Debattieren ist mehr als nur schön reden. Der Debattierclub „Wortgefechte Potsdam“ unserer Universität weiß, dass Diskutieren auch Spaß machen kann. Wie? Na, indem ihr euren Gegner_innen mit guten Argumenten schlagt und euch mit drei Leistungspunkten belohnt! Eine Reportage vom ersten Zittern am Turnierpodium. Von Katharina Golze.
Ich stehe am Podium. Elf Gesichter blicken mich gespannt und zugleich angriffslustig an. Jederzeit bereit, mich aus der Fassung zu bringen. Meine Notizen liegen geordnet vor mir. Ich hole Luft und fange an zu reden. Ich habe nun sieben Minuten Zeit, die Jury von meinen Argumenten zu überzeugen. Die Opposition habe ich sowieso nicht auf meiner Seite. Fragen der Gegenseite sind zwischen der zweiten und sechsten Minute erlaubt. Ich rede heute über die Frauenquote für Führungspositionen und ob Unternehmen damit handeln sollten. Ich bin für den Antrag. Mein Teampartner lächelt mir aufmunternd zu. Es ist die erste Vorrunde. Es ist mein erstes Debattierturnier. Ich bin nervös.
Mir fehlen die Worte
Ich trete für den Debattierclub „Wortgefechte Potsdam“ unserer Universität bei der ZEIT Debatte Berlin an. Eines der prestigereichsten und meist gesponserten Turniere Deutschlands, welches viermal jährlich in verschiedenen Hochschulorten des Landes stattfindet. Am vorletzten Märzwochenende ist es in Berlin. Hier redet man BP, also im British Parliamentary Style. Dabei stehen sich vier Teams gegenüber, jeweils zwei auf der Regierungs- und zwei auf der Oppositionsseite. Ähnlich wie im Bundestag reden zwei Parteien für den Antrag und zwei dagegen. Ich sitze in der ersten Regierung.
Vor einem halben Jahr habe ich das Debattieren über StudiumPlus entdeckt, doch gibt es den Club bereits seit knapp elf Jahren. Der Potsdamer Student Dirk Arne Heyen gründete damals mit seinen Kommiliton_innen den Treffpunkt zum wöchentlichen Redewettstreit. Beim Debattieren geht es weniger um freie Diskussion, sondern eher um einen formalisierten Schlagabtausch. Daher steht selten die eigene Meinung im Fokus. Manchmal muss man auch die Gegenseite vertreten, denn die Positionen werden zugelost. Nach einer 15-minütigen Vorbereitungszeit im Team erhält jeder Redner_in sieben Minuten, um seine Argumente vorzutragen. Das Team mit den überzeugendsten Argumenten gewinnt. Anschließend bekommt jeder Redner_in ein Feedback. Doch nun fragt man sich, wozu das Ganze?
Mehr als nur schön reden
„Am Anfang macht man es, weil man besser reden und an seiner Rhetorik feilen möchte. Doch wenn man besser wird, tritt dies in den Hintergrund“, berichtet Robert Pietsch, aktueller Präsident von Wortgefechte. Es geht darum, sich mit gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen und gezielt darüber nachzudenken, Argumente auch fern der eigenen Meinung zu konstruieren und verschiedene Ansichten zu einem Thema zu erlangen. Man muss ständig hinterfragen. Man akzeptiert nicht automatisch, dass Menschenrechte universell sind, sondern man fragt warum und hinterfragt dieses nochmals. „Man nimmt nie etwas hin, weil man Mechanismen braucht, um es zu erklären“, sagt Robert. Es geht um Fragen aus Politik und Gesellschaft, doch auch spaßige Themen werden gelegentlich diskutiert.
Beim Debattieren lernt man allerdings nicht nur schön und überzeugend zu reden, sondern man erwirbt auch Fähigkeiten im Zuhören, Mitdenken und wie man sich strategisch mit seinem Team vorbereitet. „Der größte Teil ist das Zuhören, Denken und auf gute Ideen kommen, weniger nur das Vortragen“, weiß der 29-Jährige. Man lerne beim Debattieren das Handwerk von Politik- und Unternehmensberatungsagenturen wie McKinsey, weil man Themen schnell analysiert und auf Stakeholder untersucht. Stakeholder sind die zentralen Themen, die ein Projekt voranbringen.
Klein aber fein und international gefeiert
Robert ist mittlerweile seit fünf Jahren dabei und begründet die dritte Generation des Vorstandes. Während seiner Zeit im Club hat er schon einige Erfolge miterleben können. Im vergangenen Jahr ist Potsdam Vizemeister bei der deutschen Meisterschaft geworden. In diesem Jahr wird wieder ein Team der Uni Potsdam antreten und den Titel zu verteidigen versuchen. Zudem gewinnt ein Team des Clubs momentan internationale Turniere wie das Moskau Open. Dort wird dann auf Englisch gestritten.
„Als Club sind wir klein aber fein. Wir gehören bestimmt zu den fünf besten Clubs in Deutschland, aber beim Gewinnen der großen Dinger haben wir noch Probleme“, erklärt Robert. Und so überrascht es nicht, dass auch mein Team „Potsdamer Positivisten“ nicht im Finale der ZEIT Debatte steht. Aber mal ganz ehrlich: Es sind 48 Teams aus ganz Deutschland vertreten und wir sind erst seit einem halben Jahr dabei. Daher feiern wir auch unseren Platz 34, als wäre es der Erste. Uns ging es nicht nur um Leistung. Wir wollten vor allem mal mehrere Debatten hintereinander führen (fünf Vorrunden waren es Freitag und Samstag), neue Themen und Ideen bekommen sowie die Debattierszene besser kennenlernen. Sowieso war diese Platzierung für uns viel besser als erwartet und somit gleich eine Motivation für das nächste Turnier.
Streiten für Leistungspunkte
Ihr habt Lust mitzumachen? Der Debattierclub trifft sich jeden Montag um 18 Uhr in Griebnitzsee im Raum S14 , um 20 Uhr folgt die zweite Debatte. Vorbeikommen kann jede_r, die/der reden, mitdenken oder einfach nur zuhören möchte.Und damit ihr diese Veranstaltung auch ganz gewiss in euren Stundenplan einbauen könnt, bekommt ihr über StudiumPlus sogar noch Leistungspunkte dafür. „Das ist für Leute, die Lust aufs Debattieren haben, aber deren Bachelorstudium zu voll ist. So können sie das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und kriegen sogar drei Leistungspunkte dafür“, sagt Robert. Wenn ihr mehr zum Potsdamer Club, den Debattierformaten und typischen Themen für Debatten erfahren wollt, solltet ihr am besten mal auf der Homepage des Debattierclubs „Wortgefechte Potsdam“ vorbeischauen.
2 Antworten auf „Lust auf Streit? Die sieben entscheidenden Minuten beim Debattieren“