„Ich habe keine massive Kritik wahrgenommen“: Ministerin Kunst im Interview

Der Geldmangel an den Hochschulen, der Stress im verschulten Studium, vielleicht verfassungswidrige Rückmeldegebühren – an hochschulpolitischen Themen mangelt es in Brandenburg nicht. Höchste Zeit, bei der zuständigen Ministerin, einst Präsidentin der Universität Potsdam, mal nachzufragen, wie sie darüber denkt. Interview von Katja Rink und Denis Newiak. 

speakUP: Frau Kunst, im Magazin für „Forschung und Lehre“ sagten Sie 2010, damals noch Präsidentin der Universität Potsdam: „Wenn ich Wissenschaftsministerin wäre, würde ich nicht sparen“. Wollen Sie das revidieren?

Kunst: Nein. (lacht) Ich habe mich auch als Wissenschaftsministerin an das gehalten, was ich damals gesagt habe. Wenn Sie sich die Budgetentwicklung der Hochschulen ansehen, gibt es eine stetig positive Entwicklung. Die Budgetsteigerung für die Hochschulen ist in dieser Legislatur 100 Millionen Euro.

speakUPDie Mittel stammen allerdings vollständig aus den Einsparungen des Landes, seitdem der Bund das BAföG komplett übernimmt. Eigentlich stehen dem Land nun sogar 185 Millionen Euro mehr aus den frei gewordenen BAföG-Mitteln zur Verfügung. Genau genommen hat das Land also bei der Hochschulen-Finanzierung gut gespart.

Kunst: Die Vereinbarung zwischen den Ländern und dem Bund ist, dass die BAföG-Mittel für Bildung als Gesamtheit zu verwenden sind. Darunter fallen Schulen, Kitas und und und. Brandenburg wendet in dieser Legislaturperiode deutlich mehr Mittel auf als die 185 Millionen Euro für finanzielle Verbesserungen in diesen Bereichen. Von den bisherigen BAföG-Aufwendungen des Landes entfielen etwas mehr als 20 Millionen Euro pro Jahr auf die Studierenden. Der Rest war sowieso das, was an die Schüler ging. Der Anteil, der für die Studierenden aufgewandt wurde, wird also reinvestiert in die Hochschulen.

speakUP: Einige kritische Stimmen bemängeln, dass das Budget noch immer viel zu klein ist. Die Universitätsleitung der Universität Potsdam meint, dass es schon schwierig sei, das derzeitige Angebot aufrecht zu erhalten. Hörsäle und Lehrende sind dort knapp. Wäre es nicht wünschenswert, die Hochschulen noch besser auszustatten, anstatt dort nur einen Teil der frei gewordenen BAföG-Mittel zu verwenden?

Kunst: Naja, das machen wir ja auch. Die Mittel, die sonst bei den Studierenden landeten, bekommen diese ja trotzdem, nur aus einer anderen Quelle. Das Landesgeld, das sonst für Ihre Brötchen aufgewandt wurde, kommt jetzt den Hochschulen zu Gute. Sieht man die Entwicklung über die Zeit, haben wir eine deutliche Verbesserung der Finanzierung, wenn man z. B. die Mittel je Studierenden betrachtet. Das ist ja kürzlich veröffentlicht worden. Brandenburg führt nicht die Rote Laterne.

speakUP: Laut der letzten Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie, ist Brandenburg weiter Schlusslicht bei den Ausgaben je Studierendem. Des Weiteren steigen die Pro-Kopf-Zahlen doch auch an, weil schlicht die Studierendenzahlen rückläufig sind.

Kunst: Nein. Wir hatten innerhalb weniger Jahre eine Steigerung der Ausgaben pro Studienplatz. Beispielsweise von 2009 bis 2012 um rund 700 Euro je Studierendem. Mit diesen Werten – und das sind die neuesten vom Statistischen Bundesamt im November 2014 veröffentlichten Zahlen – sind wir nun auf dem 12. Platz im Ranking. Das liegt daran, dass mehr Geld in die Hochschulen gegangen ist und nicht an rückläufigen Studierendenzahlen. Diese verzeichnen wir im Land Brandenburg erst seit dem Jahr 2013.

speakUP: Anscheinend ist die Lage immer noch so schwierig, dass sich nicht nur die Universität Potsdam gezwungen sieht, zahlreiche Lehraufträge zu vergeben. Diese sind im Vergleich zu vollen Stellen pro Arbeitsstunde wesentlich schlechter vergütet, Lehrbeauftragte sind auch selbst für die Sozialversicherung verantwortlich. Wie möchten Sie die Lage verbessern?

