Starlink – Satelliten statt Sternschnuppen?

Starlink am Nachthimmel (Bild: https://tenor.com/view/starlink-satellites-stars-space-mazing-gif-17042073)
Starlink am Nachthimmel (Bild: https://tenor.com/view/starlink-satellites-stars-space-mazing-gif-17042073)

Das Projekt des SpaceX-Gründers Elon Musk begeistert und beängstigt. Verbindet es uns wirklich mehr miteinander oder überwiegen die Nachteile? Von Florian Franke.

Neulich wollte ich Sternschnuppen sehen. Es gibt extra Internetseiten, auf denen man sich die besten Termine dafür heraussuchen kann. Ich lag also mit meiner Freundin und Schwester im Garten und wir warteten. Tatsächlich sahen wir nicht wirklich viele Sternschnuppen, vielleicht zwei oder drei. Mehr kann man wohl auch nicht erwarten, wenn man so nah an einer Großstadt wie Berlin wohnt. Allerdings sahen wir bereits nach kurzer Zeit Lichtpunkte, die auf einer Bahn in regelmäßigen Abständen hintereinander über den Himmel zogen. Satelliten, dachten wir uns.

Als dann aber, nach einer halben Stunde, immer noch dieselben Lichtpunkte auf derselben Bahn vorbeizogen, wurde uns ein bisschen unheimlich zumute. Das mussten gut und gern 40 oder mehr Satelliten sein, die da so regelmäßig und ruhig hintereinander her flogen. Ich erinnerte mich, etwas von einem riesigen Satellitenprojekt der Firma SpaceX gelesen zu haben, und recherchierte am nächsten Morgen. Und tatsächlich: Es waren genau diese Satelliten.

In den folgenden Wochen schaute ich nachts immer mal wieder in den Himmel und konnte die Satelliten mehrmals sehen. Falls ihr das mit eigenen Augen sehen wollt, könnt ihr euch hier die beste Zeit dafür zeigen lassen. Die Aussicht, zukünftig mehr Satelliten als Sterne am Nachthimmel zu sehen, machte mich ziemlich wütend. Daher wollte ich herausfinden, wozu das Ganze und ob es noch mehr kritische Stimmen gibt.

Zuerst einmal ein paar allgemeine Infos:

Starlink ist ein Satelliten-Projekt des US-amerikanischen Raumfahrtunternehmens SpaceX, das wiederum Elon Musk gehört. Im Mai 2019 wurden die ersten 60 Satelliten ins All gebracht. Bis 2027 wurden insgesamt 12.000 Satelliten genehmigt und weitere Anträge für noch einmal 30.000 sollen noch eingereicht werden. 2018 gab es insgesamt circa 2000 aktive Satelliten im Orbit der Erde. Diese Zahl wird sich allein durch die Starlink-Satelliten versiebenfachen (1). Zweifellos ist es eine technisch großartige Leistung, diese Menge an Satelliten zu bauen und ein solches Netzwerk zu konzipieren.

Das Ziel, das SpaceX mit diesem riesigen Netz an Satelliten anstrebt, ist es, global schnelles und stabiles Internet anzubieten. Auch und vor allem dort, wo es bisher keinen oder nur sehr teuren und unzuverlässigen Internetzugang gab. Gewinnorientiert, versteht sich. Musk legt sein Projekt teilweise als Entwicklungszusammenarbeit aus (2). Es soll bezahlbar sein, aber dem Wort „bezahlbar“ wohnt eine gewisse Relativität inne. Zwar gibt es noch keine offiziellen Angaben, aber Schätzungen zufolge könnte der monatliche Preis für ein Satelliteninternetabo 80$ betragen. Dazu kommen die einmaligen Kosten für die notwendige Antenne zum Empfang. Diese könnten zwischen 100-300$ liegen (3).

Interessanterweise ist der Gedanke, weltweit universellen und erschwinglichen Zugang zum Internet zu schaffen, auch ein Ziel der Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen (4). Klar ist, dass das Internet mehr Möglichkeiten der Information schafft und bessere, im Sinne von schnellere, Kommunikation ermöglicht. Allerdings geht aus dem 2019er Bericht des Generalsekretärs zum Fortschritt der SDGs hervor, dass bereits fast alle Menschen in der Nähe eines Mobilen Internet Netzwerksignals leben, 90% der Weltbevölkerung sogar in der Nähe eines 3G-Netzwerkes. Somit ist weniger das lückenhafte Netz das Problem. Problematisch ist eher, dass die Ausbreitung der Netzwerke schneller zunimmt, als die Zahl der Menschen, die letztendlich das Internet nutzen. Dafür gibt es vielfältige Gründe (5).

