Auslandsaufenthalt in Kolumbien im Rückblick

Ganz genau kann ich mich noch an den Moment erinnern, an dem ich zum ersten Mal Bogotá, die Hauptstadt Kolumbiens, vom Flugzeug aus erblickte. Sie wirkte wie ein gewaltiges Meer aus Gebäuden, Straßen, Fahrzeugen und – klitzeklein zu erkennen – Menschen, hochgelegen inmitten der gewaltigen Gipfel der Anden. Vor Aufregung konnte ich kaum stillsitzen, denn ich befand mich an jenem Nachmittag Ende Januar letzten Jahres im Landeanflug auf meine neue Heimat, in der ich im Zuge eines Studienaufenthalts die nächsten elf Monate verbringen würde. Mittlerweile bin ich wieder nach Deutschland und somit auch in den Potsdamer Uni-Alltag zurückgekehrt und ziehe Fazit. Von Sofia Nett.

Ankommen im Uni-Alltag

Da die Studienzeiten etwas anders organisiert sind als in Deutschland, beginnen die Semester in Kolumbien jeweils Anfang Februar bzw. Mitte August und enden Anfang Juni bzw. Anfang Dezember. Dies bedeutete also, dass ich direkt aus meiner vorgezogenen Prüfungsphase an der Uni Potsdam in den kolumbianischen Uni-Alltag an der Nationalen Universität von Kolumbien – oder „Nacho“, wie sie auch von den Studierenden genannt wird – katapultiert wurde.

Das war aber nicht weiter schlimm, da die Neugier und Aufregung über die neue Situation, in der ich mich befand, die eigentliche Erschöpfung vergessen ließen. Auch fühlte ich mich von Anfang an sehr wohl auf dem riesigen, immergrünen Campus, der im starken Kontrast zur eher grauen und hektischen Millionenmetropole Bogotá steht.

Studierende halten sich nicht nur auf dem Uni-Gelände auf, um sich um ihr Studium zu kümmern, sondern viele treffen sich auch dort „sólo para parchar“, also einfach nur um abzuhängen. Es wird Fußball gespielt, gegrillt, Essen von einer der vielen „chazas“, den auf dem Campus verteilten Verkaufsständen, geteilt, oder auch mal ein „pokerón“, die 0.75l Variante des in Kolumbien beliebten Bieres „póker“, getrunken. Vorausgesetzt natürlich man hat es geschafft, dieses zuvor erfolgreich durch eine der Sicherheitskontrollen an den Eingängen des komplett umzäunten Universitätsgeländes zu schmuggeln.

Der Euphorie folgt die Ernüchterung

Obwohl ich sehr schnell Anschluss und auch ein WG-Zimmer in direkter Uni-Nähe gefunden hatte, folgte nach einigen Wochen dann doch etwas die Ernüchterung. Die anspruchsvollen und sehr arbeitsaufwändigen Kurse, die ich in meinem ersten Semester an der Nacho belegt hatte, erlaubten es mir kaum anderen Aktivitäten außerhalb des Studiums nachzugehen und das Land, in dem ich nun lebte, und dessen Leute außerhalb des universitären Kontextes näher kennenzulernen. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich nur noch damit beschäftigt, Texte zu lesen und Aufgaben für meine Kurse zu erledigen, wobei ich meinen eigenen Anforderungen nie gerecht zu werden schien. Und das, obwohl wir uns noch nicht einmal in der Prüfungsphase befanden!

Auch die Sprache stellte zu diesem Zeitpunkt noch ein Problem für mich dar. Wo ich am Anfang meines Aufenthalts noch voller Tatendrang an die Aufgabe, so schnell wie möglich mein Spanisch zu verbessern, heranging und über die vielen Fehler, die ich machte, hinwegsah, fühlte ich mich allmählich doch immer eingeschränkter durch meine Unfähigkeit, genau das auszudrücken, was ich wollte. Heute erinnere ich mich gerne an einen Satz, den eine kolumbianische Freundin mir zu einem späteren Zeitpunkt sagte: „Eine neue Sprache zu lernen ist so, also würde man sich zu einem Kind zurückentwickeln.“

Und genau so war es. Ich hatte nicht nur das Gefühl, dass ich mich selbst ein bisschen wie ein Kind benahm, da ich oft Dinge nicht verstand, viel nachfragte und sprachlich auch einfach noch nicht dazu im Stande war, mich über tiefgründigere Themen als das Wetter oder mein Lieblingsessen zu unterhalten. Nein, auch andere schienen mich als eher „simple“ Person wahrzunehmen und mich auch dementsprechend zu behandeln.

Neuer Tatendrang

Obwohl mir das erste Semester in Kolumbien dann also doch die eine oder andere Hürde in den Weg gestellt hatte, zweifelte ich nie an meiner Entscheidung, ein Jahr im Ausland in mein Studium an der Uni Potsdam integriert zu haben. Nach den Semesterferien, die ich auf Reisen außerhalb Bogotás verbracht hatte, startete ich mit neuem Mut in mein zweites Semester an der Nationalen Universität von Kolumbien. Erst durch den direkten Vergleich, den ich nun mit meinen Anfängen einige Monate zuvor in Bogotá ziehen konnte, fiel mir auf, wie viel ich während meines Aufenthalts dort eigentlich schon gelernt hatte.

Besonders meine merklich gewachsenen Fähigkeiten, was das Spanische betraf, erlaubten es mir auch endlich mich mehr im Uni-Alltag einzubringen und mich auch allgemein besser in das Leben in Bogotá zu integrieren. Während der letzten Monate, die ich in Kolumbien verbrachte, fühlte ich mich also schon fast wie ein Teil des Ganzen, was den Abschied letztendlich natürlich nicht einfacher machte.

Kolumbien – ein Land der Gegensätze

Zusammenfassend kann ich also sagen, dass ich eine unglaubliche Zeit in Kolumbien verbracht habe. Ich bin in eine Welt eingetaucht, für die ich mich zwar schon seit Langem interessierte, die mir aber trotzdem bis zum damaligen Zeitpunkt noch eher fremd war. Die Distanz – und hier meine ich nicht nur die, welche in Kilometerzahl berechnet wird, sondern auch die, die im Kopf stattfindet – zu Deutschland und allgemein Europa erlaubte es mir Vieles von einer neuen Perspektive zu betrachten.

Auch lernte ich gewisse Sicherheiten und Möglichkeiten schätzen, welche in Deutschland für selbstverständlich gehalten werden, die in Kolumbien aber einfach nicht gegeben sind.

Kolumbien ist und bleibt ein Land der Gegensätze, so ist es 2018 zum wiederholten Male unter den Spitzenreitern der glücklichsten Länder der Welt, obwohl die Bevölkerung doch schon seit fast 60 Jahren unter dem internen bewaffneten Konflikt, der bereits mehrere zehntausende Todesopfer gefordert hat, leidet. Die politische Situation in Kolumbien ist kompliziert und das wird sich so schnell wohl auch nicht ändern. Das Land besitzt aber trotzdem eine unglaubliche Schönheit, wobei das Schönste an ihm seine Menschen sind.

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