft funktioniert besser, wenn alle die gleichen Chancen haben. Dass viele Menschen das nicht so sehen, verstehe ich manchmal nur sehr schwer. Wie gut aber, dass es an der Universität Potsdam ein Koordinationsbüro für Chancengleichheit (KfC) gibt, das sich genau darum kümmert.

Große „Minderheit“

Christina Wolff, zentrale Gleichstellungsbeauftragte (Foto: Tobias Hopfgarten)

Dass dann gerade ein Mann die Veranstaltung eröffnet, wirkt schon absurd. Vizepräsident Prof. Dr. Robert Seckler spricht ein paar Worte, will die richtigen treffen und wirkt gelegentlich unsicher. Gut so, denke ich. Dann betritt Christina Wolff die Bühne. Sie ist seit 2018 die zentrale Gleichstellungsbeauftragte. Sie stellt in einem Vortrag sich und ihre Arbeit vor und erläutert sehr anschaulich, warum diese so wichtig ist. Was mir sofort an ihr gefällt: Frau Wolff ist aufmerksam und hört sehr genau zu.

Gleich zu Beginn berichtet sie von Aussagen, die sie in ihrer Arbeit an der Universität mitbekommen hat. Patriarchale Strukturen zeigen sich immer wieder auch im Kleinen, Frauen werden immer wieder unterschätzt. Dabei sind sie nicht mal in der Minderheit. Die Hälfte aller Studierenden ist weiblich (2018 waren es 48,9%). Beim Personal sieht es so aus: 2018 waren 57,1% aller Angestellten weiblich, der Anteil der Professorinnen betrug jedoch nur 34,9%. Gerade bei den W2- und W3-Professuren (Besoldungsstufen: je höher die Stufe, umso höher das Grundeinkommen) wird der Anteil der Frauen deutlich geringer.

Die gläserne Decke

Da ist es auch nicht verwunderlich, dass 77% der Hochschulleitungen in ganz Deutschland männlich, deutsch (und nicht ostdeutsch) und im Schnitt 59 Jahre alt sind. Das trifft auch voll und ganz auf unsere eigene Hochschulleitung zu. Männer bilden eben andere Netzwerke als Frauen, Männer fördern Männer. Das wird auch homosoziales Kooptionsverhalten genannt, oder man spricht von „Old Boys Networks“. Durch stereotypes Denken wird Vielfalt eingeschränkt und wissenschaftliche Arbeiten von Frauen werden so häufig erstmal nachteilig bewertet. Da erschreckt es mich immer wieder, wie kleingeistig in Universitäten oft noch gedacht wird. Sollten das nicht Orte sein, an denen Vielfalt, Weltoffenheit und innovatives Denken gefördert wird? Stattdessen ist auch hier die „gläserne Decke“ allgegenwärtig.

Widerstand

Auf den stoßen Christina Wolff und ihre 24 Kolleg_innen immer wieder. „Brauchen wir das denn noch?“, heißt es häufig. Wie notwendig ihre Arbeit ist, zeigt sich in den Erfolgen: Sie wirken aktiv bei der Personal- und Hochschulentwicklung mit, unterstützen im Mentoringprogramm Studentinnen, Doktorandinnen und Promovierte, setzen sich ein für Elternzeiten oder Wickel-, Ruhe- und Stillräume ebenso wie für Toleranz und Wertschätzung der Geschlechtervielfalt. Diese Arbeit wird belohnt, wie beispielsweise mit der sechsmaligen Auszeichnung des Total E-Quality Science Awards. Was aber nicht bedeutet, dass sie sich zurücklehnen können. Grundlegende Strukturen müssen angefochten und überwunden werden.

Unter Frauen

Podiumsdiskussion (Foto: Tobias Hopfgarten)

Es tut so gut, eine Podiumsdiskussion zu sehen, bei der nur Frauen sitzen. In diesem Fall: Dr. Lucia Tyrallová, Eleanor Benz, Dr. Elke Rosenberger, Alejandra Navas Méndez de Braun zusammen mit Christina Wolff. Sie alle arbeiten für das KfC und sind teilweise eher zufällig zu diesen Positionen gekommen. Als ihre Namen auf leeren Wahlzetteln auftauchten und sie mit nur wenigen Stimmen gewählt wurden, entschieden sie sich trotz Sorgen und Zweifel für diese wichtige Arbeit. Bereut haben sie es nicht. Schließlich sei die Wut, die man häufig empfinde, wenn es um Ungleichheit und Ungerechtigkeit geht, doch auch eine gute Energiequelle. Grob zitiert nach Alejandra Navas Méndez de Braun (die sich selbst als militante Feministin bezeichnet): „Wir sind nicht hier, um gemocht zu werden, sondern um eine gute Arbeit zu machen.“

Mehr Stimmen

Momentan sind einige Stellen im KfC unbesetzt. Ergänzungswahlen im Juni sollen dann Lücken füllen. Wer also interessiert ist, kann sich zur Wahl aufstellen lassen. Aber es gibt noch andere Wege, teilzunehmen, indem man zum Beispiel seine Stimme bei der Wahl abgibt, damit die Wahlbeteiligung nicht nur bei 0,4% liegt. Oder man ist bei den verschiedenen Aktionen, die das Büro plant, dabei. Natürlich kann man sich bei Fragen und Problemen auch immer an die Mitarbeitenden wenden. Egal wie, einfach nur Rumsitzen ist keine Option, denn dann würde sich auch in 100 Jahren nichts ändern. Es ist ein Kampf für die Gleichstellung aller Geschlechter, für Vielfalt, für alternative Lebenskonzepte, die irgendwann vielleicht nicht mehr alternativ, sondern ganz normal sind. So verlasse ich nach etwa zwei Stunden das Audimax mit einem freudigen Gefühl. Ich weiß, dass großartige Frauen an dieser Universität arbeiten. Ich bin motiviert, wütend, weiblich.

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