Tschüss private Silvesterfeuerwerke, Zeit für neue Traditionen!

Feuerwerke machen schöne Farben – und viel Müll. (Foto: pixabay.com)

Jedes Jahr entbrennt pünktlich zur Feiertagssaison die Diskussion um private Feuerwerke. Unsere Umwelt, zahlreiche Verletzungen und die Angst in der Tierwelt zeigen dabei jährlich, warum ein solches Verbot sinnvoll wäre. Gegner_innen sehen hingegen eine Tradition und ihre persönliche Freiheit in Gefahr. Ist es noch zeitgemäß, uns mit diesen Argumenten zufrieden zu geben? Ein Kommentar von Carolin Kulling.

Böller nur zu Silvester? Schön wär’s

Was den Gebrauch von Feuerwerken in Deutschland angeht, gibt es eine klare Regelung. Die Erste Verordnung zum Sprengstoffgesetz besagt, dass „pyrotechnische Gegenstände“ lediglich am 31. Dezember und 1. Januar benutzt werden dürfen und dass deren Benutzer_innen das 18. Lebensjahr vollendet haben müssen.

Der Geräuschkulisse vor meinem Wohnhaus zufolge scheinen die meisten Menschen noch nie etwas von dieser Regelung gehört zu haben. Spätestens ab dem 27. Dezember darf ich mich darauf einstellen, mindestens 30 Mal am Tag der privaten Knallerei einiger Nachbar_innen zuhören zu müssen. Wenn ich das Glück (oder Pech) habe, einige dieser Personen zu Gesicht zu bekommen, habe ich oftmals berechtigte Zweifel daran, ob die Vollendung des 18. Lebensjahres schon erreicht ist oder überhaupt in baldiger Aussicht steht.

Nicht nur deshalb entflammt jährlich eine Diskussion darüber, warum wir private Feuerwerke in Deutschland überhaupt noch erlauben. Befürworter_innen führen oftmals die persönliche Freiheit und die Silvestertradition an. Reicht diese Argumentation aber noch aus, um sämtliche Nachteile davon in Kauf zu nehmen?

Umwelt, Müll, Verletzungen – Wie viele Gründe braucht es noch?

Sollten wir private Feuerwerke trotz aller Nachteile noch erlauben? (Foto: pixabay.com)

Die Argumente gegen die private Feuerwerksbenutzung sind schließlich längst kein Geheimnis mehr. Sie werden schlichtweg jedes Jahr bereitwillig ignoriert. Nehmen wir also noch einmal zur Kenntnis:

Laut Bundesumweltamt werden zur Silvesterzeit jährlich 4200 Tonnen Feinstaub freigesetzt. Das entspricht etwa 15,5 Prozent der Menge, die jährlich im deutschen Straßenverkehr abgegeben wird. Neben den Umweltaspekten kann es beim Einatmen einer hohen Menge von Feinstaub zu erheblichen gesundheitlichen Problemen kommen. Von vorübergehenden Beeinträchtigungen der Atemwege über einen erhöhten Medikamentenbedarf bei Asthmatiker_innen bis zu Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Problemen – Feuerwerke bedeuten für viele Menschen mehr als nur schöne Farben.

Neben dem Feinstaub in der Luft bleibt jedoch auch am Boden einiges zurück. Allein in Berlin mussten am 1. Januar 2019 circa 600 Mitarbeiter_innen der Stadtreinigung BSR mit 150 Kraftfahrzeugen aufräumen, was andere haben liegen lassen. Bei den Aufräumschichten, die teilweise um zwei Uhr morgens beginnen, wurden im Jahr zuvor rund 450 Kubikmeter Müll eingesammelt.

Alkohol + Sprengstoff = ?

Macht die Tradition das private Silvesterfeuerwerk unantastbar? (Foto: pixabay.com)

Neben Feinstaub und Müll ist darüber hinaus auch ein weiterer Faktor nicht zu unterschätzen: Feuerwerksraketen, Böller und Co. sind gefährlich. Millionen Menschen, ungeübt im Umgang mit Sprengstoff, ziehen Jahr für Jahr los in die Supermärkte und decken sich mit diversen Silvesterknallereien ein. Diese Absurdität wird sogar noch gesteigert, indem diese nicht selten in Verbindung mit hohem Alkoholkonsum genutzt werden.

Im letzten Jahr starben in der Silvesternacht zwei Menschen, einer davon im Potsdamer Nachbarort Kleinmachnow, durch den unsachgemäßen Umgang mit Feuerwerk. Ein 14-jähriges Mädchen in Thüringen erlitt schwere Augenverletzungen, weil Fremde eine Rakete in eine Menschenmenge feuerten, in der sie stand. In Baden-Württemberg verletzte eine Rakete zwei Schüler so sehr, dass sie noch in der Nacht notoperiert werden mussten.

Feuerwerk ist gefährlich und ein gesunder Respekt und in gewissen Situationen sogar Angst vor dem Silvestersprengstoff sind nicht übertrieben, sondern absolut angebracht.

Ist die Freiheit der anderen wichtiger als meine?

