Das Corona-Virus hat unser Leben immer noch fest im Griff. Für viele Studierende ergab sich eine große Umstellung wohl dadurch, dass das aktuelle Sommersemester nicht wie gewohnt vor Ort an den Campi in Vorlesungssälen, Seminarräumen, Bibliotheken und Cafeterien abläuft. Stattdessen befindet sich die Universität Potsdam im eingeschränkten Betrieb, es finden keine Präsenzveranstaltungen statt und Lehrveranstaltungen werden digital angeboten. Nachdem nun bereits einige Wochen der Vorlesungszeit im neuartigen Online-Semester vergangen sind, stellt sich die Frage, welche Erfahrungen wir Studis bis jetzt gemacht haben. Welche Probleme, aber vielleicht auch welche Vorteile sind aufgetreten? In diesem Artikel gibt euch die speakUP-Redaktion einen Einblick in ihre Erlebnisse. Von Marianne Max, Laurenzia Kiesche, Paula Gürtler, Florian Franke und Christina Kortz.
Redakteurin Marianne ist dankbar für eine neugewonnene Mentalität und das Miteinander in Corona-Zeiten
„So, können wir anfangen, sind wir vollzählig?“, „Ah nein Moment, da kommt noch jemand.“ – Zunächst scheinbar normale Sätze unserer Dozierenden muten erst dann seltsam an, wenn es um die Frage geht „Wie lasse ich den_die Nachzügler_in denn jetzt noch eintreten?“ Doch wir alle wissen, dass die Tür zu unserem Seminarraum in dieser Zeit ein Zoom-Link ist. Ein Tool, welches uns im Homeoffice die Kommunikation erleichtert und gerade deshalb im Rampenlicht aller Universitäten und Firmen steht. Da kann jenes schon mal von den Datenschutzlücken wegschwenken. Oder? Die New Yorker Staatsanwaltschaft, die sich nun genauer mit den Versäumnissen des Anbieters beschäftigt, wird das sicher nicht tun, ebenso wenig wie die Mitarbeiter_innen des ZIM. Diese stehen den Studierenden und Lehrenden gleich unter der Zoom-Lizenz Rede und Antwort zum Datenschutz und den aktuellen Entwicklungen des Tools.
Eine Transparenz, die ich in den letzten Tagen von allen Seiten der Universität Potsdam erleben durfte, sei es durch den Präsidenten Prof. Dr. Oliver Günther, den Vizepräsidenten Prof. Dr. Andreas Musil, den Career-Service, aber auch durch die Lehrenden. Bei Letzteren gibt es unterschiedliche Herangehensweisen an die neue Situation. Während einige die Online-Präsenz mit der Aufgabe immer neuer Ausarbeitungen und dem Misstrauen in die Selbstständigkeit ihrer Studierenden ersetzen, haben sich andere nicht nur kreative und vielfältige Onlineformate ausgedacht, sondern versäumen es auch zu keinem Seminar, sich nach dem Befinden ihrer Studierenden zu erkundigen. Eine Mentalität und ein Miteinander, dass ich mir auch in Zukunft wünsche und wofür ich mich an dieser Stelle einmal von Herzen bedanken möchte.“
Redakteurin Laurenzia fragte sich: „Online-Semester – Und jetzt?“
„Diese Frage haben sich bestimmt viele gestellt, als beschlossen wurde, dass das Sommersemester 2020 ein Online-Semester sein wird. Für uns alle war diese Nachricht zwar absehbar, aber trotzdem erstmal nicht leicht zu verdauen. Wie soll so ein Semester aussehen?
Hätte mir jemand gesagt, dass mein zweites Semester ein Online-Semester sein wird, hätte ich diese Person wahrscheinlich ungläubig angeguckt. Mittlerweile ist die anfängliche Verwirrung jedoch vergangen, denn jetzt haben wir schon seit einigen Wochen Online-Vorlesungen und Seminare, sodass wir uns so langsam ein Bild davon machen können, wie das Semester gestaltet wird. Ich muss sagen, dass ich zunächst nicht viel Vertrauen in die Umsetzung des Online-Angebotes hatte. Umso überraschter war ich, als ich gesehen habe, wie, natürlich nicht ganz unproblematisch, aber viel besser als gedacht, die Dozent_innen ihre Kurse und Vorlesungen gestalten.
Zoom, unter anderen, ist mittlerweile also ein Bestandteil unseres Alltags geworden. Ich denke, wir alle hatten bisher das Vergnügen unsere Dozent_innen im Zoom-Meeting zu sehen, was sich nicht immer als einfach erwies. Ich persönlich kann den Satz „Können Sie mich hören?“ mittlerweile wirklich nicht mehr hören. Oder – noch schlimmer – wenn alle ihr Mikrofon und ihre Kamera ausgeschaltet haben, Dozent_innen eine Frage stellen und die Antwort nur Stille ist. Der Klassiker ist natürlich auch, wenn man ein Zoom-Meeting vergessen hat und dann noch schnell, zwischen Mittagessen und Aufgaben für andere Kurse machen, dem Meeting 20 Minuten später endlich beitritt (oder vielleicht auch gar nicht).
