Das Leben der Anderen – Ausländische Studierende in Corona-Zeiten

Heimat kennt nicht nur eine Sprache. (Foto: Nouran Elmaraghi)

Hätte man uns am 1. März 2020 gesagt, dass zwei Wochen später das Alltagsleben eingeschränkt und das, was man als „selbstverständlich“ betrachtet hat, nicht mehr möglich sein wird, dann hätten wir es sicher nicht geglaubt. Aber da sind wir, 15 Monate später, vielleicht hin- und hergerissen, aber trotzdem voller Hoffnung, dass einiges wieder ohne Schwierigkeiten erlaubt wird. In diesen ungewohnten Zeiten sind viele Studierende bei ihren Familien wieder eingezogen. Und da stellt sich die Frage: Wie sah es bei ausländischen Studierenden aus, deren Familie und Freunde gar nicht in Deutschland leben? Wir haben mal nachgehorcht. Von Nouran Elmaraghi.

Gewiss waren die letzten Monate nicht (immer) einfach. Wer hätte sich vorgestellt, dass es so lange dauert? Der Lockdown fing an und dann dachte vielleicht die eine oder die andere Person: „Das dauert bestimmt nur ein paar Wochen“. Jedoch ging es dann weiter so, ein Monat, zwei Monate, drei Monate. Was soll man machen, wenn man niemanden hat? Da haben sich sicher welche gefragt: „Soll ich zu meiner Familie ziehen oder soll ich hier bleiben?“. Klar, wenn die Familie in Deutschland (oder in Europa) lebt, dann ist es noch einfach. Aber war das so einfach für jede Person?

In den letzten Monaten gab es immer wieder Reiseverbote von dem einen Land zum anderen und viele Länder gelten noch als Risikogebiete. Vor und nach dem Fliegen müssen immer PCR-Tests durchgeführt werden, die häufig teurer sind als der Flug selbst. Nichts war garantiert, man konnte nichts voraussehen. Da fragten sich einige ausländische Studierende: „Soll ich nach Hause? Was wenn ich jetzt Corona habe, die Symptome aber noch nicht deutlich sind und ich dann dafür sorge, dass der Virus sich verbreitet? Was wenn ich zu Hause bin und dann ein paar Tage später Präsenzlehre wieder stattfindet? Und was wenn alles gut läuft und ich dann nicht zurückkommen kann, weil meine Heimat als Risikogebiet gilt?“ Was wenn, was wenn, was wenn. Zu viele Was-Wenn-Fragen. Wie eine Dauerschleife. Aber was soll man nun machen?

Eine Entscheidung treffen!

In Corona-Zeiten fliegen? (Foto: Rudy and Peter Skitterians auf Pixabay)

Die Ergebnisse meiner Umfrage haben gezeigt, dass 68,42 % (26 aus 38) der Studierenden in ihre Heimat gefahren bzw. geflogen sind, darunter sind 53,84% (14) mindestens zweimal gefahren und zurückgekommen. Die Aufenthalte in der Heimat dauerten länger als zwei Wochen, wenn nicht zwei oder drei Monate. Drei Studierende haben sogar die ganzen letzten Monate in ihrer Heimat verbracht: „Ich bedanke mich sehr, dass ich mit meiner Familie gute Zeit verbringen konnte […] Und vor allem… alle Familienmitglieder sind gesund“. 

Übrig bleiben 31,57% (12) der Studierenden, die hier geblieben sind. Drei Studierende wollten hier bleiben – die Gründe waren unterschiedlich: Eine Person möchte sich auf ihr Studium konzentrieren, eine Person findet ihre Heimat gefährlich und eine Person würde gerne Geld sparen.

Die anderen sieben Studierenden vermissen ihre Heimat und haben geäußert, dass sie gerne zurück fliegen würden: „Yes I would love to revisit my family. I miss my mom’s food and her hugs“.

Bekannte hier?

Über die Hälfte der Befragten (55,26% = 21 Studierende) leben hier seit 2018 und waren im vierten Semester, als die Online-Lehre angefangen hat. Sechs Studierende waren im zweiten Semester und sechs andere Studierende hatten bislang nur Online-Lehre. Dies wurde unterschiedlich bewertet: 

„Also ich bin eher eine introvertierte Person, also war es für mich nicht schlimm Online-Vorlesungen zu haben. Ich konnte meine Zeit besser organisieren und bequem lernen, ohne noch Zeit zu verschwenden, von Hörsaal zu Hörsaal zu gehen oder bis zur Uni zu fahren“.