Eigentlich scheint es kaum Bedarf für Starlink zu geben

Vor allem in Anbetracht der vielfältigen Nachteile, die sich aus der Stationierung mehrerer tausend Satelliten im All ergeben. Zu den offensichtlichen Nachteilen, wie der optischen Zerstörung des Nachthimmels und der schönen Stimmung beim Sternegucken, kommen nämlich noch eine ganze Reihe Weiterer hinzu. Sogar auf nachtaktive Tiere könnte sich das neue Ausmaß der Lichtverschmutzung auswirken (6). Zum Glück mangelt es an der Universität Potsdam nicht an Expertise, was den Weltraum angeht!

Juristische Aspekte

Prof. Dr. Marcus Schladebach, der die Professur für Öffentliches Recht, Medienrecht und Didaktik der Rechtswissenschaft innehat, zählt außerdem das Weltraumrecht zu seinen Spezialgebieten.

Auf Nachfrage der speakUP, ob es überhaupt zulässig ist, dass nationale Behörden im Alleingang Mega-Konstellationen genehmigen, antwortete Professor Schladebach, dass dies an sich rechtlich nicht zu beanstanden sei. Da es keine internationale Aufsichts- und Genehmigungsbehörde für das Weltraumrecht gebe, regeln dies nationale Behörden. Der UN-Weltraumausschuss besitze nur eine beratende Funktion und die International Telecommunication Union (ITU) habe nur Befugnisse was das Technische angeht. So regle letztere die Vergabe von Orbitpositionen für Satelliten und agiert nach dem Prinzip „first come, first serve“.

Dies ist meiner Meinung nach problematisch, da der Weltraum, und das ist sogar im Weltraumvertrag festgeschrieben, als Allgemeingut der Menschheit gilt (7). Daher sollte seine Nutzung, zumindest im Falle von Mega-Konstellationen, auch von allen zusammen geregelt werden. Außerdem wird es durch das „first come, first serve“-Prinzip für zukünftige Antragssteller_innen deutlicher schwieriger werden, für ihre Satelliten noch einen freien Platz im All zu finden und durch das Netzwerk an Satelliten zu navigieren.

Auch wenn die Satelliten mit der modernsten Technik zur Kollisionsvermeidung ausgestattet sind und sich im Falle von Starlink sogar nach einem Defekt oder dem Ende der Nutzungsdauer durch Verglühen in der Atmosphäre „selbst entsorgen“ sollen, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einer Massenkollision und damit zu einem riesigen Weltraumtrümmerfeld kommt. Das wird noch einmal wahrscheinlicher, weil SpaceX nicht die einzigen sind, die Mega-Konstellationen von Satelliten ins Weltall schicken wollen: Die üblichen Verdächtigen Facebook und Amazon und weitere Unternehmen haben ähnliche Pläne.

Würde Elon Musk sich im Falle einer durch seine Satelliten verursachten Massenkollision strafbar machen?

Darauf antwortete Professor Schladebach, dass hier die nationale Gesetzgebung zuständig sei. Es komme darauf an, ob US-amerikanisches Recht umweltgefährdendes Handeln im Weltraum überhaupt unter Strafe stellt. In internationalen weltraumrechtlichen Verträgen finden sich keine Strafnormen.

Professor Schladebach kritisiert, dass das Problem des zunehmenden Weltraumschrotts „fast gar nicht geregelt“ ist, „obwohl dazu viel bekannt ist“. „Die Raumfahrtnationen verweisen auf zu hohe Kosten für die Rückholung des Weltraumschrotts. Außerdem sei bisher noch nichts Schlimmes passiert. Offensichtlich wird die Welt nur aus Schaden klug“.

Auch wenn es seit 2007 eine Richtlinie des UN-Weltraumausschusses zur Müllvermeidung im Weltraum gebe, sei diese völlig unzureichend, weil „1. Die Raumfahrt […] wegen der Bedingungen im Weltraum auf stabile Materialien angewiesen [ist] und ihre Raumschiffe nicht aus Pappe bauen [kann].“ und „2. Die [Richtlinien] […] völkerrechtlich lediglich „soft laws“ [sind], welche nicht verbindlich sind, sondern nur empfehlenden Charakter besitzen.“

Laut Professor Schladebach sei „verbindliches Völkerrecht zur (präventiven) Vermeidung von Weltraumschrott und zur (nachträglichen) Rückholung ausrangierter Weltraumgegenstände“ erforderlich. Er selbst verfasste dazu bereits einen Vorschlag für eine Erweiterung des Weltraumvertrages, der in der Fachszene aber leider keinerlei Reaktionen zeigte. „Die Umweltschutzdebatten der Gegenwart übersehen, dass sich der Weltraum leider mehr und mehr zu einem Friedhof entwickelt und dadurch Umweltbelastungen für spätere Generationen geschaffen werden.“

