Chado: Der Teeweg

Das am häufigsten konsumierte Getränk in Deutschland ist der Kaffee, mit einer durchschnittlichen Menge von 150 Litern im Jahr; Tendenz steigend. Doch es gibt auch eine Alternative, die den gestressten Studierenden gerade in der Prüfungsphase ein kleines Stück innerer Ruhe und Ausgeglichenheit gibt: Der Tee. Von Franziska Schulze und Martin Gebauer.

Die Wurzeln des Getränks lassen sich nur noch schwer nachvollziehen und sowohl China, Japan als auch Indien könnten seine Wiege sein. Einer Legende aus China nach, soll der Kaiser Shen-Nung etwa 3000 Jahre vor Christus in seinem Palastgarten den ersten Tee entdeckt haben. Angeblich wandelte er mit einer Schale voll abgekochten und aromatisierten Wassers umher, in welche einige Blätter von einem nahen Strauch geweht wurden. Wie von Geisterhand verfärbte sich des Kaisers Wasser goldbraun und der köstlich, herbe Geschmack und die wohltuende Wirkung begeisterten Shen-Nung; der Teestrauch wurde entdeckt. Ob Wahrheit oder nicht, der Tee erfreut sich seither auf der ganzen Erde großer Beliebtheit.
Allerdings ist nicht alles Tee, wo auch Tee drauf steht. Im eigentlichen Sinn sind nämlich der Früchtetee und der Kräutertee keine echten Tees wie zum Beispiel Schwarzer und Grüner Tee, sondern nur dem Tee ähnliche Produkte. Eine lange Prozedur liegt hinter den von Teesträuchern gepflückten Blättern, wenn sie bei uns in den Regalen der Supermärkte und Teeläden landen; angefangen beim Pflücken in den Plantagen, über das Welken, Rollen, Fermentieren, Trocknen und Sortieren. Gerade die Fermentation, ein Oxydations- und Gärungsprozess des Zellsaftes, der beim Rollen auftritt, unterscheidet die zwei gängigsten Teesorten, denn Grüner Tee wird nicht fermentiert.

„Tee hat nicht die Arroganz des Weines, nicht das Selbstbewusstsein des Kaffees, nicht die kindliche Unschuld von Kakao. Im Geschmack des Tees liegt ein zarter Charme, der ihn unwiderstehlich macht und dazu verführt ihn zu idealisieren”, so sprach der Begründer des Tao, der chinesische Weise Laotse im 6. Jahrhundert vor Christus. In Asien hat Tee eine Bedeutung, die man hierzulande kaum erfassen kann. In japanischen beziehungsweise chinesischen Teezeremonien (eigentlich: Teeweg) gipfelt die Kunst des Teetrinkens. Diese sind eng mit dem Zen-Buddhismus verknüpft, dessen meditative Praktiken (zazen) keineswegs auf das Sitzen beschränkt sind. Es geht vielmehr um die bewusste Wahrnehmung des gegenwärtigen Augenblicks, das Aufgehen im Moment. Das ist sowohl im Gehen wie auch in einfachen Tätigkeiten möglich. In einem Teehaus, dass der Gastgeber mit einem Holzkohlefeuer erwärmt und in dem er Dufthölzer bereitet, hört man nur dem sanften rauschen des Wassers im Kessel zu. Schweigend versunken genießt der Gast die Wärme und Form der Schale in seinen Händen und den Geschmack des Tees darin. Der in sich abgeschlossene Teeraum wird zu einer eigenen, kleinen und friedvollen Welt.

Alle Sinne: das Fühlen, Schmecken, Riechen, Hören und Sehen werden gefordert und zur gleichen Zeit beruhigt. Das rastlose Denken und Grübeln, also das verkrampfte Festhalten von Gedanken an Vergangenes oder die Angst und Schwarzmalerei vor Zukünftigem; es verblasst und kann losgelassen werden, wie Wolken, die am Himmel dem strahlenden Blau und der wärmenden Sonne Platz machen. Laotse sagte dazu: „Indem man loslässt, geschieht alles wie von selbst. Die Welt wird gemeistert von jenen, die loslassen.“. Das Ergebnis einer solchen Mentalität ist die gesteigerte Konzentration auf das Wesentliche; Nebensächlichkeiten können ohne große Aufregung hingenommen werden und der Mensch beginnt, im Inneren zu ruhen, weil er sich nicht über jede kleine Widrigkeit, an der er ohnehin nichts ändern könnte, aufregt. „Lächle, und vergiss es“, denn „das Leben meistert man lächelnd – oder gar nicht.“, so lauten zwei asiatische Sprichwörter, aus denen nun jede_r für sich selbst einen Schluss ziehen kann. T’ien Yiheng, ein chinesischer Gelehrter sagte jedenfalls: „Man trinkt den Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen.“.

Der Tee ist also ein sehr altes, traditionsreiches Getränk und mit einer ganzen Mentalität verbunden, doch auch geschmacklich kann er einiges bieten. Man sollte nicht den Fehler begehen, Tee nur in Schwarz oder Grün zu teilen, denn die bekanntesten Anbaugebiete, wie Assam (Nordindien), Darjeeling (Nordostindien), Nilgiri (Südindien), Ceylon (Sri Lanka), Formosa (Taiwan), Indonesien, Himalaya, China, Japan, Afrika und Brasilien, liefern die unterschiedlichsten Teesorten. Das Spektrum des Schwarzen Tees reicht von duftig, frisch und blumig (Assam First Flush), über vollmundig, kräftig und spritzig (Ceylontee), hin zu mild, süß-würzig und rauchig (Keemun). Der Grüne Tee, vorrangig in China und Japan seit etwa 5000 Jahren kultiviert, ist mit den Sorten Lung Ching und Chun Mee, sowie mit den aromatisierten Jasmin- und Rosentees gerade für seine gesundheitsfördernde Natur bekannt. Grüner Tee enthält nicht nur mehr Tannin als Schwarzer Tee, sondern durch seine Herstellung auch mehr Gerbstoffe; Vitamine und Mineralstoffe bleiben dennoch enthalten – ein wirklich gesundes Vergnügen!

Wollt ihr nun dem stressigen Alltag einmal entfliehen, dann holt euch eine Tasse Tee, atmet tief durch und stellt euch vor, wie schon vor etwa 5000 Jahren der Kaiser Shen-Nung vom Tee angetan war. Überlegt euch, was für eine lange Reise die Teeblätter hinter sich haben und wie viele Menschen schon vor euch bei einer guten Tasse Tee tief durchgeatmet haben; dann werden die eigenen, vermeintlich riesigen Probleme des Alltags, auf einmal ein bisschen kleiner, überschaubarer und erscheinen in einem neuen Licht.

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