„So far my studying experience has been good but in long run I dont think online teaching is very effective. We all need a classroom environment to grow. I wish to go in class sit with others and learn together“. 

Die Hälfte der Studierenden, die keine Präsenzlehre hatten, konnten keine Kontakte knüpfen: „I don’t have friends in my university and I don’t feel the student life. It made concentration so much harder! [I have not been very successful since online classes started] and I feel like I am not really studying and it affects my mental health also“.

Wirkung der Online-Lehre auf ausländische Studierende

Einfluss des Lockdowns auf Laune und Studium (Foto: Nouran Elmaraghi)

Die Studierenden wurden gefragt, inwieweit die Eindämmungsmaßnahmen ihr Leben und ihre Laune beeinflusst haben. Dafür gab es eine Skala von Null (= Das Leben ist schwieriger) bis Zehn (= Das Leben ist einfacher). Die meisten Studierenden (21,05% = 8 Studierende) haben ihr Leben jetzt mit einer Drei bewertet, sieben Studierende (18,42%) mit einer Zwei und andere sieben Studierende mit einer Vier. Drei Studierende meinten, ihr Leben habe sich nicht geändert und elf Studierende sagten, ihr Leben sei einfacher geworden. Der Durchschnitt der Bewertungen liegt bei ø 4,42, also wurde das Leben der ausländischen Studierenden durchschnittlich etwas schwieriger. 

Einfluss beschreiben

Die Befragten wurden gebeten, den Einfluss der Online-Lehre bzw. ihre dadurch entstandenen Gefühle zu beschreiben. Hier ein paar Antworten:

„Wegen Corona studiere ich länger, da ich ein Urlaubssemester genommen habe, was ich nicht geplant hatte“.

„Lonely. It made me very depressive and let me make bad choices and let people in my life who shouldn’t be there, made everything harder and I suffered in uni too“.

„Ohne die engen Kontakte aus meinen früheren Semestern hätte ich mich sehr unwohl und ausgeschlossen gefühlt“.

„Ich fühle mich gut. Ich habe keine vorherige Erfahrung, wie das echte Studium in Deutschland ist. Aber ich bin gespannt und freue ich mich auf diesen Präsenzunterricht“.

„My social circle through covid and my outgoing were effected. This of course lead to a more monotone lifestyle which made you get used to staying at home and becoming less creative. This also impacted my uni life“.

„Viel weniger Praxis und viel Rumsitzen Zuhause. Dadurch baut der Körper ab und man hat dann weniger Lust auf den Präsenzunterricht, wenn er dann mal kommt“.

„Sagen wir mal, alles wäre [für mich] besser, wenn es kein Corona mehr gäbe:)“. 

Präsenzlehre – frohe Nachricht?

Sind die ausländischen Studierenden gerade hier? (Foto: Nouran Elmaraghi)

Der Vizepräsident für Lehre und Studium, Prof. Dr. Andreas Musil, schrieb am 10. Juni, dass Lehrveranstaltungen bis zu 200 Teilnehmenden in Präsenz stattfinden dürfen, dies gilt besonders für Erst-, Zweit- und Drittsemester. Das klingt auf jeden Fall schon mal gut, aber freuen sich wirklich alle (ausländischen) Studierende darüber?

Im Moment sind 55,26% (21) der befragten Studierende in ihrer Heimat. Dort haben sie ihre Familie und ihre Freunde. Wie schon erwähnt, verbrachten viele Studierende Monate in ihrer Heimat. Wird es ihnen wieder möglich sein, länger hier zu bleiben und Präsenzlehre zu haben? „I spent so much time in my country that I forgot [what] life in Germany looks like. I guess I’ll have a [culture] shock again!“. 

Trotz alledem haben die Studierenden die Hoffnung, dass sie sich so schnell wie möglich (wieder) an Präsenzlehre gewöhnen können und dass ihr Studium dadurch mehr Spaß macht.

Letzte Gedanken

Obwohl ich schon erwartet hatte, dass es vielleicht keine einfache Zeit für alle ausländischen Studierenden war, weil ich selber aus Ägypten komme und während des Lockdowns Schwierigkeiten hatte, war ich trotzdem von ein paar Antworten getroffen. Es ist auch etwas schade, dass einige in Deutschland studieren, jedoch kaum in Deutschland waren.

Zum Schluss möchte ich mich bei allen Studierenden bedanken, die sich an der Umfrage beteiligt haben, und allen (ausländischen) Studierenden sagen, dass sie nicht allein sind und dass diese Phase, die für viele Menschen mit depressiven Episoden verknüpft ist, bald wieder vorbei geht.

 

 

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