Ode an die Avocado

Oder: Wieso studiere ich eigentlich Spanische Philologie?
Von Katja Rink

„Das ist aber ein exotisches Studienfach!“ – ein Satz, den ich nicht selten von Mitstudierenden an der Universität Potsdam zu hören bekomme. Ich persönlich finde meinen Studiengang „Spanische Philologie“ nicht absolut außergewöhnlich. Für diejenigen, die sich darunter allerdings nichts vorstellen können – hier bekommt ihr einen kleinen Einblick in den span-nenden Studienalltag einer angehenden Philologin.

Die Entscheidung zu diesem Studiengang war wie ein Abstecher in die Obstabteilung im Supermarkt. Da gibt es einmal die heimische Früchte Äpfel und Birnen (BWL oder Jura), die es eigentlich fast überall zu kaufen gibt, oder aber die exotischen Guaven (Papier- oder Verfah-renstechnik), die man, wenn überhaupt, höchst selten oder zu Saft verarbeitet in der Plastik-flasche bekommt. Und es gibt da die Avocado-Frucht mit Ursprung in Mexiko. Da ich ein absolutes Faible für Lateinamerika hege, habe ich spontan zugegriffen und bin nun hier im Institut für Romanistik an der Universität Potsdam und studiere Spanische Philologie.

Die Avocado, häufig importiert aus lateinamerikanischen Staaten wie Perú oder Chile, ist mittlerweile in fast jedem Supermarkt erhältlich. Da Spanisch mit der sehr großen Sprecher_innenanzahl von ca. 425 Miollionen zu einer der Weltsprachen zählt, ist auch ein Studium dieser Sprache, zumindest in Berlin und Umgebung, auch an fast allen Universitäten möglich.

Als Philologe oder Philologin an der Universität Potsdam wird man zu einem echten Allrounder ausgebildet. Man bekommt einen Einblick in die romanistischen Sprach-, Literatur-, und Kulturwissenschaften, allerdings bleibt dieser aufgrund der Stofffülle etwas oberflächlich. Den Schwerpunkt kann man selbst festsetzen. Es ist ja schließlich auch jedem selbst überlassen, ob er seine Avocado lieber mit Salz zu Guacamole verarbeitet oder – wie in Brasilien – mit Zucker als Dessert isst.

Eines sollte man bei der Avocado – in welcher Form oder Konsistenz auch immer – aber nicht vergessen: den Löffel, Weg und Werkzeug zum Verzehr. Genauso verhält es sich auch mit den Philolog_innen und ihrem wichtigsten Werkzeug: Der Sprache selbst. Diese Sprache zu lernen und danach anzuwenden, ist eine Grundvoraussetzung, die den Studierenden bisweilen auch am meisten Anstrengung und Selbstdisziplin abverlangt. In zahlreichen Sprachpraxismodulen mit spanischen oder lateinamerikanischen Muttersprachler_innen wird uns dieses Unterfangen jedoch um einiges erleichtert.

Gute Gesellschaft wird in Lateinamerika und Spanien bekanntlich sehr geschätzt – z.B. beim gemeinsamen Verspeisen einer Portion Nachos mit Guacamole – und sie kommt auch bei den Veranstaltungen und Kursen der Spanischen Philologie nicht zu kurz. Was gibt es Schöneres, als in einer persönlichen, wenn nicht sogar familiären Atmosphäre zu lehren und zu lernen? Die Dozent_innen sind durchweg sehr freundlich und hilfsbereit. Ich möchte hier ganz besonders die Muttersprachler_innen unter ihnen hervorheben, in deren Kursen aufgrund der kulturellen Gegebenheiten das „Du“ dem „Sie“ vorgezogen wird. In den Praxismodulen trägt natürlich auch die geringe Anzahl an Kursteilnehmer_innen (gewöhnlich zwischen 10 und 20 Studierende) zum „ambiente amigable“ bei.

Und auch unter den Kursteilnehmer_innen selbst ist das Miteinander sehr entspannt, da wohl alle eine gemeinsame Leidenschaft teilen, sei es die spanischsprachige Literatur, der Klang der Sprache an sich, die Musik, der argentinische Tango, die lateinamerikanische Küche, Avocados oder andere kulturelle, literarische oder sprachliche Highlights. In meinem ganz persönlichen Fall, hat sich diese Leidenschaft aufgrund eines Freiwilligendienstes in Kolumbien entwickelt. Dort habe ich nicht nur viel über die lateinamerikanische Kultur erfahren, sondern sie auch hautnah miterlebt.

Aber auch für Studierende, die diese Erfahrungen im Vorfeld nicht gemacht haben, bieten der Studiengang und das Institut für Romanistik zahlreiche Möglichkeiten, ins spanischsprachige Ausland zu reisen. Von Erasmus oder Auslandsstudium bis hin zu Praktika ist alles möglich. Sollte man also hier zu Lande noch nicht in den Genuss einer Avocado gekommen sein, kann man auch in Gebiete reisen, in denen sie tatsächlich angebaut wird und sie frisch vom Baum pflücken. Dann ist sie auch noch um einiges wohlschmeckender.

Einen kleinen Nachteil hat die Avocado allerdings. Sie ist sehr, sehr reichhaltig. Diesen hohen Nährwert bekommt man auch im Studium der Spanischen Philologie zu spüren. Und damit ist nicht gemeint, dass man an Gewicht zulegt. Eher das Gegenteil ist der Fall, denn man kommt aus dem „von Vorlesung zu Vorlesung Rennen“ gar nicht mehr raus. Die Verteilung der durch Bachelor und Master eingeführten Credit Points ist vielen Studierenden ein Dorn im Auge. Die maximale Anzahl an Leistungspunkten liegt bei gerade mal 3 Credits. Also jagen wir den Punkten hinterher oder sammeln Avocados vom Baum.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Studium einen sehr guten Rundumblick auf 4 Themengebieten mit Zukunftschancen bietet. Ob als Übersetzer_in in einem international agierenden Unternehmen, als Mitarbeiter_in in einer kulturellen Einrichtung oder im Bereich des Journalismus, den Graduierten stehen diverse Türen offen. Wieso also in den sauren Apfel beißen, wenn der Griff zur Avocado doch ein spektakuläres Geschmackserlebnis in Aussicht stellt. Guten Appetit!

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