Chancengleiche Teilhabe am Studium: So funktioniert der Nachteilsausgleich

Laut der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes aus dem Jahr 2013 haben circa „sieben Prozent der Studierenden eine studienerschwerende Gesundheitsbeeinträchtigung“. Auf unsere Universität bezogen macht das einen Anteil von etwa 1.400 Studierenden aus: Sie haben Anspruch auf veränderte Studienbedingungen, um das Studium trotz Einschränkungen erfolgreich durchführen und abschließen zu können. Viele wissen gar nichts von ihren Rechten. Ob auch ihr Anspruch habt und wie ihr zum Nachteilsausgleich kommt, weiß Maria Dietel.

Nachteilsausgleiche gelten an der Uni Potsdam sowohl für Studierende mit familiären Verpflichtungen und für Studierende mit gesundheitlicher Beeinträchtigung. Die rechtlichen Grundlagen für einen Nachteilsausgleich stammen aus unterschiedlichen Quellen. Einerseits kann das Grundgesetz mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) sowie der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) herangezogen werden.

Spezifischer wird der Nachteilsausgleich jedoch im Brandenburgischen Hochschulgesetz (BbgHG) unter dem Paragraphen 3 „Aufgaben, Verordnungsermächtigung“ geregelt. Hier steht unter anderem: „Sie berücksichtigen die besonderen Bedürfnisse behinderter Hochschulmitglieder und treffen in allen Bereichen die erforderlichen Maßnahmen zu ihrer Integration. Für die Durchführung der Studiums und der Prüfungen sind dabei geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die unter Wahrung der Gleichwertigkeit einen Nachteilsausgleich und die diskriminierungsfreie und gleichberechtigte Teilhabe am Studium gewährleisten.“

Für die Uni Potsdam wird der Nachteilsausgleich unter dem Paragraphen 15 in der Neufassung der allgemeinen Studien- und Prüfungsordnung für die lehramtsbezogenen und nicht lehramtsbezogenen Bachelor- und Masterstudiengänge (BAMALA-O bzw. BAMA-O) behandelt.

Was versteht man eigentlich unter einem Nachteil?

Nachteile bedeuten dauerhafte Beeinträchtigungen, die das Studienergebnis negativ beeinflussen und in Prüfungen oder dem angestrebten Beruf ausgeglichen werden können. Negativ beeinträchtigt seien Studierende, die unmittelbare körperliche Auswirkungen haben, wie gesundheitliche Beeinträchtigungen, Behinderungen oder auch Schwangerschaften.

Wenn die jeweilige Beeinträchtigung dem Behindertenbegriff der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung entspricht, besteht die Möglichkeit, einen Nachteilsausgleich zu beantragen: „Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige, körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“

Andererseits gelte der Nachteil in abgeschwächter Form aber auch für Studierende, die nahestehende Angehörige pflegen oder alleine betreuen, worunter auch die Kinderbetreuung fällt. Fälle der Prüfungsunfähigkeit, wie Krankheit, Tod eines nahen Verwandten oder andere unverschuldete Notlagen, zählen somit nicht zu den Nachteilsausgleichen. Nach dem Leitbild „Die UP steht für Chancen- und Familiengerechtigkeit“ sollen Nachteilsausgleiche für eben diese beeinträchtigten Studierenden Chancengleichheit ermöglichen.

Wie bekommt man einen Nachteilsausgleich?

Ein Nachteilsausgleich werde nicht pauschal für Behinderungen, chronische Krankheiten oder Schwangerschaften ausgestellt, sondern setzt immer eine individuelle Einzelfallbetrachtung des jeweiligen Prüfungsausschusses voraus. „Das Wort individuell unterstreicht, dass sich Nachteilsausgleiche insbesondere an den individuellen Möglichkeiten des Studierenden orientieren und diese mit den spezifischen Fachansprüchen in Vereinbarung bringen“, wie es auf der Website der Uni Potsdam steht.

Falls eine der oben genannten Beeinträchtigungen vorliegt, sollten Studis so zeitig wie möglich und stets vor der Prüfung einen Antrag an die/den jeweiligen Prüfungsausschussvorsitzende_n richten, da nachträgliche Nachteilsausgleiche nicht möglich sind. Bei Behinderungen sollte eine Frist von etwa sechs Wochen eingehalten werden, wobei kurzfristige Nachteilsausgleiche wie z.B. bei Armbrüchen auch ermöglicht werden können.