Aus der Sicht der Astronomie

Die Übungssternwarte auf dem Physikgebäude in Golm (Bild: https://www.uni-potsdam.de/uploads/pics/11-294_haus_28_mit_sternwarte_campus_golm_foto_karla_fritze_12.jpg)
Die Übungssternwarte auf dem Physikgebäude in Golm (Foto: Karla Fritze)

Ein weiterer, geradezu offensichtlicher Experte ist Prof. Dr. Philipp Richter, Professor für Astrophysik an der Uni Potsdam. Ja genau, an der Uni Potsdam kann man Astrophysik studieren! Den Golmer_innen unter den Lesenden ist bestimmt schon die Sternwarte auf dem Physikgebäude aufgefallen.

Aus seiner Sicht sind diese Satelliten, wie auch jede Art von Lichtverschmutzung, ein großes Ärgernis für die Astronomie. Auch wenn die Sternwarte in Golm, die nur für Ausbildungszwecke genutzt wird, von den Satelliten momentan nur unerheblich gestört werde, könne sich das in Zukunft ändern. Laut Professor Richter seien es vor allem die professionellen Beobachtungskampagnen der großen Observatorien, deren Arbeit massiv behindert werde. Auch die Uni Potsdam sei an diesen Forschungsarbeiten beteiligt. Hier könne „das Durchlaufen eines dieser Satelliten durch eine Himmelsaufnahme […] ggfls. die gesamte Meßkampagne [ruinieren] und behindert somit nachhaltig das wissenschaftliche Arbeiten“. Die internationale astronomische Union habe sich, unterstützt von nationalen Verbänden, bereits 2019 mit einem Statement „in aller Schärfe gegen die „Vermüllung“ des Nachthimmels durch artifizielles Licht gewandt“.

Eine durch Starlink ruinierte professionelle Aufnahme (Bild: https://www.darksky.org/wp-content/uploads/2019/05/starlink-lowell-feat-700px-366px.png)

Laut Professor Richter bleibe nur „zu hoffen, dass Elon Musks „zarte“ Ankündigung, die Satelliten so zu modifizieren, dass die störenden Reflektionen des Sonnenlichts nicht mehr auftreten können, umgesetzt werden und das bis dahin auch keine weiteren Genehmigungen erteilt werden.“ Die Satelliten, die bereits im All sind, können natürlich nicht noch einmal „umgestrichen“ werden.

Fazit

Da ich selbst aus dem Bereich Soziologie und Politik komme, sprangen mir noch ein paar andere Gedanken sofort ins Auge: Mit welchem Recht verändert ein einzelner Mann unseren Himmel, quasi im Alleingang, so stark und dauerhaft, ohne Rücksicht auf den Schaden, den er verursachen könnte? Was wäre, wenn die USA beschließen, dieses Netzwerk zu konfiszieren und für eigene Zwecke zu nutzen? Die US Air Force hat bereits Verträge mit Starlink, um zu überprüfen, wie sich das Netzwerk für militärische Zwecke nutzen ließe (8 u. 9). Wie kann man es rechtfertigen, dass ein Mann potenziell die Macht in den Händen hält, zu bestimmen, wo seine Satelliten Internet ermöglichen, welche Informationen über sie verbreitet werden und welche nicht? Klar kann man darauf vertrauen, dass Elon Musk ein netter Kerl ist. Sollte man vielleicht aber nicht.

Quellen:

1) https://www.sciencealert.com/elon-musk-s-starlink-satellite-train-looks-amazing-but-astronomers-have-real-concerns

2) https://twitter.com/elonmusk/status/1132907207463321600

3) https://www.inverse.com/innovation/spacex-starlink-heres-how-much-it-will-cost-to-subscribe

4) https://sustainabledevelopment.un.org/sdg9#targets

5) https://www.weforum.org/agenda/2016/05/4-billion-people-still-don-t-have-internet-access-here-s-how-to-connect-them/

6) https://www.darksky.org/starlink-response/

7) https://www.uni-potsdam.de/de/nachrichten/detail/2019-03-27-paragrafen-auf-der-umlaufbahn-wie-ein-vertrag-dafuer-sorgt-dass-der-weltraum-zum-wohle-

8) https://spacenews.com/air-force-laying-groundwork-for-future-military-use-of-commercial-megaconstellations/

9) https://www.airforcetimes.com/news/your-air-force/2020/02/27/air-force-spacex-to-test-starlink-capabilities-in-upcoming-live-fire-demonstration/

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