Die zuvor genannten Argumente mögen zwar die Faktenlage abdecken, jedoch reicht das für viele noch nicht aus, um den privaten Gebrauch von Feuerwerken in Frage zu stellen. Denn immerhin stehen hier Gesundheit, Umwelt und etliche Verletzte einer anderen Wucht gegenüber: Der persönlichen Freiheit und der Tradition!

„Die Freiheit eines jenen beginnt dort, wo die Freiheit eines anderen aufhört“, sagte einst Philosoph Immanuel Kant und schuf damit eine Definition, die bis heute Bestand hat. Wenn es um Feuerwerk geht, kann man seine Denkweise nun auf zwei Arten anwenden.

Gäbe es einerseits ein Verbot privater Feuerwerke, dann würde man in der Tat die Freiheit einiger beschneiden. Sie könnten von nun an eben kein Feuerwerk zu Silvester mehr zünden, sondern müssten sich als Alternative möglicherweise ein öffentliches Feuerwerk an einem öffentlichen Platz ansehen. Belässt man die Regelungen für Feuerwerke beim jetzigen Stand, dann beschränkt man hingegen die Freiheit der anderen, sich gefahrlos im öffentlichen Raum bewegen zu können, weil sie einem Gesundheits- und Verletzungsrisiko ausgesetzt sind.

Ob man nun den Erhalt des privaten Feuerwerksgebrauchs als Beschneidung der Freiheit ansieht oder dessen Verbot, ist Auslegungssache. Weder die eine, noch die andere Seite kann dieses Argument vollkommen für sich beanspruchen. Welcher Art von Freiheit man mehr Gewichtung schenkt, ist dabei die entscheidende Frage.

Widmen wir uns also dem Argument, dass man sich mit dem Verbot privater Feuerwerke einer Tradition entgegenstellt. Für viele gehört das Feuerwerk ebenso selbstverständlich zur Silvesternacht, wie der Sekt und das Raclette. Feuerwerke sind zweifelsfrei schön anzusehen und werden seit dem letzten Jahrhundert an Silvester genutzt und damit in Verbindung gebracht. Fraglich ist jedoch, ob ein professionell organisiertes, öffentliches Feuerwerk dieser Tradition entgegenstehen würde. Viele andere Länder, wie unser Nachbar Frankreich, zählen Feuerwerke ebenso zur eigenen Silvestertradition, ohne es jeder Privatperson zu erlauben. Hier stehen Tradition und das Verbot privater Feuerwerke nicht im Gegensatz zueinander.

Tiere in Todesangst

Was für uns Menschen ein Spaß ist, kann für Tiere den Albtraum bedeuten. (Foto: pixabay.com)

Ginge es nach mir, dann hätten alle zuvor genannten Argumente gegen das private Feuerwerk schon genug Schlagkraft, um ein Verbot zu rechtfertigen. Der für mich wichtigste Punkt ist dabei noch gar nicht erwähnt worden: Was einigen Menschen Freude bereitet, ist die Hölle für unsere tierischen Nachbar_innen.

Man muss weder Tierbesitzer_in noch Tierfreund_in sein, um zu verstehen, dass unsere Silvesterknallerei schlichtweg unfair gegenüber den Tieren ist. Wer sich sein Zuhause mit einem Tier teilt, erlebt jedes Jahr aufs Neue, wie viel Leid und Angst die Silvesterzeit bei Hund, Katze und Co. verursachen kann. Keine Tradition der Welt kann rechtfertigen, was unsere bloße Spielerei anderen Lebewesen zufügt.

Neben den Haustieren, denen man dieses Leid direkt ansehen kann, versetzen wir die in Freiheit lebenden Tiere, Tiere in landwirtschaftlicher Haltung und alle andere Lebewesen in unserer Umwelt jährlich in Todesangst und das nicht selten unberechtigt.

Zeit für neue Traditionen!

Das Bekenntnis zur privaten Feuerwerkstradition ist heutzutage nicht mehr so verbreitet, wie es in einigen Facebook-Kommentarspalten oft erscheinen mag. Eine Erhebung des Meinungsforschungsinsituts YouGov für das Redaktionsnetzwerk Deutschland ergab, dass sich 57 Prozent der Deutschen immerhin für ein Verbot von Böllern aussprechen. Nur 36 Prozent sind klar für die Knallerei.

Traditionen sind nicht in Stein gemeißelt und Gesellschaften können sich entwickeln. Da auch nach Jahren ausgiebiger Diskussionen über die privaten Feuerwerke nur wenige politische Entscheidungen erfolgt sind, kann ich daher nur an alle appellieren: Da draußen gibt es zu Silvester genug Feuerwerke. Lasst doch dieses Jahr mal Raketen und Böller im Laden – nicht nur euer Geldbeutel wird es euch danken.

Vielleicht hat die Zukunft für uns noch viel bessere Traditionen im Gepäck. Einzelne und dafür professionelle Feuerwerke, spektakuläre Lasershows oder große Konzerte: Silvester könnte doch noch so viel mehr für uns bereithalten!

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