Der vollständige Antrag besteht aus einem individuellen Anschreiben, „das das Anliegen verständlich und mit konkreten Aussagen zum Studium erläutert“, so die Informationsseite der Uni Potsdam. Dem ausgefüllten Antrag beizulegen sind entweder der Schwerbehindertenausweis, fachärztliche Stellungnahmen oder aktuelle therapeutische Nachweise über den auszugleichenden Nachteil. Die Entscheidung über einen Nachteilsausgleich werde dem Studierenden dann schriftlich mitgeteilt.

Gewährte Nachteilsausgleiche bei Behinderung gelten über das gesamte Studium hinweg. In Fällen von chronischen Erkrankungen könnten Nachteilsausgleiche aufgrund von Verschlechterungen der gesundheitlichen Lage nachbearbeitet werden. Da bei psychischen Erkrankungen Besserungen des Gesundheitszustandes möglich sind, unterliegen diese häufigeren Prüfungen. Für Nachteilsausgleiche bei Pflege oder Betreuung gebe es derzeit Bestrebungen die Antragstellung so zu vereinfachen, dass Anträge nur einmal jährlich gestellt werden müssen.

Die Chancengleichheit soll erhalten bleiben

Nach Genehmigung eines Nachteilsausgleiches werden Veränderungen für das Erbringen von Studien- und Prüfungsleistungen gewährt. Die Studierenden mit einem Nachteilsausgleich müssten dennoch gleichwertige Studien- und Prüfungsleistungen erbringen, damit das Gebot der Chancengleichheit gegenüber den anderen Studierenden eingehalten würde. Nachteilsausgleiche sind also keine Studienerleichterungen. Ein Nachteilsausgleich könne daher nicht stattfinden, wenn die Beeinträchtigung zur Nichteignung des angestrebten Berufs führt.

Falls der gestellte Antrag für einen Nachteilsausgleich abgelehnt wird, gibt es für jede_n Studierende_n die Möglichkeit, schriftlich Widerspruch bei dem Referent bzw. der Referentin für studentische Rechtsangelegenheiten im Dezernat für Studienangelegenheiten einzureichen. Hierdurch befasst sich der Prüfungsausschuss nochmals mit dem Nachteilsausgleich. Zu beachten sind hier die Einhaltung der vorgesehenen Fristen, welche mit beigefügter Rechtsbehelfsbelehrung einen Monat und ohne eine solche Belehrung sogar ein Jahr betragen.

Wie schaut der Nachteilsausgleich konkret aus?

Für Studierende mit körperlichen Beeinträchtigungen beziehen sich viele Nachteilsausgleiche auf die konkrete Prüfungssituation. Beispielsweise gibt es Verlängerungen der Prüfungszeiten, die Ermöglichung von Pausen während der Prüfung oder das Schreiben in separaten Räumen. Ebenfalls können Ausgleichs- und Ersatzleistungen gestattet werden, indem die Prüfungsformen umgewandelt und technische und/oder personelle Hilfen bereitgestellt werden.

Des Weiteren werden Fristverlängerungen für Haus-, Bachelor- oder Masterarbeiten gewährt, blinde Studierende können eine Schreibassistenz nutzen oder es werden ortsgebundene Praktika ermöglicht. Für schwangere Studierende können mitunter auch Beschäftigungsverbote ausgesprochen werden, wenn diese beispielsweise mit Chemikalien arbeiten. Studierende, die Angehörige pflegen oder betreuen, können ebenfalls alternative Prüfungstermine und -leistungen, verlängerte Bearbeitungszeiten sowie die Unterstützung bei der bedarfsgerechten Planung von Lehrveranstaltungen beanspruchen. Hinzu kommt gegebenenfalls auch die Erlaubnis, in Präsenzveranstaltungen häufiger zu fehlen.

Für ausführliche Informationen und persönliche Beratungen können sich die Studierenden der Universität Potsdam vor und während des Studiums jederzeit an die Zentrale Studienberatung und den Service für Familien im Koordinationsbüro für Chancengleichheit wenden. Dieser Artikel der speakUP-Redaktion dient einem allgemeinen Überblick zu der Thematik, aus ihm ergibt sich keinerlei Rechtsanspruch.

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