Wirklich nicht die „Rote Laterne“? Oder doch?
Im Interview hat Ministerin Kunst behauptet, Brandenburg habe endlich einen peinlichen ‚letzten Platz‘ abgegeben: Das Land gebe nun nicht mehr weniger pro Studierenden im Vergleich zu allen anderen Ländern aus. Mit 5.510 Euro pro Studi und Jahr sei man seit 2012 auf Platz 12.
Aber stimmt das auch? Nur dann, wenn man wie die Ministerin einen statistischen Trick benutzt und einfach die medizinischen Einrichtungen ausklammert – denn andere Länder bieten Medizin-Studiengänge an, die sehr viel Geld kosten. Brandenburgs Hochschulen wiederum haben das Medizin-Studium gar nicht im Programm. Nimmt man medizinische Einrichtungen aus der Statistik einfach raus, steht Brandenburg natürlich besser da – aber nur auf dem Papier.
Berücksichtigt man also alle Hochschulen, steht Brandenburg weiterhin auf dem 16. Platz. Und ist damit weiterhin das Schlusslicht in Deutschland.
Hier gibt es den vollständigen Bericht von destatis als PDF

Kunst: Ich strebe die Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit einem vernünftigen Vertrag als wissenschaftliche Mitarbeitende an. Ich sehe das auch auf einem guten Weg. Das Geld ist da, das wissen wir durch unsere Kenntnis der Finanzsituation der Hochschulen. Nun muss das Vertrauen der Hochschulen in das Land wachsen. Ich weiß natürlich noch sehr gut von der anderen Seite, dass man dem Land nicht immer traut, ob es auch im nächsten Jahr zahlt. Aber das tut es. (lacht)

speakUP: Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung wurden einige hochschulpolitische Ziele festgelegt, die uns Studierende auch direkt betreffen. Wo liegen gerade Ihre Prioritäten?

Kunst: Die Schwerpunktsetzung liegt insbesondere auf der Werbung für das Studium, um die Nachfrage der Studierenden für Brandenburg zu halten.

speakUP: Laut Universitätspräsident Oliver Günther bewerben sich an der UP durchschnittlich 29 Personen auf einen Studienplatz. Ist die Nachfrage nicht längst groß genug?

Kunst: Naja, wir haben eine sehr unterschiedliche Nachfragesituation, wenn man die einzelnen Studiengänge betrachtet. Dort, wo die Bedarfe im Land besonders hoch sind, gibt es auch eine ganze Reihe von Studiengängen in den Naturwissenschaften, beispielsweise Physik, bei denen die Bewerberquote unter eins liegt. Es gibt andere Bereiche, in denen sie exorbitant hoch ist. Im Feld der Europäischen Medienwissenschaften ist das Verhältnis zum Beispiel 1 zu 600.

speakUP: Es gibt im Land Brandenburg keine Studiengebühren, aber die umstrittenen Rückmeldegebühren: Alle Studis zahlen semesterweise 51 Euro für den „Verwaltungsaufwand“ ihres Studiums. Halten Sie die Rückmeldegebühren trotz aller Kritik für verfassungsgemäß?

Kunst: Das vor Gericht anhängige Verfahren ist nach wie vor noch nicht abgeschlossen. Die aktuelle und gültige Regelung ist dingfest. Es geht um die juristische Klärung der Vergangenheit.

speakUP: Sollte sich herausstellen, dass den Studierenden Rückzahlungen zustehen, aus welchen Mitteln würden Sie diese Ausgaben kompensieren?

Kunst: Aus dem Landeshaushalt.

speakUP: Sie sagen also, die derzeit für die Hochschulen geplanten Gelder müssten nicht gekürzt werden?

Kunst: Es ist eine Frage der Verhandlung, wo das Land dann das Geld hernimmt, um eventuelle Rückzahlungen abzugelten. Ich gehe jetzt davon aus, dass es nicht zu Lasten der Zuweisung im Budget an die Hochschulen gehen würde. Wir haben die Zuweisungen für die Hochschulen auf eine möglichst sichere Basis gestellt. Da würden wir ja nicht rangehen.

speakUP: Unabhängig von der noch zu treffenden Entscheidung gab es auch an der nun geltenden Version Kritik. Möchten Sie trotzdem auch in Zukunft an den Rückmeldegebühren festhalten?

Kunst: An den Aufwendungen für die Verwaltung, die für die Studierenden arbeitet, ja.

speakUP: Die Novellierung des Hochschulgesetzes liegt mittlerweile ein Jahr zurück. Dennoch wird weiter Unzufriedenheit von Studierendenvertreter_innen geäußert, z.B. in Bezug auf die Viertelparität, die so nicht zustande gekommen ist. Das Verfassungsgericht hatte 1973 entschieden, die Professor_innen müssen nur in bestimmten Fällen eine Mehrheit haben. In anderen Fällen, die die Hochschule als solche betreffen, wäre eine gleichberechtigte Vertretung aller Interessengruppen einer Hochschule – Professor_innen, Studierende, technische und wissenschaftliche Mitarbeiter_innen – dennoch möglich. Sie hatten sich nun dazu entschieden, im Hochschulgesetz die Viertelparität gänzlich abzulehnen. Aus welchem Grund?

