Ist man in Berlin unterwegs, hat man immer häufiger das Gefühl, illegale Drogen seien inzwischen legal oder zumindest egal, so offen wie konsumiert und angeboten wird, man denke nur an den Görlitzer Park. Auch einige Parteien schlagen hier einen liberalen Kurs ein. Ist Drogen nehmen jetzt kein Problem mehr? Von Elisabeth Köhne.
„Hey, wollt ihr Gras, Koks, Speed?“ Eine Frage, der man bei einem Spaziergang durch den Görlitzer Park häufiger ausgesetzt ist – auch ungewollt. Beim Clubbesuch gehört der süßliche Duft von Marihuana fast schon zum üblichen Aroma, genauso wie die auffällig unauffälligen Kleingruppen die sich gemeinsam in eine Klokabine drängen und die darauffolgenden Schniefgeräusche kein ungewohntes Szenario mehr sind. In den Medien, zumindest in den digitalen, wird immer offener mit dem Konsum illegaler Drogen umgegangen ohne ihn zu skandalisieren. Zu finden sind zahlreiche Erfahrungsberichte mit Kokain, Speed, Ketamin und Co. – besonders von Studierenden.
Da stellen sich einige Fragen: Sind das alles Junkies oder kann man mit dieser Art Drogen einfach mal herumexperimentieren, ohne gleich in die Abhängigkeit zu geraten? Ist man spießig, wenn man das Ganze nicht so locker sieht? Eine Suche nach Antworten.
Das World Wide Web
Begibt man sich im Internet auf die Suche zum Thema Drogen, findet man unzählige Informationen. Vor allem bei den Drogenberatungen geht es vordergründig um Aufklärung und nicht um Verurteilung. Der verantwortungsvolle Konsum und die Ablehnung des erhobenen Zeigefingers werden auf vielen Seiten propagiert. In einem Interview fordert ein ehemaliger Drogenboss sogar, dass die Leute den Umgang mit Kokain und Co. einfach nur lernen müssten. Quasi ein Führerschein für harte Drogen. Bei Recherchen zu den nackten Fakten und Statistiken sticht ins Auge, dass das gängige Erhebungsverfahren zum Drogenmissbrauch, welches unter anderem von der Bundesregierung genutzt wird, plausibel kritisiert wird. Die Erhebungen „basieren fast immer auf Daten aus Kliniken und Therapiezentren“ heißt es in einem Artikel auf ZEIT ONLINE und würden „ein Bild des Süchtigen am Rande der Gesellschaft“ zeichnen. Also mitten unter uns? Sind die Konsumierenden gar keine behandlungswürdigen kränklichen oder kriminellen Opfer? Bzw. ist alles gar nicht so problembehaftet wie die Bundesregierung versucht es uns weiß zu machen?
Aus diesem Anlass ruft Zeit-online auch zur Teilnahme am Global Drug Survey 2014 auf. „Wir müssen offen über Drogen reden“.
Die Politik und die Drogen
Es erscheint ambivalent, dass die Bundesregierung Drogen problematisiert, aber im neuen Koalitionsvertrag kein Punkt vorhanden ist, der sich der Drogenpolitik widmet. Sebastian Pfeffer von TheEuropean kommentierte dies spitz: „Schwarz-Rot hat nicht nur keine Vision für die Drogenpolitik, sie ignorieren sie einfach, wie die drei Affen: nichts sehen, hören, sagen.“
Im Gegensatz zu CDU und SPD haben aber anderen Parteien „Visionen“ was die Drogenpolitik angeht wie beispielsweise Die Linke. 2011 nahm die Partei die Legalisierung sämtlicher Drogen in ihr Parteiprogramm auf, welches zu Irritationen in der Allgemeinheit führte. Heroin und Kokain im Laden an der Ecke wie Zigaretten und Alkohol? Nicht doch. Die Linke möchte, dass diese Art Drogen nur an Orten, die über eine fachliche Kompetenz verfügen, wie etwa Apotheken, abgegeben werden. Sie begründet diesen Schritt in ihrem Programm zur Bundestagswahl 2013 damit, dass das bisherige Vorgehen der Kriminalisierung der Konsumenten die Verfügbarkeit und den Konsum nicht effektiv eingedämmt hätte. Ähnlich argumentieren auch die Grünen. Gerade in Berlin sehen sie die hier betriebene Verbotspolitik, am Beispiel der Situation im Görlitzer Park, als gescheitert an. Jedoch ist ihre Haltung im Bereich der Drogenpolitik nicht ganz so radikal wie die der Linken. Sie fordern lediglich eine Entkriminalisierung von Cannabis, sind dafür aber aktuell im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg dabei, diesen Punkt vom Papier in die Tat umzusetzen. Mit einem „Coffeeshop“ wollen sie dem ausgearteten Drogenverkauf im Görlitzer Park entgegenwirken.
Entkriminalisierung bzw. „Entproblematisierung“ der Konsumierenden steht somit bei einigen Parteien auf dem Programm, aber wie problematisch ist der Konsum an sich?
Machen oder lassen?
Dazu gibt es keine pauschale Antwort, da das Suchtverhalten jedes Menschen unterschiedlich ist. Drogenberatungen setzen primär auf Aufklärung. Zu fast allen gängigen Drogen sind Beschreibungen von Zusammensetzung, Wirkung und Gefahren zu finden. „Der Konsum von Drogen erfordert viel Disziplin und Wissen“ erklärt eine Ärztin, die mit Drogensüchtigen arbeitet. MDMA beispielweise wirkt auf den Serotoninhaushalt (Serotonin =Glückshormon) und führt unter anderem dazu, dass dieser sich komplett entleert. Um sich wieder zu erholen, benötigt dieser Haushalt ca. ein halbes bis ganzes Jahr. Die meisten Konsumierenden möchten aber möglichst schnell wieder glücklich sein und so wird das „nur mal ausprobieren“ schnell zum Kreislauf.
„Problematisch wird der Konsum jeglicher Drogen (auch Alkohol und Zigaretten), wenn dieser zur Routine wird. Wenn zum Schlafen mindesten drei Gläser Wein benötigt werden. Wenn das Feiern ohne Alkohol oder anderen Drogen keinen Spaß macht. Wenn sich das Leben nach dem Konsum richtet und nicht umgekehrt“, heißt es in einer Suchtberatung. Doch nicht nur das Suchtverhalten ist ein Problem beim Konsum illegaler Drogen. Das größte Risiko stellt die Verunreinigung dar, welches die Ursache für die meisten Todesfälle ist. Die Dealenden sind selten philanthropisch veranlagt und so ist die „Ware“ meist gestreckt. Das Geschäft muss sich ja lohnen und durch die Illegalität gibt es keine Qualitätskontrollen, keine Stiftung Warentest, welche die Reinheit des „Produktes“ garantieren.
Also machen oder lassen?
Wer auf Russisch Roulette steht, viel Spaß! Man muss sich darüber im Klaren sein, dass Drogen wie Kokain, Speed, MDMA einem etwas vortäuschen. Selbstbewusster und agiler durch Kokain? Warum ist man das ohne nicht? Glücklicher und geiler durch MDMA? Ist die Wirklichkeit so traurig? Drei Tage durchfeiern? Es gibt sicherlich Gründe, warum ein Körper dies unter „normalen“ Umständen nicht kann. Voll Spießig? Ja gerne! Mir ist nämlich noch niemand im engeren Kreis untergekommen, der das „Ausprobieren“ unbeschadet überstanden hat!