Wenn zwei Menschen sich lieben, ist das wunderschön. Wenn sie zusammen ein Kind bekommen und heiraten, ist das noch schöner! Allerdings ist das auch mit weiten Irrwegen durch einen dichten Dschungel verbunden. Nur, dass die Bäume dieses Dschungels abgeholzt wurden und sich in Papiertürme verwandelt haben, die in den Weiten verschiedener Behörden wuchern, durch die der Weg nicht weniger kompliziert und lang ist. Vor allem, wenn der Partner oder die Partnerin aus dem Ausland kommt. Ein ironischer Abriss über einen Ämtermarathon. Von Vinzenz Lange.
Auch wenn es der deutsche, rechts publizistisch wählende Gartenzwerg kaum glauben kann: Der kulturelle Austausch zwischen zwei Ländern ist und bleibt etwas, dass beiden Nationen äußerst zu Gute kommt. Um diese Erfahrungen für Menschen in ihrer besten Zeit, in der Studienzeit, möglich zu machen, gibt es das internationale ERASMUS-Programm, in dessen Rahmen der Auslandsaufenthalt für Studierende möglich gemacht werden soll. Diese Möglichkeit nutzte auch meine Freundin aus Tschechien, die mittlerweile meine Verlobte ist. Wie viele Menschen, die als Gäste nach Potsdam kommen, empfand sie diese Stadt als so lebenswert, dass sie sich dazu entschloss, hier zu bleiben. Mehr noch: Wir entschlossen uns dazu, eine Familie zu gründen und ganz klassisch zu heiraten. Und so kommt es, dass wir im Juli unsere Tochter erwarten.
Gute Frage: Wovon sollen wir leben?!
„Oh mein Gott!“ (wer diesen Satz nicht kennen sollte, er wird bisweilen mit OMG abgekürzt), schreit da unser Gartenzwerg. „Wie überaus unverantwortlich! Du bist Student der brotlosen Kunst, der Geisteswissenschaften, sie hat in Berlin nur einen Nebenjob als Sprachlehrerin! Und dann noch ein Kind, wovon wollt ihr da leben?!“ Gute Frage.
Das Erste, was mir dazu einfällt ist, für sie Arbeitslosentgeld II zu beantragen, die umstrittenste Sozialleistung in unserem Land. Das bedeutet also viel Proviant einzupacken, die Beinmuskulatur zu dehnen, etwas Riesiges zum Papiertragen mitzunehmen und dann Stunde um Stunde tapfer verschiedene Büros der Arbeitsagentur von innen zu besichtigen.
Heraus kommen wir dann mit einem telefonbuchdicken Papierstapel, der fristgerecht ausgefüllt werden will. Das Ausfüllen eines solchen Antrags lässt sich mit dem Ankreuzen von Zahlen auf einem Lottoschein vergleichen. Wir haben keine Ahnung, was wir schreiben sollen, damit wir am Ende das notwendige Geld bekommen. Darauf zu warten, ob wir gewonnen haben, ist ebenso spannend. Die zwei Semester Jura, die ich studiert habe, helfen da auch nicht, da ich in dieser Zeit zufällig nicht gelernt habe, ob eine ausländische Frau eine deutsche Sozialleistung erhalten kann. Woher und warum sollte man das auch wissen?
Wo liegt eigentlich Tschechien?!
Wo liegt dieses exotische Land Tschechien überhaupt? Flugs den Atlas zur Hand genommen und nachgeschaut. Und tatsächlich liegt es in unserer Nachbarschaft. Manch einer kann sich vielleicht verschwommen daran erinnern, bei der letzten Sauftour in Prag das Antlitz vom Heiligen Wenzel, dem Schutzpatron der Tschechischen Republik, mit Erbrochenen verziert zu haben. Auch wenn manche der tschechischen Buchstaben ganz wunderliche Frisuren tragen und das Tschechische als flektive Sprache es im Gegensatz zu uns vorzieht, über Endungen zu deklinieren, haben Deutschland und Tschechien eine jahrhundertealte gemeinsame Geschichte, die teilweise alles andere als ruhmreich war. Und trotz der ungezählten Verbrechen, die Deutschland in der Tschechoslowakei vor nicht einmal hundert Jahren angerichtet hat, kommt es doch tatsächlich vor, dass Tschechen und Tschechinnen nach Deutschland kommen und hier bleiben wollen.
Deutsches Steuergeld für eine Ausländerin?!
Trotzdem lösen wir mit unserem Anliegen große Verwirrung, Telefonate und viele Tänze zur Warteschleifenmusik aus, bis dann nach einigen Monaten des dauernden Zweifels die Antwort steht: „Ja, ihre Frau kann Hartz IV bekommen.“ Ich selber erhalte es als Student in keinem Fall, aber wir bekommen Unterstützung für die Erstanschaffung von Kindersachen und Möbeln, wie eine Wiege oder einen Kinderwagen, so wie sie uns zusteht. Unser Unterhalt ist gesichert, hurra!
Doch höre ich den Gartenzwerg schon wieder schreien: „Was?! Oh mein Gott, du Hüter unserer glorreichen Fußballnationalmannschaft! Eine Ausländerin soll deutsches Steuergeld erhalten? Wo kämen wir da hin?! Geht mit eurer Brut dem tschechischen Staat auf die Nerven, aber belastet uns nicht!“ Warum wir das trotzdem tun und warum es auch noch gut ist, darauf habe ich eine simple Antwort: „Weil es unser Recht ist.“ Ganz einfach. Wir haben ein Recht darauf, uns zu verlieben und ein Kind zu bekommen, wo wir wollen.
So trivial das klingen mag, waren wir uns anfangs diesem Recht nicht bewusst. Dabei hat doch, ach du liebe Zeit, jeder dieses Recht darauf. Und wir wollen das deutsche Steuergeld ja auch nicht auf ewig beziehen. Bald kommt es auch wieder umgekehrt, da gehen wir arbeiten und dann bekommen andere, ja auch Deutsche, etwas von unserem Geld ab. Manch ein törichter Mensch wird das vielleicht sogar gerecht nennen. Ich hoffe, dass der deutsche Gartenzwerg erst einmal was zum Nachdenken hat, da es trotz allem so schon demütigend genug ist, bei jedem Amt erzählen zu müssen, dass man die „Stütze“ bekommt… Weiterlesen: Hier geht es zu Teil 2 des Behördenirrsinns – denn jetzt wird geheiratet!
Eine Antwort auf „Kinderwunsch im Studium: Wie Kafka auf Erdöl stieß (Teil 1)“