Jedes Semester treibt es hunderte Studierende ins Ausland, sehr oft bleiben sie jedoch der Heimat nahe. Dies führt dazu, dass die europäischen Hauptstädte voll im Trend liegen und einmal dort angekommen, lernt man weitaus mehr als nur die Fremdsprache. Nur was genau eigentlich? Von Franziska Dickmann
Ein Praktikum, oder auch ein ganzes Semester im Ausland zu verbringen ist bei Studierenden vieler Studienrichtungen sehr beliebt. Nachdem ich schon einmal direkt nach meinem Abitur ein Jahr in London verbracht habe, zieht es mich bald wieder ins Ausland, um dort mein kulturwissenschaftliches Praktikum zu absolvieren. Es stellt sich jedoch die Frage, wieso es so viele von uns in andere Länder zieht. Dabei haben wir es doch Zuhause gar nicht so schlecht? Was treibt hunderte von Studierenden an, jährlich die Flucht vor der eigenen Universität zu ergreifen?
Prinzipiell bringt der Aufenthalt im Ausland zwei große Vorteile mit sich: Zum einen ist es möglich eine bereits zuvor gelernte Fremdsprache zu festigen. Wer sich auf den heutigen Arbeitsmarkt begibt, muss zumeist mehr anbieten können als nur seinen Universitätsabschluss. Da sind erweiterte Fremdsprachenkenntnisse keine schlechte Möglichkeit, um das Interesse potenzieller Arbeitgeber zu steigern. Angst vor der Sprachbarriere braucht niemand zu haben, denn solange man den Willen zum Lernen aufbringt, stehen alle Türen offen. War man Zuhause noch zu bequem, um sich mit der Fremdsprache wirklich auseinanderzusetzen, so hat man im Ausland keine andere Wahl. Was man vorher noch nicht an Sprachkenntnissen hatte, eignet man sich hier sehr schnell an.
Das Ausland bietet mehr als nur die Fremdsprache
Sieht man von den sprachlichen Vorteilen für das spätere Berufsleben ab, so kann ein Auslandsaufenthalt noch sehr viel mehr vermitteln. Sich allein auf den Weg in ein anderes Land zu machen, fördert ungemein viele Eigenschaften, von denen man vorher noch nicht viel gewusst hat. Ganz oben auf der Liste rangiert die Selbstständigkeit. Steht man plötzlich vor der Aufgabe, alles selbst organisieren und planen zu müssen, so setzt häufig zuerst einmal allgemeine Verzweiflung ein. Schließlich gilt es, plötzlich tausend Dinge zu erledigen, sei es nun eine eigene Wohngemeinschaft zu gründen oder sich ein Bankkonto im Ausland anzulegen. Ist dieser Punkt einmal überwunden, gewöhnt man sich schnell an das neue Leben und es ist unfassbar, wie die Zeit verfliegt. Zurückdenkend bin ich selbst erstaunt, wie wenig ich mir zugetraut habe, bevor ich allein in die Hauptstadt Englands flog. Denn dort stellte ich fest: Wer einmal in der Telefonschleife des Flughafens Heathrow steckte, um gemeinsam mit einem indischen Mitarbeiter das Rätsel des verschollenen Koffers zu lösen, der schafft auch so einige andere Sachen.
Neben Selbstständigkeit steht deshalb auch Aufgeschlossenheit ziemlich hoch im Kurs. Vorausgesetzt man ist kein Stubenhocker, so kann man während seiner Zeit im Ausland viel erleben. Meistens ist es auch gar nicht so schwierig Anschluss zu finden, wie man zu Beginn dachte. Nach einem Jahr London nahm ich deshalb nicht nur unheimlich viele Mitbringsel, sondern auch Freunde aus der ganzen Welt mit nach Hause, sei es aus Schweden oder Costa Rica. Denn in London scheint es niemanden zu stören, aus welchem Land das Gegenüber kommt. Selbst in einer durch und durch multikulturellen Stadt lebend, sind die Londoner sichtlich erfreut über jeden interessanten Gesprächspartner, den sie greifen können. So hat man in der Millionenstadt nie Probleme Anschluss zu finden, sei es an der Bar eines der vielzählig vertretenen Pubs oder im Supermarkt. Denn da London trotz seiner immensen Größe eine sehr warmherzige Stadt ist, ist es irrelevant in welcher Situation man sich gerade befindet: Die Londoner helfen immer gern.
Kulturellen Veränderungen sollte man sich bewusst sein
Aber wie genau kann der Aufenthalt in einer fremden Stadt denn nun die persönliche Laufbahn eines Einzelnen beeinflussen? Zunächst einmal macht sich schon allein durch die fremde Sprache bemerkbar, ob die ganze Sache etwas für einen ist oder eher nicht. Hat man Spaß daran international zu arbeiten, oder möchte man lieber nur in seiner Landessprache kommunizieren? Fühlt man sich trotz aller gewonnener Sprachsicherheit in Deutschland einfach heimischer? Gerade diese Frage ist insbesondere mit den fremden Kulturen verknüpft. Schließlich liegt es nicht jedem, Vertragsabschlüsse mit Wodka zu begießen oder Baguette zum neuen Hauptnahrungsmittel zu küren. Aus diesen Gründen lohnt es sich schon vorher einmal in andere Kulturen hinein geschnuppert zu haben, um später keine unangenehmen Überraschungen zu erleben. Während die englische Sprache für mich nie ein großes Problem darstellte, so war ich doch hin und wieder verärgert über die Mentalität der Engländer. Ich tat mich das ganze Jahr über schwer, 10 Minuten oder länger auf einen Bus zu warten.
Neben dem kulturellen Einflussfaktor spielt aber auch das Heimweh eine ernstzunehmende Rolle. Wer bei seinem Praktikum oder Auslandsaufenthalt große Sehnsucht nach seinen Lieben verspürt hat, sollte sich auch später keinen Beruf suchen, der hunderte Kilometer von seinem Zuhause entfernt ist.
Schlussendlich ist es auch nicht unerheblich, was der für den Austausch geplante Standort zu bieten hat. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass die Hauptstadt Großbritanniens mit einem unheimlichen Pluspunkt aufwarten kann: Die zahlreichen, kostenfreien Museen sind für Kunst – und Kulturinteressierte unentbehrlich. In der Nähe der Stadt angesiedelte Sehenswürdigkeiten wie Stonehenge steigern die Attraktivität zusätzlich. Dies macht die Stadt wie geschaffen für Kulturwissenschaftler_innen, um sich weiterzubilden und eine Fremdsprache zu lernen. So wie hier London als Beispiel dient, lassen sich auch in vielen anderen Städten und Regionen dieser Welt interessante Austauschplätze finden. Man muss sich nur danach umsehen.