Kunst: Ich habe jetzt keine massive Kritik am Hochschulgesetz wahrgenommen.

speakUP: Gut, dass wir sie Ihnen vorsorglich nochmal mitgebracht haben.

Kunst: Wir haben intensiv und lange diskutiert, wie mit Viertelparität umzugehen ist. Ich hab mich danach gerichtet, was das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung gesagt hat. Ich bin dem Hauptanliegen der Studierenden eigentlich weiter entgegengekommen, Sie haben ja nun tatsächlich eine 30-prozentige Mitbestimmung für die Angelegenheiten der Lehre.

speakUP: Brandenburgs Studierendenvertretung „BrandStuVe“ ging es ja eher darum, dass alle Interessensgruppen gleichermaßen vertreten sind. Es war immer wieder betont worden, dass es nicht das Interesse der Studierenden war, für sich selbst den größten Anspruch geltend zu machen. Ein anderes Thema: Auch die Regelungen zum Masterzugang wurden vom AStA der Uni Potsdam beanstandet.

Kunst: Also gerade der Masterzugang ist aufgrund der starken Stimme des Potsdamer AStAs und der BrandStuVe so geregelt worden. Die besonderen Regelungen, die neben der Note jetzt integriert sind, wurden wirklich ‚en détail‘ mit den Studierendenvertretungen beraten.

speakUP: Ein weiterer kritischer Punkt im Hochschulgesetz ist die Zwangsexmatrikulation. Diese kann nun nach vier Semestern erfolgen, wenn eine entsprechende Pflichtberatung versäumt wird. Zuvor galt die doppelte Regelstudienzeit. Ist das nicht zu hart?

Kunst: Nein, vom Grundsatz her halte ich es für richtig, ab irgendeinem Zeitpunkt auch exmatrikulieren zu können. Ich halte es für eine wirklich herausragende Neuerung, dass es eine frühzeitige Beratung gibt, die eine Hilfestellung ist, Studierende auch möglichst zum Abschluss zu bringen. Für den Fall, dass diese Beratung nicht in Anspruch genommen wird, greift die Regelung der Exmatrikulation frühestens nach vier Semestern. Wenn die Studierenden sich beraten lassen, wird eine individuelle Studienverlaufsvereinbarung abgeschlossen, in der die Hochschule gemeinsam mit dem Studierenden geeignete Maßnahmen festlegt, um das Studium zu schaffen.

speakUP: Das neue Hochschulgesetz besagt, dass Ethikkommissionen zum Einsatz kommen sollen, als Kompromiss zur Zivilklausel, die von Vertreter_innen des AStAs der Uni Potsdam und der BrandStuVe immer wieder vorgebracht wurde. Die Formulierungen zu den Ethikkommissionen sind sehr allgemein gehalten. Gibt es hier Anpassungsbedarf?

Kunst: Die Ethikkommissionen können durch den Landeshochschulrat begleitet werden. Ich werde demnächst nachfragen, welche Rückmeldungen es dort gibt. Ich halte es für richtig, dass es hochschulnah eine Diskussion gibt, was ethisch vertretbar ist und was nicht.

speakUP: Mit dem Hochschulgesetz wurde auch der Brandenburgischen Studierendenvertretung „BrandStuVe“ mehr Mitspracherecht zugestanden. Hat man sich denn zu regelmäßigen Besprechungen getroffen?

Kunst: Also wir haben ja schon seit längerer Zeit einen festen Zyklus der gemeinsamen Beratungen. In der Regel mindestens einmal im halben Jahr, und das ist auch erfolgt.

speakUP: Aktuell wird heiß um die Hochschulenprüfungsverordnung diskutiert. Hier gab es einen regelrechten Aufschrei der Studierendenschaft: Rückmeldungen zu der Verordnung, die Fragen der Studienverlaufspläne und Prüfungsverfahren für alle Hochschulen reguliert, hätten Sie ausgerechnet über die Weihnachtsferien eingefordert.