Natürlich bringt das Online-Semester einige Nachteile mit sich, aber ich finde, man sollte den Dozent_innen trotzdem ein großes Lob aussprechen, weil viele die Kursgestaltung unter den besonderen Bedingungen gut umgesetzt haben. Außerdem können wir im nächsten Semester wahrscheinlich endlich wieder unsere Kommiliton_innen sehen und werden das erste (und hoffentlich letzte) Online-Semester für immer in Erinnerung halten.“
Für Redakteurin Paula bietet das Online-Semester Probleme, aber auch Erfolge
„Seit das Semster begonnen hat, freue mich darüber endlich wieder feste Termine zu haben. In den Semesterferien schaffe ich nur schwer was, wenn jeder Tag eigentlich gleich ist, wenn ich ihm keine Struktur gebe. Eigentlich hätte ich ja arbeiten gehen können. Aber Corona und Servicekraft in einem großen Veranstaltungshaus verträgt sich nicht. Zum Glück bekomme ich auch noch BAföG, aber auf Dauer reicht das leider auch nicht. Verdrängen wir lieber das Thema Finanzen. Meine Seminare lenken mich zum Glück gut ab, auch wenn sie nur online stattfinden.
Ich sehe die privaten Zimmer meiner Kommiliton_innen und meiner Dozierenden. Ich habe meinen Spaß daran und freue mich, wenn das Bücherregal genauso aussieht, wie ich es mir dachte. Corona macht privater und persönlicher, auf eine verdrehte Art. Corona raubt mir aber auch meine Aufmerksamkeit. Ich lasse mich schneller ablenken, wenn ich nicht im gleichen Raum mit meiner Professorin und geliebten Mitstudierenden bin. Stattdessen stehe ich in meinen eigenen vier Wänden vor meinem Schreibtisch, eine Tasse Kaffee neben mir (den ich seit kurzer Zeit jeden Morgen trinke), mit meinem Handy immer griffbereit. Dazu mein Laptop mit Internetzugang, wo mir keiner sonst auf den Bildschirm schauen kann und eventuell sehen könnte, wie ich nicht dem Seminar über Zoom folge, sondern nach einer neuen Serie für die Abendunterhaltung (*hust hust*) suche.
Ja, richtig gelesen, ich stehe übrigens seit ein paar Wochen beim Arbeiten. Mein Schreibtisch, den man in der Höhe verstellen kann, macht sich endlich bezahlt, und ich kann das nur weiterempfehlen. Seitdem sind die elenden Kopfschmerzen weg, die kamen vom zu vielen Sitzen und der mangelnden Bewegung. Achja, und Internet ist auch noch so ein Thema: Blöd ist, wenn das instabil ist und ich zuletzt nicht mal am Seminar teilnehmen konnte. Denn 90 Minuten lang stockenden und blechern klingenden Stimmen zuzuhören, wäre zu nervig gewesen. Immerhin spare ich mir den Weg von Berlin nach Potsdam und wieder zurück, in meinem Fall fast 3 Stunden. Die Zeit brauche ich auch.
Ich habe das Gefühl, es gibt gerade noch mehr zu tun als sonst (inklusive Auslandssemster planen, was vielleicht nicht stattfinden wird), obwohl so oft davon gesprochen wird, dass die Welt still stehen würde. Aber selbst die lange Fahrt vermisse ich, bei der ich einfach aus dem Fenster schauen und meinen Gedanken hinterher hängen konnte. „Auszeit nehmen“ löst sich auf, weil Auszeit jetzt theoretisch immer da ist. Ich muss nur zwei Schritte zum Sofa laufen. Dann kann ich dort liegen und an die Menschen denken, die ich vermisse und daran, dass das Alles auch ein Ende haben wird und es mir eigentlich gut geht.“
Redakteur Florian weiß das „analoge“ Studium nun viel mehr zu schätzen
„Echt toll war in letzter Zeit, dass die Uni und viele Dozierende sehr studierendenfreundlich gehandelt haben. Ich persönlich habe mich gut informiert gefühlt, und es kam mir sehr entgegen, dass die Anforderungen teilweise heruntergeschraubt wurden. Die neue freie Zeit durch fehlende Fahrtzeiten war auf den ersten Blick super. Nur leider wurde sie zu einem beträchtlichen Teil mit Technikgenerve gefüllt. Da hätte ich dann doch lieber die Fahrtzeit, die ein bisschen räumliche Trennung zwischen Uni und Zuhause schafft. Momentan besteht die räumliche Trennung nämlich nur in dem halben Meter zwischen Schreibtisch und Sofa.
Nicht so toll ist, dass einige Dozierende mit dem Ausmaß und Format an Gruppenarbeit weitermachen, wie es ohne Coronakrise der Fall gewesen wäre. Und, dass die Diskussionen in den asynchronen Seminaren wegfallen oder in unbeschriebenen Moodle-Foren dahinscheiden. Das hat einfach nichts; etwas Kritisches zu schreiben und dann zwei Tage auf eine Antwort zu warten. Mir fehlen auch die Uni und der Campus, die Gespräche mit Freund_innen, aber auch, dass einen Menschen umgeben. Ich hätte nicht gedacht, dass mir das deutlich fehlen würde, aber von Menschen umgeben zu sein, gab mir irgendwie ein Gefühl von Sicherheit und Normalität. Dieses Semester zeigt für mich, dass das Digitale keine absolute Alternative sein kann zum „analogen“ Studium. Der_die Studierende ist scheinbar doch ein soziales Wesen und zwar vorrangig ein analoges und kein digitales.“