Kunst: Die BrandStuVe ist im Dezember zur Stellungnahme aufgefordert worden. Die Frist über Weihnachten bis zum 5. Januar war dabei nicht allzu komfortabel. Die Studierendenvertreter hätten jedoch – wie in solchen Fällen üblich – um Fristverlängerung bitten können. Nachdem sich Anfang Februar eine Vertreterin des AStA Potsdam gemeldet hatte, hätte das Ministerium kurzfristig noch Vorschläge seitens der Studierenden entgegen genommen. Als dann bis Mitte Februar nichts eingegangen war, ist der Entwurf dann in die Rechtsförmlichkeitsprüfung gegeben worden.

speakUP: Uns liegt eine Stellungnahme der BrandStuVe vor, die auf verschiedene Punkte eingeht, die nun keine Berücksichtigung im veröffentlichten Verordnungsblatt gefunden haben. Sie sagen also, dass diese Stellungnahme Ihnen nicht bis Mitte Februar zugegangen?

Kunst: Die Stellungnahme der BrandStuVe lag uns bis zum 17. Februar eindeutig nicht vor.

speakUP: Warum wurde die BrandStuVe überhaupt erst im Dezember gefragt, sich zu beteiligen? Die Hochschulen wurden ja schon im Sommer, also wesentlich früher, um Rückmeldung gebeten.

Kunst: Naja, es ist üblich, dass die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme in mehreren Schritten erfolgt. Zunächst werden die Hochschulen um ihre Stellungnahme gebeten.

speakUP: Aber es fällt ja doch ein Missverhältnis auf, wenn die hauptamtlich tätige Hochschulverwaltung mehrere Monate Zeit bekommt, und die ehrenamtlich tätige BrandStuVe etwas über zwei Wochen während der Weihnachtszeit.

Kunst: Den Stand und die Entwicklung über die Zeit müsste die BrandStuVe ja auch durch die Beratungen mitbekommen haben.

speakUP: Wäre es hier nicht im Nachhinein betrachtet günstiger gewesen, der BrandStuVe generell eine angemessenere Frist zu gewähren?

Kunst: Also darüber kann man immer diskutieren, ob man das jetzt noch längere Zeit hätte gewähren können. Die vorgebrachten inhaltlichen Punkte gleichen Themen, die vom AStA und der BrandStuVe bereits früher angebracht worden sind und insofern auch schon Gegenstand von Beratungen waren.

speakUP: Ein Kritikpunkt neben vielen anderen ist momentan, dass die Abschlussprüfung im Vergleich zu allen anderen Prüfungsleistungen weiterhin nur einmal wiederholt werden darf. Hätten sich solche Unstimmigkeiten nicht im Vorfeld aus dem Weg räumen lassen können?

Kunst: Das ist keine neue Regelung. Sie war bereits Bestandteil der Hochschulprüfungsordnung zuvor. Es hätte allerdings nicht geschadet, das nochmal miteinander zu besprechen.

speakUP: Haben Sie Befürchtungen, dass die Verordnung ihre Rechtsgültigkeit verliert, sollte die Studierendenschaft im Falle eines juristischen Streits Recht bekommen?

Kunst: Die schriftliche Anhörung ist ordnungsgemäß erfolgt und damit juristisch korrekt. Wir werden allerdings in Zukunft mehr darauf achten, wenn Feiertage darin liegen, die Frist noch etwas länger anzusetzen.

speakUP: Sie waren rund dreieinhalb Jahre parteilose Ministern in einer rot-roten Koalition. Ende des letzten Jahres sind Sie dann der SPD beigetreten. Warum?

Kunst: Die SPD ist eine Partei, der ich immer nahe gestanden habe, so dass ich es nun angemessen und auch an der Zeit fand, mich dazu zu bekennen.

speakUP: Sie sind die einzige Ministerin, die aus dem bisherigen Kabinett übernommen wurde. Ihre bisherigen Kolleg_innen haben ihre Posten verloren und waren darüber nicht sehr erfreut. Haben Sie sich gedrängt gefühlt, in die SPD einzutreten?

Kunst: Nein.

speakUP: Die „Jusos“, die Jugendorganisation der SPD, stellen im Studierendenparlament der Uni Potsdam die zweitgrößte Fraktion. Sie fordern zum Beispiel eine bessere finanzielle Ausstattung der Studentenwerke, um den Neubau und die Sanierung der Wohnheime zu ermöglichen. Sind Sie da mit ihren Jusos auf einer Linie?

Kunst: Ich habe mich schon zuvor regelmäßig mit ihnen zusammengesetzt und mache das auch jetzt. Das studentische Wohnen wird sich positiv entwickeln, insbesondere hier am Standort Potsdam. Das ist Gegenstand der bisherigen Beratungen zum Haushaltsentwurf gewesen, und so der Haushaltsgesetzgeber das mit trägt, wird es zu einer Verbesserung des studentischen Wohnens kommen.

speakUP: Vielen Dank für das Gespräch!

Bei der Recherche unterstützte Maria Dietel.

 

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